Du schaust aber gut aus
Vor einigen Monaten in der Umkleide unseres Krankenhauses traf ich einen Arzt, der mich länger nicht gesehen hatte. Ich war nach meiner Prostatakrebs-OP sowie anschließender Bestrahlung und Reha fast sieben Monate im Krankenstand und arbeitete nun verkürzt in Wiedereingliederungsteilzeit und außerdem auf einer anderen Station unseres Therapiezentrums. So hatten wir uns etwas aus den Augen verloren.
Dieser Arzt wusste von meiner Krebserkrankung und sagte nun anerkennend zu mir: “Du schaust aber gut aus.” Er hatte das Zögern in meiner Antwort sofort bemerkt. “Danke. Gut ist relativ. Der Krebs ist zurück. Ich habe neue Metastasen in den Lymphknoten.” Das saß. Betretenes Schweigen. “Aber ich bin in Behandlung. Habe ein zusätzliches, sehr starkes Hormonentzugsmedikament und werde vielleicht auch wieder bestrahlt.” Ich erzählte ihm von den Nebenwirkungen.
“Und was machst du dann hier?”, fragte mich der Arzt weiter. Ja, diese Frage hatte ich mir selbst schon öfter gestellt. Wenn ich im Beisein meiner Pattientinnen und Patienten wieder eine dieser schmerzhaften Hitzewallungen hatte. Wenn ich mich vor Müdigkeit nicht mehr konzentrieren konnte. Oder wenn mir am Bett unserer überwiegend schwer betroffenen Patientinnen und Patienten bewusst wurde, dass auch ich schwer erkrankt war. Jetzt stand ich betreten vor dem Arzt und zuckte nur mit den Schultern. Er musste weiter und wünschte mir von Herzen alles Gute. Schweigend und nachdenklich verließ ich unser Krankenhaus.