Erleichterung vs. Belastung
Nicht sichtbar
„Sie sehen wieder richtig gesund aus“, sagte kürzlich eine Nachbarin.
Vor fünf Jahren gerade aus der Isolierstation entlassen, waren Nachbarn, der Hauswart, die Zeitungsfrau in Sorge (haben sie mir später erzählt), ob ich es überhaupt schaffe. Zwischendurch war der Krebs wieder da und ging wieder mit vergleichbar leichter Therapie. Nun bin ich für alle (nicht die engsten Freunde) wieder gesund. Man sieht mir nichts an. Keine Krücken, keine Narben, klare Sprache, normal koordinierte Bewegungen … also was … und doch 100% Schwerbehinderung …
Das kenne ich schon durch meine Sehbehinderung. Schwierigkeiten, die ich dadurch habe, sind nicht selbsterklärend. Der Mensch gegenüber blickt in zwei gesund aussehende Augen. Auch die Abstoßungsreaktionen durch die Transplantation kann man meinen Augen nicht ansehen, aber ich spüre sie ständig …
Manchmal denke ich mir, das Transplantat, also meine neuen Stammzellen müssten für alle sichtbar neonfarben leuchten und die geschädigten Nervenzellen (Polyneuropathie) vor allem in meinen Beinen in schrillem Pink leuchten, und bei Reizüberflutung müsste auf meiner Stirn Blaulicht aufleuchten.
Oder ist es gut so, unauffällig in einer Menschenmenge (Bahn, Geschäft usw.) eintauchen zu können, ohne angestarrt zu werden, ohne bemüht unauffällig angeschaut zu werden usw. ?
Es ist so wie es ist und ich werde weiterhin in irritierte, betreten oder schockiert dreinblickende Gesichter mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern schauen, wenn ich davon erzähle/etwas erkläre. Denn die Schwierigkeiten, mit denen ich klarkommen und leben muss, sind nicht selbsterklärend.