Erleichterung vs. Belastung
Annette fragt… Kendra Zwiefka
Auf Kendra stieß ich in der Instagram-Community, wo sie mit über 17.000 Followern eine sehr große Reichweite hat. Auch ihr Mutmacher-Podcast “Krebs als zweite Chance“ ist sehr beliebt. Ich durfte ihr in einer Folge meine Geschichte erzählen, habe mal ein Live-Interview mit ihr gemacht und seitdem kreuzten sich unsere Wege immer wieder. Ich wage zu behaupten, dass mittlerweile aus einer Instagram-Followerschaft eine Instagram-Bekanntschaft geworden ist.
Kendra bekam im Juni 2018 die Diagnose „Brustkrebs.“ Sie ist Mutter zweier Kinder, Hundemama, Bloggerin, Podcasterin, arbeitet bei discovering hands und ist Botschafterin bei Lebensheldin! e.V. und betreibt sehr, sehr aktive Krebsaufklärung.
Ich freue mich unbändig, dass Kendra mir und euch in einem Interview hier auf dem Blog ganz offen und tiefgehend von sich sich erzählt.
Annette: Liebe Kendra, wie sah dein Leben aus, als der Krebs hereinpurzelte?
Kendra: Ja, wie sah mein Leben vor der Diagnose aus? … Ich sag mal so, ich war wie ein Duracell Hase, der völlig unter Strom stand. Mein Tag begann um 5 Uhr morgens und endete spätabends. Ich wollte es meinem Mann recht machen, den Kindern sowieso und war mitten im Network Marketing. Eigentlich wollte ich gerade richtig durchstarten. Jeden Tag arbeitete ich hart an meinem Körper, 6mal die Woche Sport und ein strenger Ernährungsplan. Denn da ich in dieser Branche arbeitete, wollte ich ein Vorbild für meine Kund*innen sein.
Wenn ich heute darüber nachdenke, wollte ich es jedem recht machen, eigentlich schon mein ganzes Leben lang, von meinem Vater bis hin zu meiner Mutter, etc…
Annette: Was hat die Diagnose mit dir gemacht?
Kendra: Am Anfang war es ein Schock. Ich habe meine Mutter, als ich 18 Jahre alt war, an Krebs verloren. Und als ich nun selber unter der Dusche stand und diesen großen Knoten entdeckte, war ich völlig verzweifelt und bin in Tränen ausgebrochen. Ich habe kaum geschlafen und als ich am nächsten Tag zum Frauenarzt ging, wusste ich innerlich schon, dass es Krebs ist. Aber nach außen habe ich so getan, als ob alles in Ordnung sei.
Die nächsten Tage waren Horror! Ich muss dazu sagen, ich hatte direkt zwei Tage nach dem Ultraschall, bei dem sich eine Auffälligkeit zeigte, einen Termin bei der Mammographie. Heute weiß ich, dass meine Mama schon von oben im Himmel die Fäden gezogen hatte, denn es ist eigentlich unmöglich, so schnell einen Termin dafür zu bekommen.
Nachdem die Mammographie vorbei war, wurde auch noch eine Biopsie durchgeführt. Ich wusste, dass es nicht auf der Überweisung stand, aber ich habe es über mich ergehen lassen. Dieses Geräusch werde ich nicht vergessen….
Dann stand es fest: Brustkrebs sehr schnell wachsend und sehr aggressiv!
Ich fühlte mich wie in einem schlechten Hollywood Film. Ich wollte nur noch raus, weg von hier. Tränen liefen mir über die Wange, ich hörte der Ärztin gar nicht mehr zu…Ich weiß bis heute nicht, wie ich es in den nächsten Park geschafft habe, ohne mich auszukennen, ich wusste nur, ich muss es meinem Mann und meinem Vater sagen…
Annette: Wer oder was hat dir während deiner Erkrankung Kraft gegeben, was hat dich motiviert und dir geholfen?
Kendra: Während meiner Erkrankung gab mir mein Mann so unendlich viel Kraft. Er ist bis heute mein Fels in der Brandung. Er war bei allen Arztgesprächen dabei. Ich bin so tief dankbar, dass er sich alles gemerkt hat, wozu ich gar nicht zu fähig war.
Cornelia, meine Seelenwegbegleitung, war mein Engel und wenn ich ihr nicht begegnet wäre, dann würde ich nicht mehr leben, das weiß ich heute.
Annette: Ich war immer offen, was meine Erkrankung angeht, habe aber Instagram lange nicht genutzt, um von meiner Krebserkrankung zu berichten. Du hingegen hast schon am Tag deiner Diagnose in deiner Story davon erzählt. Wie kam es, dass du direkt so offen warst? Hast du das je bereut?
Kendra: Nein, ich habe es bis heute nicht bereut. Ich wollte von Anfang an aufklären und die Menschen bitten, achtsam mit sich und ihrem Körper zu sein. Ich habe sie daran erinnert, sofort einen Termin bei der/dem Frauenärztin/arzt zu machen, zur Krebsvorsorge. Außerdem fühlte ich mich so allein, denn ich hatte niemanden, mit dem ich mich austauschen konnte. Ich kannte keine/n, die/der Brustkrebs hatte. Meine Mama und meine Tante verstarben beide an Brustkrebs. Ich brauchte jemanden, die/der mit mir über die Diagnose spricht, eine, die es selber erlebt hat. Deswegen das Live auf Facebook (für Social Media -Unkundige: Bei einem “Live” spricht eine Person spontan und direkt in ihre Handkamera und schickt das live hinaus in die Social-Media-Welt.) . Denn weil ich vorher zu meiner Community gesagt hatte: „Egal, was bei der Untersuchung herauskommt, ich verspreche euch, ich nehme euch mit.“, musste ich das nun auch einhalten.
Nach dem Live haben sich so viele Menschen gemeldet, wofür ich bis heute so unglaublich dankbar bin. Die wichtigsten davon sind Cornelia, meine Seelenwegbegleitung und Danni, die genau das gleiche erlebte und mir bei allen Fragen zur Seite stand. Auf Instagram war es die liebe Paula, die mir jeden Tag zeigte, wie sie während ihrer Therapie aussah, dass man sich für nichts schämen bräuchte. Das hat mir so viel Mut geschenkt, ich habe mich jeden Tag auf TV mit Paula gefreut. Danke dir, liebe Paula!
Sideinfo: Auch Paula war schon bei mir im Interview. Klickt euch doch nachher direkt mal rüber!
Annette: Ich bin mittlerweile wieder zurück an der Schule, du hingegen machst seit deiner Therapiezeit andereDinge. Wie kam es, dass du deinen Job aufgegeben hast? Bist du zufrieden damit?
Kendra: Ich habe bis 2019 im Network weitergearbeitet. Doch irgendwann kam der Zeitpunkt, als ich bemerkte: „Das bin nicht mehr ich.” Durch den Verein LebensHeldin! e.V. hatte ich eine neue Aufgabe gefunden, die mich so erfüllt. Ich war und bin Botschafterin und habe das Social Media Team geleitet. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das getan, was mir liegt und was mir Spaß macht, was mein Herz berührt und meine Seele.
Die Kendra von “damals vor dem Krebs“, gab es nicht mehr. Ich wollte nicht in dieses alte Leben zurück und entschloss mich, ein Mentoring Programm bei Cornelia zu machen, auf der spirituellen Ebene.
Annette: Dein Podcast heißt „Krebs als zweite Chance“. Mittlerweile sehe ich das in Bezug auf mich und mein Leben auch ein Stückweit so. Kannst du erläutern, wie du das meinst? Inwiefern war und ist der Krebs für dich und dein Leben eine zweite Chance?
Kendra: Da muss ich ein wenig ausholen… Ich habe durch den Krebs den Weg zu mir gefunden, den ich vor vielen Jahren verlor. Denn ich habe 1999 einen Suizidversuch begangen: Nachdem ich vom Tod meiner Mutter geträumt hatte und sicher war, dass dies bald passieren würde, habe ich mich auf eine Straße gelegt und mich von einem Auto überrollen lassen. Bis 2021 habe ich nicht aufgeklärt, dass es sich dabei nicht – wie von allen angenommen – um einen Unfall handelte.
Dieses tiefe Geheimnis schleppte ich bis 2018 mit mir herum, niemand wusste davon, bis die Diagnose kam und Cornelia mit mir eine Seelenerdung machte. Eine Seelenerdung bedeutet, dass deine Seele so tief verletzt ist und dass die Seelenanteile durch diese Verletzung aus deinem Körper herausgehen und nicht mehr zurückkommen. Es sei denn, du holst sie durch eine Seelenerdung wieder zurück.
In dem Moment, als ich zum ersten Mal Cornelia davon erzählte, dass der angebliche Unfall kein Unfall war, sondern ein Selbstmordversuch, spürte ich in meinem Körper und meiner Seele absolute Zufriedenheit.
Es war, als ob der Rucksack, den ich jahrelang mit mir herumtrug und der so unheimlich schwer war zu tragen war, endlich leichter wurde. Ich lief zuvor, wie ein scheues Reh durchs Leben, immer mit Angst und Scham, dass meine Familie meine große Lebenslüge aufdecken könnte und nichts mehr mit mir zu tun haben möchte.
Daher kann ich für mich sagen: „Der Krebs war meine zweite Chance, ein neues Leben zu beginnen.”
Annette: Alles in mir sträubt sich, wenn ich höre, dass wir Krebserkrankte „kämpfen“ und „stark“ sein „müssen“. Warum dürfen wir den Krebs nicht einfach annehmen, einen Schritt nach dem anderen gehen und vielleicht sogar das ein oder andere Positive darin erkennen? Ich weiß, dass es dir genauso geht! Erzähl doch mal, wie du zu diesen Methaphern stehst.
Kendra: Ich habe noch nicht einmal, Sätze wie „Fuck you cancer“ oder „Krebs ist ein Arschloch“ in den Mund genommen! Auch ist es mir ganz wichtig zu sagen, dass ich nicht eine Sekunde gegen den Krebs gekämpft habe. Denn das wäre ja ein Kampf gegen mich selbst gewesen! Für mich gibt es keine Gewinner*innen und keine Verlierer*innen.
Es ist so wichtig, den Krebs anzunehmen und hinzuschauen, warum er da ist. Wie viele körperlichen Sympthome gab es denn bitte, auf die ich nicht gehört habe?! Auf die wir alle nicht hören, wenn wir ganz ehrlich mit uns sind!
Mir hat jemand einen weisen Spruch mit an die Hand gegeben.
Die Seele sagt zum Körper: „Körper, tu was, auf mich hört sie nicht.”
Dieser Satz hat mein Leben unendlich geprägt. Ich habe mit so vielen Menschen gesprochen, ich durfte so viele Interviews hören und immer wieder kam ich zu dem Punkt: Wir sollten uns die Fragen stellen, ob wir wirklich vor so einer Diagnose zu 100 Prozent mit unserem Leben zufrieden waren. Ich bin mir sehr sicher, dass es oftmals nicht der Fall ist.
Ohne diese Diagnose wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Ich würde noch immer wie ein Zombie durchs Leben irren. Ich hätte nicht den wundervollen Weg in die spirituelle Welt gefunden. Und ich würde nicht diese wundervollen Menschen kennen, die ich durch die Diagnose kennen und lieben gelernt habe. Es gab vorher nicht so tiefe Freundschaften wie jetzt. Und ganz wichtig: Ich hätte nicht die wichtigste Person neben meiner Familie kennen gelernt: CORNELIA. Durch sie bin ich dieser Mensch geworden und das werde ich in diesem Leben nicht vergessen.
Annette: Ich habe einen Satz von dir gelesen, den ich sehr spannend finde „Es beginnt alles mit deinen Gedanken“. Wie meinst du das und kannst du das in Verbindung zu deinem Heilungsprozess bringen?
Kendra: Wenn wir positiv durchs Leben gehen und uns darauf fokussieren, verändern wir uns im Inneren und das Äußere verändert sich ganz automatisch mit: Die Menschen, mit denen wir zu tun haben und die Dinge, die passieren. Als ich meine Diagnose bekam, bin ich in jede Chemotheraphie mit positiven Gedanken gegangen, ich habe den Fokus auf die positiven Dinge gelenkt: „Was tut mir gut?” Ich habe mir kleine Ziele gesetzt und meine Mitmenschen und die neuen wundervollen Menschen gebeten, bei mir zu sein und an mich zu denken. Diese Energie war unglaublich.
Den tiefen Glauben an Gott habe ich durch den Krebs wiedergefunden. Für mich ist der medizinische Weg so gut mit dem spirituellen Weg zu verbinden, denn letzten Endes möchte die Seele sich erfahren, hier auf der Erde. Und auch wenn manche es nicht verstehen: Ich bin überzeugt davon: So kommen wir hier auf die Erde und haben uns vorher, genau dieses Leben ausgesucht.
Es geht im Leben nicht um dich, sondern darum: „Wie viele Herzen kannst Du berühren, wie vielen Menschen kannst du helfen, ein besserer Mensch zu sein oder zu werden?”
In dem Moment, als ich die Wahrheit über meinen “Unfall” aussprach, begann die Heilung in mir.
Annette: Tod und Vergänglichkeit gehören zum Krebs und zum Leben insgesamt dazu. Das weiß ich selbst durch meine eigene Erkrankung und den frühen Tod meines Bruders als junger Familienvater. Du setzt dich vehement dafür ein, dass diese Themen kein Tabu sind und verschwiegen werden. Nimm uns bitte ein bisschen mit in deine Gedankenwelt.
Kendra: Wir wissen nicht, wie lange wir hier sind auf der Erde, wir wissen nicht, was in den nächsten Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren passiert. Deshalb ist es so wichtig, jeden Tag zu genießen, das Leben zu feiern und dankbar zu sein. Es ist eine absolute Ehre, hier auf der Welt zu sein.
Dankbarkeit ist der Schlüssel zum Glück. Wenn du das erkennst, wird sich alles ändern, du wirst dich ändern und deine Einstellung. Irgendwann ist der Tag gekommen, da gehen wir von hier, aber ich bin mir sicher: Wir verändern nur unsere Form, im Herzen leben wir weiter.
Ich finde den Satz „Wenn du deinen Auftrag erfüllt hast, darfst du nach Hause kommen zu Gott.” sehr schön und ich trage ihn tief in meinem Herzen.
Annette: Was möchtest du anderen Menschen, die gerade ihre Diagnose erhalten haben, mit auf den Weg geben?
Kendra: Ich möchte dir sagen:
- Du bist nicht allein. Rede mit anderen und trag es nicht mir dir allein herum.
- Die Dunkelheit wird vergehen, am Ende des Tunnels ist ein Licht zu sehen.
- Gehe in jede Therapie mit Dankbarkeit dafür, dass die Medizin so weit ist.
- Sieh jede Chemotherapie als ein Stück zu Heilung an.
- Bitte kämpfe nicht gegen den Krebs, sondern nimm ihn liebevoll an. Der Krebs will dir nichts Böses, er möchte dir nur etwas sagen.
- Ich möchte dir auf deinem Weg gern etwas mitgeben, was mir sehr geholfen hat:
Annette: Liebe Kendra, vielen lieben Dank für deine offenen und teilweise so “anderen” Antworten. Ich wünsche dir alles, alles Gute für deine weiteren Lebensweg und freu mich drauf, wenn sich unsere Wege das nächste Mal kreuzen. Ich bin froh, dich als Weggefährtin in meinem Leben zu wissen.
Mehr über Kendra findest du hier:
Kendra auf Instagram
Kendras Podcast “Krebs als zweite Chance”
Ich zu Gast bei Kendra im Podcast
Kendras Linktree mit direkten Links zu Interviews und Co.
Kendra im You-Tube-Video mit Laura Malina Seiler
Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”