Erleichterung vs. Belastung
Warum jetzt – warum ich?
Auf diesen Start, meinen Blog auf InfluCancer, hätte ich gut verzichten können – denn auf meiner “Life-To-Do-Liste” stand “Krebshaben” nie.
Also nicht so wirklich – wobei mir Krebs schon sehr oft im Leben über den Weg gelaufen – oder sagt man dann ehr “gekrabbelt” ist?
Meine Diagnose bekam ich final auf Freitag den 13. August 2021. Bewußt wahrgenommen habe ich meinen Untermieter erstmals um meinen Geburtstag im Juli 2021 unter der Dusche. Links – wie bei Mama. – Aber der Knoten verschwindet bestimmt nach der nächsten Periode. So habe ich gedacht, anfangs. Doch die Periode kam und ging, der Knoten blieb. Also doch nachsehen lassen – dafür rief ich bei meiner Frauenärztin an. Und wie soll es anders sein – wenn man Ärzte braucht, sind diese im Urlaub. So auch im Sommer 2021 – aber am 02. August sollte sie ja wieder da sein. Das ist ja nicht mehr lange, beruhigte ich mich. Und rief aber auch direkt am 02. August wieder an. Ob ich einen besonderen Grund hätte, fragte mich die nette Arzthelferin mich am Telefon. “Nein, nur so! Ich habe ja unseren Termin im Juni kurzfristig absagen müssen und jetzt wollte ich ihn nachholen.” log ich. Oder wollte ich mich damit beruhigen – denn es war ja nichts wirklich schlimmes.
“Dann kommen Sie mal am 10. August um 18:15 Uhr zu Dr. K. in die Brustsprechstunde.” sprachs und legte auf.
Noch acht Tage – wie ich diese “rumgekriegt” habe, weiß ich heute wirklich nicht mehr. Gefühlstechnisch war ich zwischen “es ist schon nichts” und “dann hat es Dich auch erwischt” … irgendwie surreal. Aber dieses Gefühl des Surrealen sollte mich noch längere Zeit begleiten.
Am Tag der ersten Untersuchung habe ich noch gearbeitet im Homeoffice – Corona sei Dank – und fuhr dann in einer absoluten Abgeklärtheit zu meiner Frauenärztin. “Gibt es einen besonderen Grund?” fragte mich Dr. K. und meine Hand legte sich absolut unbewusst auf die Stelle – “Nein, nur einfach so!” sagte ich dabei.
In der folgenden Sonographie war meine rechte Brust unauffällig und die linke auch – also bis zum letzten Quadranten. In diesem war er – mein “Weihnachtsbaum-Krebs”. Ja, er sah auf dem Ultraschallbild aus wie ein Weihnachtsbaum – ein schwarzer Weihnachtsbaum im schneekriseligen Hintergrund. Eigentlich fast niedlich – und ungefährlich – wie er da so in meiner linken Brust lag. “Das sieht nicht gut aus!” meinte Dr. K. …
Den Rest nahm ich in einer schon fast unwirklichen Gelassenheit hin und war völlig kopfgesteuert. “Was sind jetzt die nächsten Schritte?” fragte ich lösungsorientiert.
“Ich rufe im Brustzentrum für Sie an und mache einen Termin für eine Stanzbiopsie und eine Mammographie – dann erst sind wir sicher, was das ist. OK?” …
Ja natürlich wollte ich Gewissheit und das möglichst schnell. Und ich hatte tierisches Glück – der Termin für die nächsten Untersuchungen sollte direkt am nächsten Tag sein, trotz Corona und Sommerferien.
“Bitte googeln Sie nicht – und wenn, dann nur auf der Seite der Deutschen Krebsgesellschaft!” gab mir Dr. K. noch mit auf den Weg und “bis morgen” und dann war ich allein und aus der Praxis.
Dies war der Startschuss meiner Krebsgeschichte.
Und wie war Deiner?
Weißt Du noch, welche Gefühle dabei am meisten in Dir waren?
Ich war wie in einem Tunnel – die Gefühle waren weit unter oder außerhalb von mir. Nur kopfgesteuert und surreal ruhig fuhr ich nach Hause. Dort wartete mein Mann und unser achtjähriger Sohn auf mich. Es galt nun, diesen zu erzählen, was da in mir war und was ich als nächstes tun sollte. Wie sage ich es ihnen? – was weiß ich denn schon gesichert? – … Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf und doch auch nicht. Irgendeine Art Watte umgab mich.
In der Küche – nachdem unser Kind im Bett war – brach es aus mir heraus. “Da ist etwas in meiner Brust, Schatz. Das sieht nicht gut aus. Ich glaube, ich weiß – es ist Krebs.” … Jetzt war es ausgesprochen und stand im Raum und war nicht mehr zurückzunehmen.
“Morgen muss ich am Vormittag zur Stanzbiopsie und zur Mammographie, dann können Sie mehr sagen. Auch wie bösartig der Krebs ist. Und was dann gemacht werden muss.”
Sprachlos standen wir da – sahen uns tief in die Augen und umarmten uns – lang – intensiv – unfähig, aus diesem geschützten Raum der Umarmung und der Liebe in die Realität zurückzukehren.
Nach einer schlaflosen Nacht fuhr ich am nächsten Morgen in die Stadt. Nach einem ersten Gespräch im Brustzentrum mit Dr. K. ging es zur Mammographie. Dank der liebevollen Arzthelferin dort, war es nicht unangenehm. Sie gab sich sehr viel Mühe mit mir. Meine Nervosität entlud sich in einem schier endlosen Redeschwall. Anschließend entnahm Dr. Kowalski drei Gewebeproben aus meiner linken Brust. Ich hatte Angst davor – doch die war nicht notwendig. Ich wurde örtlich betäubt und auch Dr. K. redete weiter mit mir – gegen die aufkommende Angst und Nervosität. Lediglich das Knallgeräusch bei der Entnahme war “beängstigend” – ungewohnt – erschreckend beim ersten Mal. Schmerzen hatte ich wirklich keine – nicht mal die Betäubung tat weh.
“Also die Mammographie zeigte das, was wir schon gestern gesehen haben. Die Ergebnisse der Pathologie zur Gewebeprobe werden wir spätestens am Freitag haben. Ich werde Sie dann anrufen und dann werden wir alles weitere besprechen. Erst dann wissen wir, womit wir es genau zu tun haben.”
“O.k. – dann hören wir uns spätestens am Freitag, den 13.” – “Sie sind doch aber nicht abergläubisch oder?” – “Nein, das ist ein Glückstag in unsere Familie. Meine Eltern haben auf Freitag den 13. geheiratet und das ist nun schon fast 50 Jahre her.” – “Na dann, bis spätestens Freitag.”
“Ach kühlen Sie die Entnahmestellen zu Hause und kein Sport heute.” – “Versprochen!”
Und damit war ich raus aus dem Behandlungszimmer und auf dem Heimweg. Ich bin wohl noch nie so langsam gefahren – immer unter dem Erlaubten. Irgendwie schaffte ich es nach Hause. Von unterwegs aus rief ich meine Freundin an und erzählte ihr von “meinem Tannenbaum” im Busen. Noch nicht oft – aber diesmal war sie sprachlos. Für einen kurzen Moment – und dann half sie mir, kognitiv nach Lösungen und Gedanken zu suchen, die mich diese Situation meistern lassen sollten.
Neben “guten Heilungschancen” und “noch nicht sicher” und “erstmal abwarten” kamen auch “ich bin immer für Dich da” und “Du wirst das schaffen” aus meinem Telefon.
Ja – ich werde das schaffen. Schon alleine für meine beiden Männer. Ich habe meinem Mann versprochen, mit ihm alt zu werden. Ich muss doch dieses Versprechen halten. Und mein Sohn braucht mich doch auch – noch ist er zu jung, um auf eigenen Füßen zu stehen. Also ist Aufgeben keine Option – ja, das ist ein gutes Mantra: Aufgeben ist keine Option.
Noch zwei mal schlafen – dann ist Freitag der 13. Die Zeit schien wie im Schneckentempo zu vergehen. Alles zog sich wie in Zeitlupe – besonders langsam erschienen mir die Nachtstunden. Doch es war PerseidenschauerZeit und wir verbrachten die beiden nächsten Abende damit, im Garten die Feuertonne anzuzünden und nach Sternschnuppen Ausschau zu halten. Und in der Nacht auf den 13. sah ich tatsächlich, meine Sternschnuppe. Und ich wünschte mir: “Wenn es schon Krebs sein muss, dann bitte bitte bitte keine Chemo!”
Ehrlich – ich habe mir nicht gewünscht, gesund zu sein – sondern “nur keine Chemo”. Ist das normal?
(Kleine Randnotiz: Mein Hauskreis betete auch mit mir um ein gutes Ergebnis – und auch im Gebet war ich auf “nur keine Chemo” fixiert.)
Ich war mir also sicher – ich habe Krebs.
Was für eine Art und was ich dagegen tun sollte/konnte/musste – das erfuhr ich am nächsten Nachmittag. Gegen 14.00 Uhr klingelte mein Telefon – Dr. K. persönlich rief an.
“Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie!” … “Es ist tatsächlich Krebs, aber wenn ich Ihnen heute sagen müsste, Sie hätten Diabetes und Bluthochdruck, würde ich mich schlecht fühlen. Denn diese beiden Erkrankungen würden Sie nicht mehr loswerden. Ihren Krebs aber schon. Es ist ein G1-Karzinom mit einer sehr guten Heilungschance von über 95 %.” … “Sie werden als nächstes operiert und dann noch bestrahlt, aber eine Chemotherapie ist nicht notwendig. Kommen Sie bitte nächste Woche am Mittwoch ins Brustzentrum, um die Untersuchungen für die OP durchzuführen und deren Termin festzulegen.” … “Also keine Chemo?” fragte ich nochmal … “Ja, keine Chemo. Nur OP und evtl. eine Strahlentherapie. Also Sie haben wirklich Glück gehabt. Auch wächst Ihr Krebs ganz langsam – den haben Sie wohl schon zwei Jahre – und dass Sie ihn schon gefunden haben, ist wirklich ungewöhnlich für die Größe Ihrer Brust. Er ist gerade mal etwas über einen 1 cm. Das wird alles wieder.”
… Das wird alles wieder – Glück gehabt – also ist es “Brustkrebs-TO-GO”.
Ein kurzes Intermezzo – ohne bleibende Schäden – ohne sichtbare Zeichen – ohne Chemo – also wirklich gar nicht schlimm. Ja – es ist wirklich nicht schlimm – es ist ein Krebs, der im Vorbeigehen mitgenommen und wieder im Vorbeigehen losgeworden wird. Also wirklich TO-GO.
Dieser Gedanke – diese Bezeichnung für meine Erkrankung – setzte sich in meinem Kopf fest. Sie nahm Raum ein und viele weitere Aussagen folgten ihr:
- Ich gehe weiter arbeiten.
- Ich darf mich nicht krank melden.
- Ich habe ja nur eine OP und ein bisschen Strahlentherapie.
- Ist ja alles gar nicht so schlimm.
Ich muss es auch nicht groß erzählen – ja, auf der Arbeit meinen Chef, den informierte ich. Aber auch ihm erzählte ich, dass es alles wieder gut wird und ich evtl. nach der OP etwas ausfallen werde. Aber ich habe ja dann auch noch Urlaub – das ist alles halb so schlimm.
Und ja – den wenigen Menschen, denen ich erzählte, dass ich an Krebs erkrankt sei – sprach ich Trost zu. Denen sagte ich: Macht Euch keine Sorgen – ist gar nicht so schlimm. Ich habe sehr hohe Heilungschancen und brauche ja auch keine Chemo.
Diese war immer für mich eine Maßeinheit – Chemo = richtiger Krebs = schlimm … keine Chemo = kein richtiger Krebs = nicht schlimm. Wie ungesund diese Sichtweise für mich sein sollte, merkte ich da noch nicht.
Jetzt – rund ein Jahr nach Ende der Strahlentherapie, eine Reha, ein Abenteuercamp mit Adventure Care e.V., eine Healingreise von Lebensheldin e.V., ein Coaching zum Thema “Leben nach dem Krebs” und eine InfluCancer später komme ich immer mehr zur Erkenntnis:
Nein, Mone, Du hattest keinen Schnupfen. Du hattest Krebs, hast Fatigue und bist nicht umsonst aktuell “schwerbehindert”. Es war kein “To-Go” … kein nebenbei.
Auf der InfluCancer habe ich diese wunderbare Plattform kennengelernt. Mich die nächsten Nächte in den Blogs herumgetrieben und dann wuchs die Idee in mir: das wäre doch auch etwas für mich. Das ist mein Warum:
Dieser Blog soll mir helfen – also sorry – ich bin jetzt mal egoistisch, nein selbstfürsorglich. Ich will hier etwas für mich tun – es mir von der Seele schreiben.
Wenn Du, der diese Zeilen gerade liest, auch etwas für Dich mitnehmen kannst, evtl. an der einen oder anderen Stelle geschmunzelt hast, dann ist das das berühmte Sahnetüpfelchen oben auf.
Was ist Dein Warum hier zu sein?
Und – was hat gefehlt – was interessiert Dich für die nächste Geschichte vom
Troostplätzchen
Fühl Euch alle ganz lieb gedrückt.