Erleichterung vs. Belastung
Die Ungewissheit lieben lernen
Ich dachte, mir würde nichts und niemand etwas anhaben können.
Ich verhielt mich, als hätte ich ewig Zeit für alles.
Ich lebte, als wäre ich unsterblich.
Als ich die Diagnose erhielt, dass ich zum zweiten Mal Krebs habe, dass die Erkrankung nur geschlummert hatte, stürzte das Kartenhaus, das mir zuvor noch ach so stabil erschien, lautlos ein.
Später, nach einer langen Phase des Schocks, begann ich damit, Karte für Karte vom Boden aufzuheben. Ich überlegte bei jeder Einzelnen, ob ich sie noch brauchen konnte, für den Rest meines Lebens, oder bisher falsch auf sie gesetzt hatte. Und ich baute es wieder auf.
Heute sieht das Kartenhaus anders aus als früher. Es hat eine breitere Basis und ist nicht so hoch wie einst, aber um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung, ob es standhafter ist.
Das wissen wir nie, und diese Ungewissheit liebe ich am Leben.
In den vergangenen fünf Monaten, seitdem mein Buch erschienen ist, wurde ich oft gefragt, warum ich es geschrieben habe, und in erster Linie gebe ich zu, dass ich es für mich getan habe: um mit der Krebsdiagnose und der schlagartigen Veränderung meiner Lebensumstände fertig zu werden.
Die Initialzündung, es zu veröffentlichen, kam aber durch die Leser*innen meines früheren Krebsblogs. Von unbekannten Menschen erhielt ich über das Internet Zusendungen, dass das, was ich schreibe, ihnen Mut mache. Und genau deswegen gibt es seit August das Buch.
Damit die Hoffnung zurückkehrt und ein Pflänzchen der Gelassenheit sprießt.
Titelfoto: Robert Leon Faustmann. Lesung im Café 7*Stern in Wien.