Erleichterung vs. Belastung
MDS haben doch nur alte Leute?!
Das Jahr in dem ich den Jackpot geknackt habe, werde ich wohl nie vergessen. Leider wurde ich nicht reich an Moneten auf meinem Bankkonto, sondern an Arztterminen, Befundberichten und noch viel mehr Fragen.
Ein paar blaue Flecken an den Beinen änderten binnen kurzer Zeit mein bisheriges Leben. Ich lebte in einem für mich gesunden, starken, jungen und leistungsfähigen Körper. Zugegebenermaßen verlangte ich durchaus des Öfteren von mir Höchstleistungen und trieb mich immer weiter. Vielleicht hätte ich es kommen sehen sollen oder ich habe es bewusst ignoriert, aber der Körper zeigt einem schon wenn es reicht und so auch meiner im August 2021.
Die Onkologie ist schon eine ganz eigene Abteilung für sich, denke ich bei mir während ich auf die Urteilsverkündung warte. Um mich herum Menschen, die doppelt so alt sind wie ich. Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass ich hier richtig bin und hier hingehöre, aber mein Blutbild sagt scheinbar etwas anderes und hat mich genau hierher und vor die Tür des Experten geführt.
Die blauen Flecken waren die ersten sichtbaren Boten von dem, was sich scheinbar in meinem Inneren, genauer gesagt in meinem Knochenmark, abspielte. Meine Blutplättchen (Thrombozyten) waren bedenklich niedrig und dies ohne jegliche erkennbare äußerliche Ursache. Wir machen alle möglichen Untersuchungen um nach dem Ausschlussverfahren eine Diagnose nach der anderen auszuschließen, aber es vergeht ein ganzes Monat, das Blutbild bleibt schlecht und Antworten haben wir auch keine.
Es gibt nur mehr eine Untersuchung, die eindeutige Sicherheit geben soll: die Beckenkammbiopsie. Ein Eingriff der mir bis heute nicht nur körperlich, sondern beim Gedanken daran auch psychisch im wahrsten Sinne des Wortes durch Mark und Bein geht. Jene Untersuchung, die endlich eine Antwort geliefert hat und mittlerweile leider auch meine Standarduntersuchung zur Feststellung meines Krankheitsstandes darstellt.
Im Knochenmark liegt also die Antwort auf die Frage, was dieser scheinbar gesunden jungen Frau denn fehlt: MDS. WTF?! 3 Buchstabenkombinationen, dahinter eine lebensverändernde schwere Diagnose: Myelodysplastisches Syndrom.
Meine Stammzellen haben ihre Arbeit scheinbar verlernt und bilden unreife Blutzellen aus. Mir fliegen nur mehr Wortfetzen um die Ohren: “Vorstufe von Leukämie” “Einzelfall” “Erkrankung des Alters” “Sie sind so jung” “untypisch” “Stammzellentypisierung”. Der Arzt fragt mich immer wieder ob es erbliche Bluterkrankungen in der Familie gibt, ich Chemikalien ausgesetzt bin/war….ich schüttle durchgehend meinen Kopf, betone meine sportliche, gesunde Lebensweise und verstehe nicht wie ich gerade so eine Erkrankung unter Tausenden bekommen konnte, anstatt einfach den Jackpot im Lotto zu knacken. Die Frage “Warum” bringt bei MDS gar nichts, denn weder habe ich es herausgefordert durch irgendeine ungesunde Lebensweise, noch ist MDS vererbbar.
Ich werde ans AKH Wien überwiesen, die Expert*innen schlechthin und damit beginnt meine dysplastische Reise durch ein Leben voller Auf und Abs, aber auch zahlreichen Lektionen in Sachen Freundschaft, Lebensziele, Werte und Selbstfürsorge.
Hallo, ich bin’s Jasmin und ja auch junge Leute haben MDS!