Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 20.02.2020: Lungenfunktion, Kreislauf und Haferflocken.
20.02.2020. Wieder ein Tag, der nur aus 0 und 2 besteht. Kein richtiger digitaler Tag also, aber fast. So einen hatte ich am 02.02.2020 in Chemozyklus I schon mal. Es werden wahrscheinlich heute sehr viele Leute heiraten. Bei mir beginnt der Tag mit dem vollen Programm. Bereits vor dem Frühstück soll ich zur Lungenfunktionsprüfung. Da heute das Bleomycin verabreicht wird, das in jedem 4. Fall zu Lungenfibrose führen kann, soll ich prophylaktisch noch einmal meine Lungenwerte ermitteln lassen. Also watschel ich in die 4. Etage und stelle mich an der Anmeldung vor. Der Test geht eigentlich recht schnell. Ein paar Mal einatmen und ausatmen, dann ein paar mal alles mit Druck ausatmen und tiiiiiiiieeeeeef einatmen. Die Werte haben sich im Vergleich zur Eingangsmessung bereits leicht verschlechtert. Ob das besorgniserregend ist, werde ich später erfahren.
Sieht zwar aus wie in einem Tonstudio, ist aber nur der LuFuMat.
Dadurch, dass die Pneumologie im 4. Stock sitzt, bekomme ich auch mal das Heli-Pad zu Gesicht. Spannend.
Zurück von der LuFu-Prüfung gibt es erst einmal Frühstück. Heute nur ein Brötchen. Egal. Mit dem Kreislauf ist heute eh irgendwie kein Blumentopf zu gewinnen.
Einmal Kirschsaft, bitte!
Danach gibt es dann die Chemobeutel. Während die durchlaufen, mache ich noch etwas die Augen zu. Ich bin heute extrem im Eimer. Von 9:30 Uhr bis 13:00 Uhr schlafe ich immer mal wieder – mit Unterbrechungen. Visite ist zum Beispiel eine davon. Heute besucht mich Fr. Dr.. Hr. Dr. hat heute frei. Verdient! Was das Team hier für uns alle leistet, ist mit Worten nicht zu beschreiben. Die Werte der Lungenfunktion sind leicht gesunken. Aber immer noch im grünen Bereich. Darüber hinaus brechen die Blutwerte langsam ein. Mundschutz ist dann jetzt wieder angesagt. Im ersten Zyklus war das an Tag 9 soweit, dieses Mal schon an Tag 7. Der Körper ist also nicht mehr so kräftig wie in Zyklus I. Vielleicht hat es aber auch was gutes und die Werte fangen sich in 3 Tagen wieder und sind zurück im Normalbereich. Vielleicht kann ich dann eher entlassen werden?! Es wäre meine Hoffnung. Wir werden sehen.
Mein Kumpel Ulf hat für heute ein paar Freunde mitgebracht. Vin Christin (aka Vincristin), Fenix Stilone (aka Fenistil) und Jony Steril (auch unter Jonosteril bekannt). Dazwischen gab es noch kurz Besuch bin B. Leo Mycin (Bleomycin, das Zeug das so auf die Lunge gehen kann. Ich finde, mit menschlicheren Namen klingen die gar nicht mehr so gefährlich). Alle 4 wollen heute mal eine Begehung durch mein Venensystem durchführen.
Um 15:00 Uhr bekomme ich Besuch von meiner süßen Alex. Sie hat noch ihre Frühstückshaferflocken mit Milch und Weintrauben in der Tasche. Früher hätte sie die gern behalten dürfen. Heute feiere ich diese Mahlzeit wie den Heiligen Gral. Sie fragt mich, ob ich die Portion haben möchte. Klar möchte ich! Ich lasse mir, sobald sie wieder nach Hause zu unseren Kids aufgebrochen ist, von den Schwestern noch zwei kleine Becher mit Apfel- und Apfel-Banane-Dessert geben und mische es dazu. Das bildliche Ergebnis erspare ich dir. Sah nämlich aus, wie schon einmal gegessen. Aber es hat geschmeckt. Das kannst du dir nicht vorstellen. Schnöde Haferflocken, mit Milch. Und Apfelmus und Weintrauben. Verrückt. Und dann auch schon den ganzen Tag in der Milch mariniert. Aber es sind die simplen und natürlichen Dinge, die mir momentan am meisten schmecken. Alles andere schmeckt nach Spülwasser oder einfach nur fad. Schon komisch, was die Medikamente mit den Sinnen machen. Der Geschmack ist runtergefahren, bevorzugt Naturkost, der Gehörsinn ist derart geschärft, dass ich jeden Maulwurf unter der Erde pupsen höre und der Geruchssinn ist so sensibel, dass ich mich bei der Desinfektion des Ports immer abwenden muss, weil mir sonst schlecht wird. Aber für mich sind das alles Zeichen, dass die Medikamente auch eine Wirkung haben.
Damit verabschiede ich mich für heute. Meine Anti-Thrombose-Spritze ist gesetzt, somit habe ich mein Tagwerk für heute erledigt. Ich werde wohl noch etwas Musik hören.