Erleichterung vs. Belastung
Ein Hoch auf die Gesundheit
Kerngesund, sterbenskrank oder schwerbehindert?
Gesundheit… Vor meiner Krebsdiagnose hatte dieses Wort für mich einen altbackenen, langweiligen Touch. Gesundheit? Das war was für Alte. Das war was für Bewegungsfaule. Das war was für Dicke. Gesundheit, das war definitiv was für die anderen. Denn ich war doch jung, war doch dünn, war doch sportlich. Da brauchte ich mir doch über meine Gesundheit keine Gedanken zu machen. Pure Selbstüberschätzung wie ich mittlerweile weiß.
Nach einer Krebserkrankung bin ich geläutert. Ich bin zwar gesund, habe aber einen Schwerbehindertenausweis im Geldbeutel. Also bin ich doch irgendwie krank? In den folgenden Zeilen sinniere ich ein wenig über das Kranksein, das Gesundsein und unser Gesundheitssystem. Dabei lasse ich einen Klinikbesuch des Mittelstürmes Revue passieren, bei dem ich bemerkte, dass da noch recht viel Chemo in mir steckt, obwohl ich doch eigentlich krebsfrei bin. Außerdem teile ich ganz offen mein schlechtes Gewissen mit euch, weil ich als Privatpatientin so manches Privileg in Anspruch nehmen darf, was einigen von euch wohl verwehrt bleibt. Möget ihr mir verzeihen!
Und nun: Bleibt gesund und lest meinen Text!
Ohne Gesundheit ist alles nichts
Seid froh, dass dies ein Krebsblog ist und kein Livechannel. Denn dann wäre die Ansteckungsgefahr beim Lesen immens hoch. Ein Großteil des Textes entstand nämlich in der Klinik. Der Mittelstürmer wurde letzte Woche operiert. Viren und Bakterien umschwirren also meinen Monitor. Der Rest des Textes entstand zu Hause. Wobei ich auch dort nicht von Keimfreiheit sprechen möchte…
Denn in meinem Haushalt mit drei Kindern in Nach-Pandemie-Zeiten ist seit einem Dreivierteljahr ständig ein/r oder gar mehrere gleichzeitig kränklich. Vor allem den Mittelstürmer hat es zeitweise übelst erwischt. Zig, zig, zig Fehltage- bzw. Fehlwochen in der Schule. Toilette und Zwieback, Hustensaft und Inhalieren statt Fußballturnier, Schwimmbadausflug oder Eisessen in der ersten Frühlingssonne. Das stresste ihn und mich als Mutter, den Göttergatten als Vater und die Herzensgang als Familie, fiel doch so viel „Schönes“ aus oder wurde abgesagt, weil er – oder eins der Mädels oder zur Abwechslung auch mal ein Elternteil – krank im Bett lag. Die zweite Coronawelle rauschte nämlich auch noch durch unser Haus, ein übler Magen-Darm-Virus ereilte gar die gesamte Mannschaft, der Göttergatte absolvierte eine Zahnärztinnenodysee und das Teeniemädchen hat mit Migräne zu kämpfen.
Ich hab mich damit abgefunden, rege mich nicht mehr darüber auf, wenn ich wieder in der Schule anrufe oder erneut einen meiner eigenen Termine absage, weil das Goldkind betreut werden muss. Aber ich bin sehr müde, bin sehr erschöpft, teilweise auch wütend und genervt, weil die Gesundheit einfach nicht (mehr) Standardzustand bei uns ist. Nein, sie macht ihrem Titel vom „besonderen“ bzw. „höchsten Gut“ alle Ehre.Und deshalb kommt mittlerweile bei einem Geburtstagswunsch nun ganz bewusst und überdeutlich (wenn auch dialektal eingefärbt) ein „und vorallem Gesundheit“ nach dem „Viel Glück“ oder manchmal sogar schon davor. Zwar tat ich das schon früher. Aber eigentlich nicht bewusst, sondern einfach, weil es „sich halt so gehört“ und ich es so von meinen Eltern gelernt und übernommen hatte.
Aber ich musste vom Leben lernen und bin absolut geläutert. Mir wurden nicht durch meine Krebserkrankung die Augen geöffnet, und zwar weit. Die Coronazeit hat sie noch weiter gemacht. Die vielen Infekte hier daheim noch mehr. Und die vielen Stunden, die ich wegen meiner eigenen oder den Terminen der Goldschätze, in Wartezimmern, Ambulanzen und Arztpraxe verbrachte, nahmen mir auch noch das letzte Sandkörnchen aus den Pupillen.
Deshalb bin ich demütig. Ich bin leise. Ich bin dankbar. Ich verwende das Wort „Gesundheit“ sehr bewusst und lasse sie heute und hier in diesem Text zu vollen Ehren kommen.
Was ist Gesundheit eigentlich?
Die Ur-Mutlöwin, Shila Driesch, erzählt in einem Interview bei „Annette fragt“ davon, wie sie sich während ihrer Brustkrebserkrankung mit dem Thema „Gesundheit“ auseinandersetzte. Wie sie googelte, wie Gesundheit eigentlich definiert wird, wie sie Bücher darüber las.
Sie sagt im Interview: „Die WHO definierte 1946 Gesundheit als einen Zustand des vollkommen geistigen, körperlichen und seelischen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen. (…) Gesundheit ist also mehr als ein körperlicher Zustand – es ist ein Lebensgefühl.“
Shila fand heraus, dass es „sieben Grundbedingungen für Gesundheit [gibt].“, die da wären:
- ein stabiles Selbstwertgefühl
- ein positives Verhältnis zum eigenen Körper
- Freundschaften und soziale Beziehungen
- eine intakte Umwelt
- sinnvolle Arbeit und gesunde Arbeitsbedingungen
- Gesundheitswissen und Zugang zu Gesundheitsversorgung
- eine lebenswerte Gegenwart und die begründete Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft
Wir halten also fest: Um richtig gesund zu werden, sein oder zu bleiben, braucht es mehr als Hustensaft und tatsächlich auch so viel mehr als eine Chemotherapie. Also erst wenn ein Körper von einer Krankheit geheilt, der Geist vom Ballast befreit und die Seele glücklich ist, gilt der gesamte Mensch als gesund.
Ich denke, es lohnt sich – so wie Shila in ihrem Buch berichtet – eine Bestandsaufnahme zu machen. Wie stellt sich deine aktuelle Ist-Situation in Bezug auf diese sieben Grundbedingungen dar, liebe Leserin und lieber Leser? Shila gibt zur Analyse den Tipp, Schulnoten zu vergeben und sich dann daran zu machen, an den Bereichen zu arbeiten, die du nicht so optimal bewertet hast. Sie „setzte sich zum Ziel, dass [sie sich] am Ende jeder Etappe, die Note gut vergeben wollte. Genau wie [ihre] Abiturnote.“
Ich sehe diese WHO-Gesundheits-Sache ganz pragmatisch wie Shila, die schreibt: „ Es war einen Versuch wert, meine Zeit und Mühe in mich zu investieren, um meine Psyche wieder mit meinem Körper in Einklang zu bringen. Selbst wenn ich damit falsch läge, war es trotzdem richtig und wichtig, an meinem inneren Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele zu arbeiten. Den Weg der Ärzte ging ich ja sowieso.“
Ich finde: Man vergibt sich doch nichts, wenn man an mehreren Baustellen gleichzeitig herumschraubt. Wenn das Ergebnis ein gesunder Körper mit einer gesunden Seele und einem gesunden Geist ist, dann ist dies absolut wundervoll.
Stopp! – bevor nun gleich einen Shitstorm über mich herniedergeht oder entrüstete Leser*innen diesen Text frühzeitig verlasse – ich sage nicht, dass eine Krebserkrankung von einem stressigen Job kommt! Aber ich sage, dass die Gesundung durch einen solchen beeinträchtigt werden kann! Und ich sage, dass ein körperlich gesunder, krebsfreier Körper mit einer psychisch angespannten Seele und einen angstvollen Geist herumgehen kann, also zwei kranke Komponenten in sich trägt. Oder wie Susan Sideropolous schreibt:
Absoluter Herzens-Tipp: Wer sich ernsthaft und ganz bewusst auf den Weg machen und sich mit de aktuellen Zustand er sieben Grundbedingungen in seinem Leben auseinandersetzen möchte, dem lege ich das Mutlöwin-Journal von Shila ans Herz. Darin ist ein Workbook-Teil enthalten, der dir dabei hilft „den Autopiloten auszuschalten, um (wieder) ein bewusstes [und gesundes] Leben zu führen.“ Mir hat das geholfen, ins TUN zu kommen und einem „Plan vom Weg zu Ziel“ zu fixieren. Dabei geht es nicht zwangsläufig um etwas ganz Radikales wie eine Kündigung, eine komplette Ernährungsumstellung oder eine Trennung. Nein, ein Kaffee-Detox-Tag wie bei mir ist doch auch schon ein mutlöwinnenmäßiger Anfang oder? Im zweiten Teil besteht Platz, tagebuchartig den Plan zu den Veränderungen im eigenen Leben umzusetzen, zu dokumentieren und ihn reflektiert zu begleiten
Für mich passte das Journal wie die Faust aufs Auge zum Start in meine Anschlusstherapienachkrebsreisezeit und ich nutze es ein paar Wochen lang sehr fleißig. Es unterstützte mich dabei, mich und meine Psyche nicht aus den Augen zu verlieren, als es körperlich wieder „gut lief“. (Hier könnt ihr nachlesen, wie es mir damals so ging und erfahrt, ob ich tatsächlich einen Sprung ins eiskalte Wasser gewagt habe, so wie Shila es mir mit ihrem Bad im Gartenteich vorgemacht hat….)
Gesundheitsapostel oder gesunder Menschenverstand?
Ich verzichte an dieser Stelle darauf, Tipps zur gesunden Ernährung zu geben, unterlasse Hinweise auf ausreichend Sport, halte mich nicht damit auf, euch von Wasser statt Bier zu überzeugen und Strategien für ein positives Mindset vorzuschlagen. Liebe Leser*innen, ihr seid alt genug, seid achtsam genug, seid euch selbst gegenüber verantwortlich genug, euch und euren Körper möglichst gesund zu halten.
Zudem findet ihr hier auf meinem Blog in verschiedenen Texten Hinweise zu all diesen Themen. Da berichte ich über Mindset-Changer. Da gibt es Berichte von meinem Weg von der fleischfressenden Low-Carberin zur Vegetarierin, die Fisch mag. Da gibt es Medikamententipps und Salbenmarkennamen (sämtliche Werbung unbeauftragt). Schau dich gern mal in meinen alten Beiträgen um!
Und wer, vielleicht wie du, liebe Leserin und lieber Leser, schon länger auf meinem Blog unterwegs ist oder mich aus dem echten Leben kennt, die oder der weiß, dass ich auf ausreichend Bewegung, eine gute Ernährung und ein positives Mindset achte. Ja, auch, dass ich sogar auf Hilfe vom Universum und Engelswesen vertraue.
Aber, aber… Diejenigen wissen dann auch, dass ich kein Gesundheitsapostel bin. Und wer es noch nicht wusste, erfährt es jetzt. Ich bin keine gesunde Heilige!…
Ich mag Schokolade (gern in der lila Verpackung mit dreieckigen Stückchen in dunkel-vollmilchig-weißer Verfassung) und Erdbeeren mit Jogurtschokoladenumhüllung, trinke zum Sonntagstatort einen Sekt und ab und zu auch mal ein Glas Rotwein.
Und das alles mittlerweile tatsächlich auch wieder ohne schlechtes Gewissen. Das beschlich mich in der ersten Zeit nach dem Ende der Akuttherapie desöfteren, weil ich damals radikal zucker- und alkoholfrei leben wollte. Das war vielleicht grundsätzlich besser für den Körper, aber meinem Seelenheil definitiv nicht zuträglich.
Aber ich bin überzeugt davon, dass mein Weg mit der offiziellen WHO-Gesundheitsdefinition einhergeht. Denn – ich wiederhole es gern nochmal – es geht beim Gesundsein um ein Lebensgefühl. Um ein gutes Lebensgefühl. Um ein glückliches Lebensgefühl. Und manchmal braucht es bei mir zum Glücklichsein ein Kissen, in das ich hineinweinen, eine Tafel Schokolade, in die ich hineinbeißen oder einen lauten Wutschrei, den ich ausstoßen kann. In manchen Momenten ist das mein Ausdruck von Wohlbefinden.
Aber! Das darf kein Dauerzustand werden. Das wird mich nicht gesund halten. Im Gegenteil: Dann verschwinden Zufriedenheit und Glück und nicht zuletzt auch meine körperliche Konstitution (von einem schöneren Hautbild mal abgesehen… hihi…). Womit der Kreis sich schließt und wir wieder bei der Gesundheit als Sammelpool vom Wohlbefinden auf körperlich, geistig und seelischer Ebene sind.
Aha, gecheckt! Ich entscheide mich also ab und zu bewusst dafür, mich auf einen ungesunden Weg zu begeben – am Wochenende abends ein Glas Sekt zum Tatort oder eine leckere Schokolade zu einem schönen Nordseeroman. Diese Gönnungen dann aber richtig und ohne schlechtes Gewissen!
Denn langfristig bin ich natürlich auf dem gesunden Weg unterwegs. Denn ganz ehrlich, was bringen drei Kirschen auf einem Stück Sachertorte? Dann lieber eine ganze Tafel Vollmilchgenuss und dann wieder in den Gemüse-Obst-Modus umstellen.
Da ich weiterhin noch Medikamente einnehme (die einen ein schulmedizinisches Muss, die anderen freiwilliges homöopathisches Kann) ist es für mich sowieso selbstverständlich, dass meine Basis eine gesunde Ernährung, ein geklärtes Mindset und ein hoher Sportanteil ist.
Alles klar soweit? Wer macht mit? On the way to happiness und health!
Flashback in die Chemozeit
Die Sache mit der Ganzheitlichkeit der Gesundheit und des auch-mal-alle-Fünfe-grade-sein-Lassens wurde mir erst letzte Woche wieder mal ganz deutlich vor Augen geführt, als der Mittelstürmer nach einer Operation mit Vollnarkose eine Woche im Krankenhaus verbrachte. Da kam einiges in mir hoch, als ich ihn nach seiner Operation verkabelt und bepflastert sah. Am Infusionsständer hängend. Ein Beutel mit Schmerzmittel lief in ihn hinein. Er driftet eweg. Erzählte Sachen, von denen er Stunden später nichts mehr wusste. Er klagte über Jucken auf dem Oberkörper und Kribbeln in den Füßen. Er schlief nachts nicht durch. Brauchte Hilfe beim Umdrehen.
Ich selbst saß körperlich gesund daneben und fühlte mich dennoch elend. In meinem Kopf schrie es laut, richtig laut:
„Stopp, ich will das nicht sehen!“, „Stopp, ich will das nicht hören!“, „Stopp, ich will hier weg!“
Ich war emotional und psychisch gefordert und die Sache ging mir echt an die Nieren. Ich verbrachte jeden Tag bei ihm, aber am Abend musste ich raus aus der Klinik. Ich war erschöpft, war ausgelaugt, obwohl ich mich untertags kaum bewegte.
Meine Seele verarbeitete so einiges und trug eine leichte Erkältung davon, würde ich mal sagen. Ich erinnerte mich an komatösen Schlaf am Infusionsständer. An Tanzalarm mitten in der Nacht nach Cortisongabe. An Wortfindungsstörungen und Polyneuropathie. An den Treppengang auf allen vieren. An die Schmerzen nach meiner Operation. An den Port als Fremdkörper in mir. An einen Geburtstag des Mittelstürmers, den ich mit Glatze erlebt. Ja, da sind weiterhin viele Dinge in meinem Kopf, die ich nie vergessen werde.
Schließlich zeigte sich die psychische Belastung meines Mamaherzens mit Chemoflash dann auch körperlich: Ich bekam leichte Bauchschmerzen und entwickelte einen Herpes (dank Creme war der aber nach zwei Tagen weg). So etwas kennt ihr sicherlich auch, oder? Eine stressige Woche im Job und dann am Wochenende stark erkältet, das hat sicherlich jede*r von euch schon mal erlebt.
Mittlerweile ist der Mittelstürmer wieder zu Hause, fast schmerzmittelfrei und ich gehe wieder meinen normalen Aktivitäten in Familie, Haushalt, Job nach. Kind gesundet, Mama auch. Körperlich wie psychisch. Mein Flashback in die Chemozeit ist vorbei und ich kann für den Moment tief durchatmen und glücklich sein.
Dabei half uns ganz viel Liebe, aber auch recht viel Spielkonsolenzeit sowie diverse Familienfilmabende. Wir fokussierten uns auf das Gute und sprachen z.B. nicht über Ostern in der Klinik, sondern über unsere bevorstehenden Urlaube in diesem Jahr
Wir hielten uns mit Motto-Shirts und lustigen Tassen bei Laune. (Siehe einer meiner ersten Blogtexte). Wir motivierten uns mit Glückssocken und ich trug mein Mutlöwinnen-Armband für die innere Stärke. Neben gesunden gemüsehaltigen Mahlzeiten gönnen wir uns Chips und Schokolade. Echtes Seelenfutter.
Ich verließ jeden Abend die Klinik, um Abstand zu bekommen von den hochkommenden Eindrücken und den mich plagenden Muttersorgen, um dann am nächsten Morgen mit neuer Kraft betankt, wieder zum Mittelstürmer zurückkommen zu können.
Ich schrieb ein, zwei Instaposts sowie diesen Text.
Und in erster Linie machten wir eins nach dem anderen. Eins der wichtigsten Tools, die ich mir angeeignet habe. Wieso schon an Tag 1 mit Schmerzkatheter darüber nachdenken, dass er wieder raus muss? Wieso schon vor der ersten Tablettengabe darüber nachdenken, ob das Kind sie runterbekommt? Wieso schon vier Tage vor Ostern darüber nachdenken, wie die Ostereier versteckt werden könnten, obwohl man in der Klinik sitzt? Unnötige Gedanken, die unnötig Kraft saugen, weil schlussendlich sowieso alles immer anders kommt oder irgendwo doch ganz easy geht.
Das alles ließ mich gesunden. Die Creme die Lippe. Der Rest die Seele und den Geist. Ich wusste, wir schaffen das.
Musik auf die Ohren ist immer gut
Neben den von uns gewählten Tools zum Rocken der Klinikzeit rät Susan Sideropolous in ihrem Buch “Das Leben schwer zu nehmen ist mir zu anstrengend” zusätzlich noch zu „[starken Sätzen, Affirmationen, Worten und zum Wichtigsten: Musik]”.
Spätestens seit meinem Blogtext über den “Soundtrack meiner Krebsreise” und die dazugehörige (öffentliche) Playlist ist klar, dass mir das musikalische Hilfsmittel in düsteren Zeiten wohlbekannt ist. Genau wie Susan kenne ich den Moment, wenn „ein bestimmtes Lied im Radio [kommt], es erinnert [mich] an einen Moment und die tränen rollen einfach so runter”. So entsteht eine „Verbindung [meiner]Träume mit Emotionen.” Und auch wenn der Ausgangspunkt ein negativ er ist, kann das zukünftige Abspielen eines Songs in mir positive Gefühle auslösen oder mir zumindest beim Verarbeiten der negativen Gedanken helfen.
So drehte ich bei der Rückfahrt vom Krankenhaus oft das Radio voll auf und grölte verschiedenste Songs mit. Das Goldkind auf der Rückbank blickte zeitweise recht irritiert. Aber häufig stimmten sowohl sie als auch das Teeniemädchen mit ein. So ließen sich der Krankenhausmief und die Kliniklethargie abschütteln, wir bekamen wieder bessere Laune oder wurden wieder fitter.
Hier ein paar Musiktipps, falls du gerade von argen Bazillen, schilmmen Grippeviren oder seelischen Grausamkeiten befallen bist. Songs rund ums Thema „Gesundheit“, „Kranksein“ und die lieben Ärzt*innen. Hör mal rein – damit kommst du sicherlich wieder auf die Beine. Und das garantiert ohne Risiken und Nebenwirkungen:
- Die 10 besten Songs zum Gesundwerden
- 18 Songs, die dir Kraft geben
- 20 Songs zum World Mental Health Day
- Test über und mit Link zu eine/r Playlist mit Songs, die genau die richtige Frequenz für eine Herz-Druck-Massage haben
- Umfrage in einem Blog zu Songs zum Thema “Gesundheit”
Krebsfrei, aber schwerbehindert
Als ehemalige Krebspatientin wirst du regelmäßig auf den Boden der kranken Tatsachen heruntergeholt. Du hast häufige Nachsorgeterminen. Du erlebst Rückfälle bei anderen Krebsbetroffenen. Du erfährst von toten Promis. Oder wirst selbst von nächtlichen Ängsten heimgesucht. Ja, im Leben nach Krebs wird man immer und immer wieder mit der Gesundheits-Frage konfrontiert und ich habe dieses Leben mit Anschlusstherapien und wachsenden Haaren schon ausführlich beschrieben. Irgendwie stehst du oft am Zaun und gegenüber tobt es krebsig laut. In einem Text habe ich mich schon mal mit diesem Thema beschäftigt. Lest nachher gern mal rein!
Und falls ich es tatsächlich mal schaffen sollte, mich eine Weile auf dem Wohlfühl-sorgenfrei-Höhenflug treiben zu lässen, lässt mich der Griff zur abendlichen Tamoxifen-Tabletten-Gabe oder der zum Geldbeutel unsanft nach unten purzeln. Weniger wegen mangelnden Bargelds, wenn ich damit an der Supermarktkasse stehe, als wegen des Schwerbehindertenausweises, der darin steckt und mir manchmal ganz plötzlich haarscharf ins Auge sticht.
Ja, du hast richtig gelesen! Die sportliche, schlanke, krebsfreie Vegetarierin besitzt einen Schwerbehindertenausweis! Manchmal komme ich mir damit komisch vor. Frage mich, warum ich den eigentlich habe? So wie vor Kurzem beim Augenarzt… Auf Anweisung der MFA hin düste ich vom Wartezimmer aus von „Stuhl Orange“ zu „Raum B“ zur „Augendruckmessung, bitte“ und landete dann im Sprechzimmer. Das gelang aber nicht allen um mich herum so problemlos. Eine Dame benötigte Stützen zum Gehen, ein Herr war mit den vielen Räumen überfordert, ein geistig behindertes Kind brauchte die Mama.
Teilweise lag Überforderung in der Luft, während ich alles locker-flockig bewerkstelligte.
Und plötzlich hatte ich ein komisches Gefühl im Bauch. Ich raste munter durch meine Tage, arbeitete, sportelte, aß, war geistig rege, hörte gut, konnte sprechen und allein auf die Toilette gehen. War es ok, dass ich einen Schwerbehindertenausweis hatte und die damit verbundenen Rechte in Anspruch nehmen durfte?
Hm… Eine Krebserkrankung ist nicht auf den ersten Blick zu sehen. Die paar Kilos mehr oder weniger müssen ja nicht von der Chemo kommen. Die Kurzhaarfrisur könnte einfach ein modisches Statement sein. Ein blasses Gesicht lässt sich schminken, kranke Nägel lackieren. Da sind ein Rollstuhl, ein Blindenhund oder Kleinwuchs eindeutig aussagekräftiger.
Aber…. Ich kenne Ängste. Ich habe physische Zipperlein. Außerdem sind kribbelnde Füße, starre Hände oder Narbenschmerzen oder von anderen Betroffenen beklagte Lymphödeme oder Druckstellen durch Orthesen ernstzunehmende Beeinträchtigungen. Einige leiden nach ihrer Therapie auch an Fatigue, viele an Angstzuständen, andere sind weniger belastbar.
Das alles ist auf den ersten Blick nicht erkennbar oder ich will es nicht zu erkennen geben. So sehe ich nicht krank aus und bin – Stand heute – gesund und krebsfrei. Doch ich habe etwas Schlimmes durchgemacht.
Deshalb verschwende ich mittlerweile keinen Gedanken mehr daran verschwenden, wem ein Schwerbehindertenausweis zusteht. Es ist völlig ok, dass ich Besitzerin eines solchen bin! Und es ist völlig ok, dass du, liebe Betroffene oder lieber Betroffener, einen beantragst, wenn du eine Krebsdiagnose erhalten hast. Er ist kein Makel! Er ist eine berechtigte Unterstützung für mich, dich und alle Betroffenen.
Gesundheit für alle?
Der Krankenhausaufenthalt des Mittelstürmers hat mir wie oben beschrieben psychisch einiges abverlangt. Er hat mich aber auch einiges gelehrt. Ich konnte vieles beobachten, während ich ihn ihn bis in den OP und zu sämtlichen Untersuchungen begleitete. In Gesprächen mit Ärzt*innen und Pfleger*innen erfuhr ich viel. Im Austausch mit anderen Eltern, die ihr krankes Kind begleiteten, sah und hörte ich so manches. Während ich stundenlang an seinem Bett saß, schrieb ich nicht nur an diesem Text hier, sondern hatte auch viel Zeit zum Beobachten, Nachdenken und Reflektieren. Über die Gesundheit, das Kranksein. Über unser Gesundheitssystem.
Meine Kinder und ich sind dank Beamtenstatus privatversichert. Zunächst lag der Mittelstürmer im „normalen Zimmer“, weil das Privatpatient*innen-Zimmer belegt war. Dann zog er um und plötzlich kostete das W-Lan nichts mehr. Plötzlich hatte er Säfte in der Minibar, konnte Suppe als Zusatz-Essengang wählen. Beim kostenlosen Fernschauen löffelte er ein exklusives Privatpatient*innen-Dessert. Die Chefarztbehandlung für ihn Standard.
Ich weiß, dass ich privilegiert bin und bin absolut dankbar, dass der Mittelstürmer in den Genuss dieser Späßchen kam. Immerhin litt er starke Schmerzen und hatte absolut die dööfste Zeit seines Lebens. Aber ich fühlte mich irgendwie auch komisch. Hätten das denn nicht alle kranken Kinder verdient?
Dieses Gefühl kenne ich schon aus meiner eigenen Krankengeschichte. Ich bekomme schneller Termine als der gesetzlich versicherte Göttergatte, im Rahmen meiner Krebsvor- und -nachsorge sind Leistungen enthalten, die anderen Betroffenen vorenthalten bzw. in Rechnung gestellt werden.
Meine eigene Krankengeschichte und nun die Woche als Begleiterin des kranken MIttelstürmes haben mir die Abhängigkeit kranker Menschen und ihrer besorgten Angehörigen von Ärzt*innen, vom Pflegepersonal, von Klinikgegebenheiten und staatlichen Rahmenbedingungen bewusst gemacht.
Ich kann ein Loblied auf die tollen Ärzt*innen und die Pflegerschar singen, die um meinen Patienten herumwuselte. Wir Eltern und er selbst wurden mit all unseren Fragen ernstgenommen. Und wenn der MIttlstürmer was wissen will, dann lässt er nicht locker, hihi. Das Teeniemädchen, das Goldkind und der beste Freund waren immer herzlich willkommen. Auch im Rahmen meiner eigenen Erkrankung hatte und habe ich unfassbares Glück, ebenso wundervoll betreut zu werden. (Hier habe ich am Ende meiner Akuttherapiezeit ein ausführliches Dankeschön für meine medizinischen Begleiter*innen verfasst.)
Ich erlebt/e, dass Kompetenz, Respekt, Kommunikation, Transparenz, Vertrauen und Feedback keine Schlagworte auf einem Plakat im Eingangsbereich einer Klinik oder auf einem Flyer sind, sondern gelebte Leitlinien darstellen.
Aber ich weiß, dass das keinesfalls in allen Arztpraxen und Krankenhäusern Standard ist. Ich wünsche mir, dass alle – unabhängig von Wohnort, Bildungsstand oder Kontostand– Zugang zu Medizin haben und ein Höchstmaß an Gesundheit und Wohlbefinden erleben. Gesundheit muss für alle leb- und bezahlbar sein!
Deshalb appeliere ich an uns mich, an dich und uns alle: Zeige dich als mündige/r Patient*in und werde laut, wenn etwas schiefläuft, frage nach, wenn du etwas wissen möchtest, aber benenne auch, wenn dir etwas guttut. Sei es dir wert und lass andersrum deine medizinischen Begleiter*innen deine Wertschätzung erfahren! Das nennt sich Kommunikation auf Augenhöhe und gegenseitiger Respekt und die bzw. der sollte auf Patient*innen- wie auf pflegender Seite gelebt und erfahren werden.
Ein Toast auf die Gesundheit
Mit diesem Text habe ich nun tatsächlich der Gesundheit ein Denkmal gesetzt. Und mich damit hoffentlich ausreichend dafür entschuldigt, dass ich sie jahrelang so schmählich verkannt habe. Nun weiß ich: Du, liebe Gesundheit, bist die Basis. Ohne dich ist alles nichts.
Sicherlich sind einige von euch, die diesen Text gelesen haben, gerade krank, sind von einem langwierigen Husten, einer schweren Krankheit, einer Verletzung, einer doofen Allergie, den beschwerlichen Tagen am Ende einer Schwangerschaft, den Folgen einer Hormonspritze, dem Alter oder einer Depression geplagt oder sogar ans Haus gefesselt.
Für euch alle hisse ich jetzt gleich vor unserer Terrasse eine Gesundheits-Flagge. Zwar kann ich euch damit nicht heilen, aber vielleicht ein Lächeln ins schmerzverzerrte, traurige, müde Gesicht zeichnen? Ich denke an euch! Ich denke an dich!
Und morgen früh nach dem Aufstehen rufe ich ein lautes DANKE aus. Für dich, für ich, für uns alle. Denn mir geht es im Alltag so wie wohl den meisten von uns:
Wir vergessen viel zu oft, dass morgens gesund aufzuwachen,
das Erste ist, wofür wir dankbar sein sollten.