Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 27.03.2020 bis 29.03.2020: Besuchsverbot und bekloppte Menschen
Momentan gibt es nicht so richtig viel zu erzählen. Der Klinikalltag ist aktuell nicht wirklich spannend. Die Highlight beschränken sich auf:
- Vitalwertmessung (alles soweit im grünen Bereich)
- Frühstück (sogar einigermaßen lecker)
- Zweites Frühstück (in Pillenform)
- Zeitvertreib bis zum Mittagessen
- Mittagessen
- Zeitvertreib bis zum Abendessen
- Abendessen (kein wirkliches Highlight)
Ich bin froh, dass ich einen recht guten Draht zu dem Klinikpersonal habe. So gibt es wenigstens ab und an einen kleinen Plausch zwischendurch. Aucj wenn ich mir manch eine Info ersparen würde. So zum Beispiel die, dass die Schwestern am Freitag lecker Pizza bestellt haben, während ich sowas wie geschredderte Trennscheiben als sogenanntes „Brot“ verkauft bekam. Ich hab die Schwestern daraufhin erstmal erzogen. Kommenden Freitag bestellen wir gemeinsam Pizza!
Ansonsten ist hier nach wie vor Ausnahmezustand. Die Schwestern und Ärzte freut es, können sie so doch ihren Job ruhiger und entspannter angehen, ohne die Besucher der Patienten, von denen ein Großteil doch eher nörgelt und seinen Frust am Personal ablässt. Für mich ist es eher schwierig. Eigentlich wollte ich mich ab und an mit meinen Lieben vor der Klinik treffen. Wir haben das aber aus Sicherheitsgründen nun auf Eis gelegt. Also bleibt für mich aktuell nur schreiben, Videotelefonate, Gespräche mit meinem Zimmergenossen, mit dem ich zum Glück auch sehr gut auskomme und Filme und Serien streamen. Derzeit arbeite ich die Marvel-Geschichten in chronologischer Reihenfolge ab. Wen es interessiert:
Das ist allemal besser, als mich weiter durch die sozialen Medien zu scrollen. Denn von Tag zu Tag muss ich mich da leider öfter fragen, wie es der Mensch aus der Höhle geschafft hat und wann er den Weg dorthin zurück wieder angetreten hat. Was da an dümmlichsten Aussagen konzentriert auf kleinstem Raum zusammenkommt, spottet jeder Beschreibung. Medienartikel werden nur zum Teil gelesen und dann auch nur soweit, dass es für die Lämmer angenehm bleibt. Das beste Beispiel: in Schweden geht das Leben größtenteils normal weiter. Bars, Kneipen, Restaurants usw.: alles noch auf. Daraufhin entblöden sich die ersten deutschen Wohlstandslämmer in einer Vehemenz, dass es eine Art hat. „Die wissen wie man‘s richtig macht!“ oder „Ich geh nach Schweden!“ sind die meistgetroffenen Aussagen. Das Stockholm mit seiner knappen Million an Einwohnern aber schon mindestens 60 Coronatote beklagen muss, überlesen die „Bekloppten und Bescheuerten“, um es mit Dietmar Wischmeyer zu sagen, geflissentlich. Zum Vergleich: Hamburg mit knapp 1,5 Mio Einwohnern hat Stand gestern, 15:00 Uhr, 4 Tote zu beklagen. Berlin mit 3,5 Mio. Einwohnern 9 Tote. Was für mich dennoch 13 zu viel sind. Aber macht ihr mal, geht ruhig nach Schweden…
So, ich hab mich genug aufgeregt. Ich geh nicht nach Schweden, ich geh nach Netflixhausen.
Bis später!