Erleichterung vs. Belastung
Wie wichtig es ist, dass man sich wohl und sicher fühlt – und dann noch eine Komödie zum Schluss
Ich bin überzeugt, dass ich hier im Diak, bei den Ärzt*innen und Pfleger*innen extrem gut aufgehoben bin und dass ich hier in den Besten Händen bin.
Als ich Montag abend stationär aufgenommen wurde, habe ich tatsächlich die diensthabende Ärztin von früher gekannt – wir waren auf derselben Schule und haben mal im selben Schwimmverein trainiert. Man wird gleich viel ruhiger, wenn nicht alles fremd ist!
Da ich im Diak ja damals mein PJ gemacht habe, kenne ich viele noch vom Apotheken-Team. Auch hier hilft es zu wissen, dass da jemand, den man kennt und dem man vertraut, seine Zytostatika zubereitet.
Das gesamte Team auf der Onkologie ist extrem nett, aufmerksam und hilfsbereit und wirkt aber gleichzeitig auch sehr kompetent! Freunde von mir, die in Pflegeberufen arbeiten haben mir auch gesagt, dass Onkologie doch meist nochmal etwas speziell ist und auch nicht für jedermann – die Patient*innen sind meist für eine längere Zeit da – das zehrt körperlich, aber vor allem auch psychisch, deswegen ist es so wichtig, dass sie sich wohl fühlen. Gerade hier muss man die Patient*innen als Menschen sehen – im OP ist das zB was anderes – da kommen und gehen die Patient*innen ja, oft spricht man gar nicht richtig mit ihnen.
Montag Nachmittag, zum Schichtwechsel, kam dann ein neuer Pfleger – hier auf der Onkologie nur zur Aushilfe, da er in seiner Station momentan wohl nicht gebraucht wird.
Angefangen hat es, dass er mir eine leere Infusion abstöpseln wollte. Dabei hat er aber offentsichtlich den falschen Schlauf erwischt – ich hab es gemerkt, dass es an meinem Hals zieht, als er ihn aufwickeln wollte . Musste ich 2x! sagen!. Stattdessen hatte er mein Cytarabin (Zytostatikum! Giftig!) abgestöpselt! Der Schlauch ist ihm auf den Boden gefallen. Er hebt ihn auf, und will ihn mir einfach wieder anstöpseln – ohne vorher zu desinfizieren – daraufhin musste ich ihn hinweisen!!!! Dann hab ich gesehen, dass er gar keine Handschuhe trägt. Hab ihm gesagt, dass das gerade das Zytostatikum war. Er geht in unser Bad, wäscht sich die Hände OHNE Seife und anschließendem Desinfizieren…. Er wirkte EXTREM unkompetent und dabei wie ein Larifari. Ich hab ihm dann gesagt, wir lassen das einfach so und gesagt, er soll doch bitte nochmal jemanden holen, der überprüft, dass alles okay ist.
Wie wichtig es für die Psyche in meiner aktuellen Situation ist, dass man sich in guten Händen aufgehoben fühlt habe ich da dann gemerkt. Nach diesem Vorfall war ich extrem angespannt und hatte Angst, jemandem, dem ich nicht vertraue, quasi ausgeliefert zu sein. Dann der innere Konflikt – er ist ja eigentlich das Fachpersonal, nicht ich – prinzipiell will ich ihm ja nicht reinreden, wie er seinen Job machen muss, wenn ich es selbst ja nicht unbedingt besser weiß… Ich hatte richtig Angst, dass, wenn wieder was ist und ich klingel ER da steht.
Zufälligerweise hatte mir eine Freundin, die selbst eine schwere Krankheit durchgemacht hatte am selben Vormittag geschrieben: „Eins hab ich gelernt du musst immer ein kleines bisschen egoistisch sein und erstmal an dich denken … Schau was für dich das beste ist und vertrau dir selber an meisten 😘“
Tatsächlich stand er beim nächsten Klingeln wieder da. Ich hab an die Worte meiner Freundin gedacht, meinen Mut zusammen genommen und ihm gesagt – auch wenn es mir extrem unangenehm war – man weiß ja auch nicht, wie er darauf reagiert – „ Es tut mir Leid, aber nach vorhin habe ich aktuell kein Vertrauen in Sie. Es wäre mir sehr recht, wenn Sie die Kollegin holen.“
Hat er dann – zum Glück- ohne großes Murren gemacht und bei der anderen Pflegerin, die gekommen war habe ich mich wieder sicher gefühlt und entspannen können – obwohl ich sie vorher auch noch nie gesehen hatte – aber die Ausstrahlung und mein Bauchgefühl haben gepasst (und sie kam mit frisch desinfizierten Händen rein, hat sich Handschuhe angezogen und alles desinfiziert, ohne dass ich ein Wort sagen musste….)
Als ich am nächsten Morgen um 6 kurz auf dem Klo war, hat mein Infusomat (wo die Chemo und alles dranhängt) mal wieder angefangen zu piepen (das machen die ständig, die sind uralt….) Dabei hab ich gesehen, dass im Schlauch auch eine kleine Luftblase ist (von meiner analytischen Arbeit an der HPLC in Tübingen weiß ich, dass Luftblasen in einem Schlauchsystem je nach Größe eventuell ein Problem darstellen können). Und wer kommt rein, als ich geklingelt hab: ER! Ich hab gesagt, dass ich nur kurz auf dem Klo war und der Infusomat piept, was ja häufiger vorkommt, aber ich diese Luftblase gesehen habe, ob er seine Kollegin holen kann, was man da jetzt macht. Er verschwindet auch ohne Murren, um sie zu holen – kommt dann aber alleine Zurück, mit einer Spritze und sagt „ Die kann grad nicht, ich soll es machen…..So…..wie machen wir das denn jetzt…?!?!?!?!“ – Da hab ich dann nur gesagt „ Das weiß ich auch nicht, aber Sie machen das jetzt nicht, wenn Sie sich nicht sicher sind. Wir warten, bis ihre Kollegin Zeit hat!“. (und dann kam zum Glück die kompetente Kollegin…..)
Eigentlich könnte man meinen, die Story ist schon lange genug, aber es gibt tatsächlich noch eine Krönung! ER kommt gegen 7 nochmal rein, um den morgendlichen Blutdruck und die Temperatur zu messen – so viel trau ich ihm dann doch noch zu… 😉 Allerdings war mein Nachtstuhl im Weg (Wenn man AML hat, wirft man ganz schnell die gesellschaftlichen Normen und Etikette über Board und denkt pragmatisch – ich bin an den Infusomat angestöpselt, der hängt an einem Stromkabel. Wenn ich nachts kurz aufs Klo muss (und das passiert, hab ja dauernd Infusionen, dran…), dann setz ich mich einfach kurz auf den Nachtstuhl direkt neben mein Bett, bevor ich müde und evt von Schlaftabletten groggy richtig aufsteh, den Infusomat ausstecke und dann damit ins Bad gehe, dabei aufpassen muss, dass ich an keinem Kabel hängen bleibe….)
ER will locker flockig den Nachtstuhl aus dem Weg schieben – ich so „vorsichtig, der ist voll, wenn Sie den so rumreißen, schwabbt es über und wir haben eine Sauerei!“. Ein paar Tropfen waren schon auf dem Boden. ER misst mir den Blutdruck – ich hab gleich gesagt, dass es bestimmt gleich piepst, wegen meinem niedrigen Puls, da muss er sich keine Sorgen machen. War tatsächlich so. Bin ja schon Profi mit dem Blutdruckmessgerät und hab ihm gesagt, dass er einfach die Taste oben links drücken muss, dann hört das nervige Piepsen auf. Aber anscheinend habe ICH Ihn zur Abwechslung mal langsam nervös gemacht. (Dabei habe ich ja noch versucht, freundlich und versöhnlich zu sein und ihm gesagt, dass er bestimmt froh ist, wenn seine Schicht bald durch ist und er Feierabend hat….) Hat wohl nichts gebracht. Nach mehreren Anläufen hat er den richtigen Knopf gefunden, will gehen – schiebt WIEDER meinen Nachtstuhl so ruckartig rum, ich wieder „ VORSICHT! DER IST VOLL!“ und was macht er? Will den Topf unter dem Nachtstuhl mit einer Hand leeren….war dann wohl voller, als er gedacht hat……..ist ihm aus der Hand gerutscht…..und der GANZE Boden war unter Wasser (bzw Urin….) Da hat er mir dann doch Leid getan – ein Lachen, konnte ich mir aber leider doch nicht verkneifen…… 😉 War dann schon erniedrigend für Ihn, wir er die ganze Sauerei erst mit ein paar Papiertüchern aufwischen wollte, und dann doch Unmengen an Handtücher holen musste…..und seine Schuhe haben gequietscht beim Laufen, weil sie nass waren… Ich glaube, auch wenn ich diejenige bin, die mit AML im Krankenbett liegt – sein Start in den Tag war schlimmer! 😉
Ich habe das dann auch nochmal mit der Stations-Pflegeleitung besprochen -mit dem schusseligen Urin-Part hab ich ja prinzipiell kein Problem – Shit happens (oder: Piss happens….😂). Aber der Anfangspart war schon mehr als grenzwertig – das kann für Patient*innen, aber auch für ihn selbst gefährlich sein…
(Der Post wurde auf meinem 1. Blog (https://leukaemut.blogspot.com/) am 21.01.2022 bereits veröffentlicht)