Erleichterung vs. Belastung
Der Untermieter muss ausziehen!
Nach der letzten Stanzbiopsie ging alles ganz schnell. Am Abend lag ich wach und konnte kaum einschlafen. Die Gedanken kreisten. Warum ich, was hatte ich falsch gemacht, wie konnte mir das passieren, hatten sich die Ärzte geirrt? Würde mein Leben so schnell Enden? Fragen über Fragen schwirrten an den nächsten Abenden in meinen Kopf herum. Ein paar Tage später war dann auch schon der OP-Termin.
Morgens haben mich meine Eltern in die Klinik gefahren.
Es standen Voruntersuchungen an mit Blutabnahme, Mammographie und einem Anästhesie-Aufklärungsgespräch. Die Mammographie war echt kein Spaß, da ich nur eine kleine Brust habe und mein Gewebe sehr dicht ist, konnte da natürlich nicht so viel gesehen werden. Beim einquetschen der Brust, in das Mammographie Gerät, trat Flüssigkeit aus meiner Brustwarze.
Nach den ganzen Prozeduren wurde mir beim Aufklärungsgespräch mitgeteilt, dass ich am nächsten Tag operiert werde. Der DCIS sollte entfernt werden und das ich davor noch zur Markierung des Tumors erscheinen darf.
Am OP-Tag
Wie du dir wahrscheinlich vorstellen kannst, war die Nacht nicht wirklich ergiebig. Ich war total nervös und aufgeregt. Ich zog morgens meine sexy Thrombosestrümpfe an und auch das Nachthemd.
Bevor es in den OP ging, wurde noch einmal Ultraschall gemacht und darunter wurde mit einem Draht die Stelle markiert an dem der Tumor saß. Der Arzt erklärte mir kurz das er meine Haut desinfiziert, mit dem Ultraschallkopf die Stelle sucht, mir dann eine Nadel in die Brust und als nächstes dadurch den Draht an die Stelle schiebt. Das ganze Procedere war auch etwas, dass ich nicht noch einmal haben muss. Die Schwester legte ein paar Kompressen um die Stelle, damit der Draht nicht wieder raus rutscht und ich auch nicht versehentlich den Draht entfernen konnte. Dann ging es zurück ins Zimmer.
Die Schwester kam vorbei und brachte mir die Beruhigungspille.
Ein paar Minuten später holte mich ein Transport-Fahrer ab und schob mich durch die komplette Klinik, an Besuchern und anderen Patienten vorbei, zum Fahrstuhl. Ich fühlte mich in diesem Moment überhaupt nicht wohl, eher wie auf dem Präsentierteller. Dann ging es ab in den Vorraum zum OP. Die Anästhesistin nahm mich in Empfang, ich fühlte mich schon etwas schläfrig. Sie legte mir eine Nadel in den rechten Arm und spritzte mir eine weißliche Flüssigkeit (Propophol), dann kam sie mit einer Maske und wünschte mir einen schönen Traum.
Ich wachte im Aufwachraum kurz auf und hörte ganz viele Stimmen um mich rum. Ich hatte Mühe meine Augen offen zu halten. Im Hintergrund hörte ich, wie die Schwester kam und zu mir sagte, dass ich alles überstanden hätte. Sie rieb mir die Wange und bat mich meine Augen offen zu halten und einen Schluck Wasser zu trinken. Mir war eiskalt und ich war noch nicht ganz wieder da. Ich spürte wie mein Körper zitterte vor Kälte, die Schwester brachte mir eine weitere Decke. Mir fielen die Augen sofort wieder zu. Als nächstes kam ein Transport-Fahrer an mein Bett und sagte mir, dass er mich jetzt auf die Station zurückbringe. Ich nickte schlaftrunken, die Schwester nahm mir die zweite Decke ab und verabschiedete sich. Der Fahrer fuhr mich in den Fahrstuhl, ich spürte das rütteln der Räder unter dem Bett und ich war immer noch so müde, dass ich fast wieder einschlief.
Im Zimmer angekommen, kam eine Schwester vorbei hängte die noch vorhandene Infusionsflasche in den Ständer, misste Blutdruck und fragte mich, ob ich auf die Toilette musste. Die Blase drückte fürchterlich. Also setzte ich mich an die Bettkante, mir war etwas schwindelig. Die Schwester gab mir den Infusionsständer in die eine Hand, den Redon *(eine Redondrainage ist eine Saugdrainage zur Ableitung von Wundsekreten.) und gab mir ihre Hand. Ich war noch kurz benommen und wir liefen langsam Richtung Toilette.
Ich war ganz froh dort hingelaufen zu sein. Der Schlauch in meiner Brust störte etwas. Danach ging es wieder ins Bett. Ich verspürte Hunger und fragte die Schwester, ob Sie nicht etwas zu Essen für mich hätte. Sie ging raus und brachte mir mein zurückgestelltes Mittagessen, dass ich mit großer Freude sofort verschlang.
Am Nachmittag kam die Ärztin vorbei, die mich operiert hatte. Sie sagte mir, dass alles gut verlaufen sei, sie hätten das Gewebe entfernt. Als nächstes werde das Gewebe zur weiteren Untersuchung zur Pathologie geschickt und wenn das Ergebnis da sei, würde Sie mir das mitteilen. Ich war überglücklich und ruhte mich danach weiter aus.
* Quelle: DocCheck Flexikon
Am nächsten Tag wurde der Verband entfernt. Die Brust war grün und blau. Ich hatte eine kleine Narbe links außen an meiner linken Brust, der Redon störte, drückte und rieb an einer meiner Rippen. Zum Glück sagte die Ärztin das der Redon raus konnte, da er nicht so viel Wundsekret förderte. Das ziehen tat etwas weh, aber danach hatte ich das Gefühl, dass ich jetzt erst wieder richtig atmen konnte. Bevor Sie das Zimmer verließ erklärte Sie mir noch, dass ich in zwei Tagen wieder nach Hause könnte.
Ich konnte den Tag gar nicht erwarten, packte morgens meine Sachen. Die Ärztin kam zur Visite vorbei, der Verband wurde noch einmal gewechselt. Die Narbe sah gut aus und die Stelle, wo der Schlauch gewesen war, sah auch schon viel besser aus. Es stand also nichts im Wege am Nachmittag die Klinik zu verlassen.
Sie bat mich noch auf den Arztbrief zu warten.
Ich rief meine Eltern an, die mich am Nachmittag freudestrahlend in Empfang nahmen. Die Ärztin reichte mir den Arztbrief mit der Bemerkung, das ich in zwei Tagen zum Verbandswechsel erscheinen darf und dass Sie sich meldet, wenn der Befund vom Pathologen zurück sei.
Ich konnte die Klinik gar nicht schnell genug verlassen. Zu Hause angekommen legte ich mich erst einmal auf die Couch, um mich etwas auszuruhen. Es hatte mich doch ganz schön angestrengt.
Zwei Tage später fuhren wir zum Verbandswechsel in die Klinik. Die Narbe sah gut aus, die Stelle wo der Schlauch drin war, war auch schon zu geheilt. Die Ärztin sagte mir, dass der Befund vom Pathologen schon da sei. Sie hätte schlechte Nachrichten:
- der DCIS sei noch nicht komplett entfernt
- auf dem Grund des Gewebes fand man kleine 2 -3 mm Tumorherde
Im nächsten Satz sagte Sie mir, dass ich noch ein weiteres Mal operiert werden muss. Es traf mich fast der Schlag.
Diese ganze Prozedur noch einmal durchmachen?
Sie erläuterte, jetzt wo Tumorherde gefunden wurden müßte mir auch der Sentinel-Lymphknoten auch Wächterlymphknoten *(als Wächterlymphknoten bezeichnet man die im Lymphabflussgebiet eines Primärtumors liegenden Lymphknoten, die im Falle einer lymphogenen Metastasierung zuerst betroffen sind.) entfernt werden. Wenn dieser nicht frei sei, dann würden auch noch weitere Lymphknoten entfernt.
Mir stockte der Atem. Was hatte Sie mir da gerade erzählt? Wieder rannen die Tränen über meine Wangen!
Draußen saßen meine Eltern, die von all dem noch nichts ahnten.
* Quelle: DocCheck Flexikon