Krebs – Liebe – Punkt NULL
Wie viel Humor verträgt Krebs?
Das ist immer so eine Sache mit dem lustig sein. Das kommt manchmal nämlich gar nicht gut an. Allerdings bei wem? Den anderen. Und die bestimmen also, was ich darf und was nicht? Ach so, da wären wir wieder einmal. Was darf “man”? Oder: was darf ich? Krebs und Humor sind so eine Sache. Eigentlich ein geniales Team. Denn wenn man schon in die Scheiße gegriffen hat und sich ein paar Zellen gedacht haben, wir machen jetzt mal Party und laden ungebetene Gäste ein, dann möchte man meinen, dass es sich mit etwas Humor doch leichter ertragen lässt. Das Leid, die Last, die Krankheit. Einfach den ganzen Schmarrn, den ganzen Scheiß. Das kann man einfach nicht schöner und formvollendet formulieren. Ja, könnte man. Aber eben nicht ich, an dieser Stelle. Da treffen wir dann gleich auf mehrere Themen: die anderen, das Umfeld und deren Befindlichkeiten, auf die wir, ich, oft viel zu viel Rücksicht nehmen. Und beim eigentlichen Thema meines Artikels: wie lustig darf ich sein, wenn ich Krebs habe? Wie viel Humor verträgt Krebs? Ich selbst bin oft ein sehr zynischer Mensch und stehe mir mancherorts damit auch manchmal gerne selbst im Weg. Zynismus bedeutet nämlich auch oft Schutz, Schutz für mich selbst, mein Herz, mein kleines Ich. Dahinter kann ich mich gut verstecken und mir selbst wird ein kleines bisschen weniger weh getan. Klar, so ein cooler Spruch flott dahingesagt kann schon mal für Lacher sorgen und das ist auch gut so. Weil er, der Spruch, der Zynismus und der darin verpackte Humor einfach auch mal helfen können. Jammern und leiden gehört für mich dazu, beides braucht Raum und muss gelebt werden dürfen, denn sonst kommt man in einen ungesunden Verdrängungsprozess, der das eigene Leid durch die Krankheit Krebs nur noch verstärkt. Doch so ein kleiner Schutz-Zynismus ab und an, eine Prise schwarzer Humor, können helfen nach vorne zu blicken und die Ohnmacht vor dem bevorstehenden minimieren. Humor kann auch seinem Umfeld helfen, mit dem Patienten besser umgehen zu können. Denn waren nicht alle damit konfrontiert, dass die redegewandtesten Freunde angesichts der Krebsdiagnose plötzlich kein Wort mehr herausgebracht haben? Zum Brücken bauen kann Humor da schon ein guter Begleiter sein und Türen öffnen – sofern man das selbst auch kann und möchte. Doch nichts ist schlimmer, als wenn Bekannte vor der Türe stehen und meinen, sie müssten einen aufheitern und mal die Witzkiste öffnen. Der Patient weiß selbst am besten, wie viel Humor er gerade verträgt. Es ist nun einmal ein Riesenunterschied ob ich selbst über meinen Zustand witzel und meine Polyneuropathie auf`s Korn nehme oder ob mein Gegenüber mit einem Lacher sagt “Hey, voll cool, jetzt spürst du ja nicht mal mehr wenn man dich kitzelt!” Nur ein harmloses Beispiel….
Der Grat zwischen den Lachern ist ein schmaler und nur der Patient selbst darf entscheiden, welche Scherze angebracht sind und welche nicht. Das verlangt dem Umfeld einiges an Fingerspitzengefühl ab, aber hey, der Freund/die Freundin macht grad die größte Prüfung seines/ihres Lebens durch! Da darf man sich schon auch mal ein bisschen bemühen. Mein Tipp an den Freundes- und Bekanntenkreis: fragt doch einfach mal nach! Was ist denn so schwer daran, die Stimmungslage erstmal zu erkunden und dann gemeinsam zu entscheiden, ob heute die Witzkiste lieber mal in der Ecke bleibt oder sie doch hervorgeholt werden kann?
Mir selbst hat Humor immer geholfen, wieder ein Stück des früher normalen Lebens herbeizuholen und mich nicht in meiner Verzweiflung zu verlieren. Klar geht das nicht jeden Tag, aber immer wieder ein bisschen. Ein kleines Lächeln, ein sanftes Schmunzeln haben mir geholfen, wieder Kraft und Mut zu sammeln für alles was noch kommen wollte. Manchmal war es dann auch dicht gefolgt von einer Träne, denn Freud und Leid liegen wirklich sehr oft ganz nah nebeneinander. Jedes Lachen, jedes Lächeln löst Glücksgefühle aus und Hoffnung schöpfen. Unterschätzen wir dabei nicht die Selbstheilungskräfte, die durch kleine Gesten an uns selbst aktiviert werden können.
Lassen wir sie zu, stehen wir uns dabei nicht im Weg. Krebs ist beschissen und per se nichts Schönes, aber wie immer liegt es an uns, was wir tun, wie wir handeln, wie wir zu uns selbst stehen. Wenn wir das ab und an mit Humor tun, auch wenn er dabei so schwarz wie die Nacht ist, so gewinnen wir mehr als wir vermutet hätten!