Wie du deine Energie im Alltag besser einteilen kannst
Eine Krebsdiagnose und die damit verbundenen Behandlungen sind nicht nur körperlich, sondern auch mental anstrengend. Oft ist deine Energie im Vergleich zum “Leben davor” wesentlich begrenzter. Es ist wichtig, sie so einzuteilen, dass du deinen Tag am besten nach deinen Vorstellungen gestalten kannst – ohne dich zu überfordern. Aus meiner eigenen Erfahrung habe ich ein paar praktische Tipps zusammengetragen, die dir helfen können, deinen Alltag besser zu meistern.
- Setze Prioritäten
Nicht alles muss heute erledigt werden. Ich gebe zu, ich liebe To-do-Listen. Sie helfen mir, wichtige Vorhaben gedanklich auszulagern, sodass ich sie nicht vergessen kann. An Tagen, an denen meine Energie eher eingeschränkt ist, können sie allerdings auch zum Stressfaktor werden. Sie führen mir dann vor Augen, was ich alles nicht geschafft habe – obwohl ich es wollte.
Trotzdem habe ich die Liste nicht aus meinem Leben verbannt, im Gegenteil. Ich habe sie verfeinert beziehungsweise inzwischen führe ich zwei Listen. Auf einer steht alles drauf, was ich (langfristig oder regelmäßig) erledigen will. Jeden Tag schaue ich, wie es mir aktuell geht, was der Akku anzeigt. Und je nach Energielevel nehme ich mir dann ein bis drei Aufgaben von der Liste vor.
An manchen Tagen genügt es schon, wenn ich meinen Brotjob ausübe, ausreichend esse und trinke und die Wohnung einigermaßen aufgeräumt aussieht. An anderen bin ich energiegeladen und erledige mehrere weitere Vorhaben mit Leichtigkeit. Mit der Zeit entwickelst du ein gutes Gefühl dafür, was an welchen Tagen geht und was nicht. Meine Tipps, um zu einem guten Verständnis deiner selbst zu kommen, lauten:
- Schreibe dir morgens oder am Vorabend ein bis drei Dinge auf, die wirklich wichtig sind.
- Dinge, die nicht dringend sind, können auf einen anderen Tag verschoben werden.
- Führe eine Liste mit langfristigen Aufgaben, um den Überblick zu behalten.
- Plane Ruhepausen fest ein
Dieser Punkt ist mir lange selbst nicht leicht gefallen. Wer mich schon länger kennt, weiß, dass ich selten nur ein Projekt verfolge. Meist habe ich viele verschiedene Ideen, Hobbys und Projekte, die ich parallel verfolge. Vor der Erkrankung ist mir das meist auch leicht gefallen. Ich habe die Projekte mühelos in der Luft gehalten und nebeneinander fortgeführt. Der Tag hatte – gefühlt – 48 Stunden. Mein Akku Endlos-Laufzeit.
Tja, man wird nicht jünger, gell? Und wenn einen dann noch eine OP ausknockt, laufen die Uhren plötzlich langsamer. Zeigen weniger Stunden an als erwartet. Tätigkeiten brauchen bisweilen ungewohnt viel Zeit. Auf die eigene Erholung zu sorgen, wird umso wichtiger. Dein Körper braucht Zeit zur Regeneration. Möglicherweise könnten dir diese Tipps dabei helfen:
- Plane regelmäßig Zeiten für Pausen ein.
- Verwende, wenn es dir hilft, einen Timer, um sicherzustellen, dass du diese Pausen nicht vergisst.
- Gestalte Pausen bewusst: Ein Spaziergang an der frischen Luft oder ein paar Minuten Meditation können Wunder wirken.
- Lerne, „Nein“ zu sagen
Nicht nur nach einer Erkrankung, generell ist das Wort “Nein” eines der wichtigsten Tools, um unnötige Belastungen aus deinem Alltag fernzuhalten. Es ist okay, nicht alles mitmachen zu können. Es ist auch okay, nicht alles mitmachen zu wollen. Ein ehrliches Nein ist immer ein Ja zu dir und zu deiner Gesundheit.
Sollten andere etwas mit dir unternehmen wollen, es aber gerade nicht dem entspricht, was du brauchst, darfst du selbstverständlich Nein sagen. Deine Gesundheit hat ab jetzt immer Priorität. Menschen, die dich wertschätzen, werden dein Nein respektieren, daher:
- Lehne Einladungen oder Aufgaben ab, wenn sie dich zu sehr belasten.
- Erkläre deinen Liebsten, dass du deine Energie einteilen musst – sie werden es verstehen.
- Nutze Energietiefs sinnvoll
Es gibt Zeiten am Tag, an denen du weniger Kraft hast. Das ist ganz normal. Einige Aufgaben zu erfüllen, fällt in diesen Phasen leichter, andere sind undenkbar. Wichtig ist, dass du gut auf deinen Körper und auch auf deine mentale Belastbarkeit achtest. So können die Energietiefs einen Hinweis darauf geben, dass du eine Pause benötigst. Vielleicht sagen sie dir aber auch bloß, dass du dich heute besser an einfache und wenig fordernde Vorhaben setzen solltest.
Gehst du trotzdem über deine Grenzen, wirst du das früher oder stärker zu spüren bekommen. Vielleicht kennst du Phasen der Fatigue, die auf eine solche Überforderung folgen. Besser, du achtest gut auf dich und sorgst vor, bevor das System sich auf Standby schaltet. Nicht immer wirst du dadurch Erschöpfungszustände verhindern können, aber du lernst dich besser kennen und trägst nicht auch noch aktiv dazu bei, dass dir die Kraft ausgeht. Besser hältst du dich an diese Tipps:
- Nutze diese Phasen für leichte Aufgaben wie Lesen, ein Hörbuch oder das Beantworten von Nachrichten.
- Wenn möglich, entspanne dich mit einem kurzen Schläfchen oder ruhigen Aktivitäten, die dir Kraft geben, statt dir welche zu rauben.
- Teile Aufgaben in kleinere Schritte auf
Große Aufgaben können dich lähmen, sodass du sie gar nicht erst angehst. Um dir den Druck zu nehmen, unterteile sie lieber in gut verdauliche Einheiten auf. So ist es vielleicht gar nicht notwendig, deine gesamten Unterlagen für die Steuer an einem Wochenende zusammenzustellen. Sofern du an mehreren Tagen jeweils ein paar Schritte erledigt, die dich der Erfüllung dieser Aufgabe näher bringen, wirst du ebenso ans Ziel kommen.
Allerdings mit etwas weniger Stress. Ein Berg kann überwältigend wirken. Doch um auf dessen Spitze zu kommen, braucht es lediglich eines: viele kleine Schritte. Ich empfehle dir daher Folgendes:
- Zerlege größere Vorhaben in kleinere, machbare Schritte.
- Arbeite in kurzen Intervallen – zum Beispiel 20 Minuten, gefolgt von einer Pause.
- Feiere jeden Teilerfolg, den du erreicht hast.
- Bitte um Hilfe
Ich weiß nicht, wer uns irgendwann einmal diesen Floh ins Ohr gesetzt hat, dass wir möglichst alles alleine bewältigen müssen. Aber das stimmt nicht. Du musst nicht alles allein schaffen. Wir sind soziale Wesen und leben in einer Gemeinschaft. Früher oder später wird jede*r von uns einmal auf Hilfe angewiesen sein. Das zu erkennen, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke.
Du sorgst gut für dich, wenn du bei der Bewältigung von anstrengenden Aufgaben um Hilfe bittest. Viele Menschen helfen gerne – sie warten nur darauf, gefragt zu werden. Schreib dir also gerne das hier auf deine To-do-Liste und probiere es hin und wieder aus:
- Frage Freund*innen, Familie oder Nachbar*innen, ob sie dich bei Aufgaben unterstützen können.
- Nutze Unterstützungsangebote wie Einkaufsservices, Mahlzeitendienste oder Fahrdienste.
- Achte auf deinen Körper
Auch wenn durch deine Erkrankung möglicherweise das Vertrauen in deinen Körper gelitten hat, so solltest du dir dennoch eines klar machen: Ihr seid ein Team. Und als dein Freund sendet dir dein Körper Signale, um dir mitzuteilen, dass er eine Pause braucht. Das tut er nicht, um dich zu ärgern, sondern weil er selbst fit werden will.
Bisweilen aber haben wir verlernt, die Signale richtig zu deuten. Wir essen, weil wir Langeweile haben oder den Stress nur schwer verarbeiten können. Wir reagieren mit Wut, obgleich es eigentlich die Angst ist, die unser Handeln bestimmt. Auch Überlastung zeigt sich oft in einer Sprache, die erst einmal entschlüsselt werden will. Beobachte dich also mit Achtsamkeit und beherzige Folgendes:
- Höre auf Warnzeichen wie Erschöpfung, Konzentrationsprobleme oder Reizbarkeit.
- Lerne, diese Signale frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren.
- Halte deinen Tagesrhythmus einfach
Routine helfen, im Alltag Energie zu sparen. Mit jeder Entscheidung nutzt du etwas von der Akkuleistung, die dir am Tag zur Verfügung steht. Sobald du aber eine Gewohnheit etabliert hast, sie zur Routine wird, kannst du genau diese Energie einsparen. Dein Gehirn schaltet in gewisser Weise auf Autopilot, es weiß bereits, was zu tun ist. Hilfreich sind daher diese Tipps:
- Stehe, wenn möglich, jeden Tag zur gleichen Zeit auf.
- Plane Mahlzeiten und Pausen zu festen Zeiten.
- Eine klare Struktur gibt dir Orientierung und nimmt dir Entscheidungen ab.
- Sei geduldig mit dir selbst
Was ebenfalls Energie zieht, ist der Glaube, alles schaffen zu müssen und sich mit unrealistischen Plänen selbst unter Druck zu setzen. Lass das besser. Es ist okay, an manchen Tagen weniger leistungsfähig zu sein. An manchen Tagen ist es ein Kraftakt, überhaupt aufzustehen, geschweige denn eine Routine einzuhalten oder sinnvolle Listen zu schreiben. Ja, dann ist das so.
Du hast es verdient, dass dir Geduld und Wohlwollen entgegengebracht werden. Nach allem, was du durchmachen musstest, solltest du dir vor allem selbst geduldig und wohlwollend begegnen. Und du solltest anerkennen, dass manches an manchen Tagen jetzt einfach anstrengender ist als früher. Feiere also jeden noch so kleinen Move. Werte dich nicht dafür ab, dass du gerade mit dem weiteren Überleben sowie der Verarbeitung des Geschehens beschäftigt bist und dein Körper Ruhe braucht. Stattdessen könnte das hilfreich sein:
- Erkenne an, was du bereits alles leistest.
- Feiere kleine Erfolge, statt dich auf das zu konzentrieren, was nicht geklappt hat.
- Verzeihe dir selbst, wenn etwas mal nicht so läuft wie geplant.
- Nutze gezielt Energie-Boosts
Neben den bisherigen Tipps können dir auch dein Ess- und Trinkverhalten aus einem Energietief heraushelfen. In den Jahren seit der Diagnose habe ich mich viel mit Lebensmitteln und einer gesunden Ernährung beschäftigt, vieles ausprobiert. Der Gamechanger, bei dem ich am meisten positive Effekte festgestellt habe, war kein Wunderpulver und kein exotisches Kraut, auch keine spezielle Diät. Es war das Wasser.
Seite etwa eineinhalb Jahren achte ich bewusst darauf ausreichend zu trinken. Das fängt mit dem Glas Wasser an, das ich morgens bereits neben dem Bett stehen habe. Wenn dir die Energie wegsackt, kann es manchmal schon helfen, dem Körper frisches Wasser zuzuführen, um sich besser zu fühlen. Dehydrierung macht vor allem eines: müse. Daneben helfen weitere Tricks, um die Energiereserven aufzufrischen:
- Iss einen leichten, gesunden Snack wie Nüsse, Obst oder Joghurt.
- Höre deine Lieblingsmusik oder rufe einen lieben Menschen an, um dich aufzubauen.
- Mache einen kurzen Spaziergang.
Fazit
Sicher ist diese Liste nicht vollständig. Und glaube jetzt bitte nicht, dass es mir gelingt, alle diese Tipps immer und zu jeder Zeit zu beherzigen. Darum geht es auch gar nicht. Stattdessen geht es darum, dir bewusst zu machen, welche Werkzeuge dir im Alltag helfen könnten. Probiere es aus und behalte bei, was dir guttut. Verwerfe, was dir nicht hilft. Und baue dir so viele kleine Sicherheitsnetze im Alltag auf, die dir aus einem Energietief heraushelfen könnten.
Deine Energie ist wertvoll, und du kannst selbst viel dafür tun, sie gut einzuteilen. Nimm dir Zeit, um herauszufinden, was für dich am besten funktioniert, und passe die Tipps an deinen Alltag an. Du musst nicht perfekt sein – jeder kleine Schritt zählt. Und vergiss nicht: Du bist nicht allein. Es gibt viele Menschen, die dich unterstützen wollen. Trau dich, sie um Hilfe zu bitten.
Hast du noch weitere Tipps oder Erfahrungen, die dir helfen, deinen Alltag zu meistern? Schreib sie mir gerne. Wenn genügend Rückmeldungen zusammenkommen, fasse ich die Tipps gerne in einem weiteren Artikel zusammen, dann hilft dein Rat auch anderen weiter.