Erleichterung vs. Belastung
Wer bin ich? Wo fang ich an? – Das bunte Zebra
Wer bin ich? Ich bin Jana und ich bin ein buntes Zebra. Diesen Begriff kenne ich aus der Hochsensibilität-Bubble und es stimmt für mich definitiv. Während viele um mich herum “Pferde” sind, bin ich nicht nur ein Zebra, nein, auch noch ein buntes dazu: Ich nehme ich viel mehr wahr, fühle mit, spüre Dinge, die ich nicht benennen kann und fühlte mich damit sehr lange ziemlich fehl am Platz.
Doch nicht nur in Bezug auf die Hochsensibilität trifft das bunte Zebra zu. Nein, auch im “sonstigen” Leben gibt es da eine Besonderheit: Ich kann mittlerweile auf 20 Jahre Krebserfahrung zurückgreifen und dabei bin ich erst 34 Jahre alt. Auch dieser Umstand hat mich wie ein Außenseiter fühlen lassen.
Angefangen hat es mit der Brustkrebsdiagnose meiner Tante (mit 30). Und ganz ehrlich – welche Teenager können schon damit umgehen, wenn es im Freundeskreis eine Person gibt, deren Verwandtschaft von Krebs betroffen ist? Bei mir leider nicht so viele – und so fühlte ich mich ziemlich alleine damit. Als später meine andere Tante mit 43 Jahren an Krebs starb, sprach mein bester Freund einen ganzen Tag nicht mehr mit mir. Ich war den Nachmittag davor bei ihm zu Besuch und wurde anschließend zu Hause mit der Nachricht konfrontiert. Mein bester Freund befürchtete, dass ich schon bei ihm Bescheid wusste. Durch das Verhalten meiner Freunde habe ich mich gefühlt, als wäre ICH krank oder gestorben.
Als 1 1/2 Jahre später bei meiner Mutter Darmkrebs diagnostiziert wurde, beschloss ich (damals 19 Jahre alt) mich so gut wie keinem mehr anzuvertrauen. Ich wollte das für mich behalten und nicht wieder wie ein Alien behandelt werden. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es irgendjemand verstehen würde, wie es ist, mit einer Krebsdiagnose zu Hause umgehen zu müssen.
Zwei Jahre später habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht: Mein damaliger Freund erzählte nach der Trennung in der Uni, ich wäre verrückt, dabei wusste er genau, warum ich mich so seltsam und unvorhersehbar verhielt: Ich war absolut verzweifelt meiner Mutter nicht helfen zu können.
So oft begleitete mich dieses Gefühl von “Gib nicht zu viel von deiner Geschichte preis!” Diese Aussage kam auch aus meinem engsten Umfeld. Besonders als die ersten Darmpolypen und -adenome bei mir gefunden wurden (mit 27 – ein Jahr nach meiner Hochzeit und Geburt des 1. Kindes). “Erzähle das nicht, sonst wirst du nicht verbeamtet in deinem Lehrerberuf.” Ich hatte jeden Tag Angst, es könnte jemand herausfinden. Das “Könnte (Krebs werden)” bestimmte mein Leben.
Bis 2019 (mit 30) aus dem “Könnte” ein “Ist” wurde – nur nicht im Darm, sondern in der Niere. Gefunden als Zufallsbefund. Entfernt nach 1 1/2 Jahren Rätselraten (in Schwangerschaft und Stillzeit mit dem 2. Kind): “Da ist was. Wir wissen nicht was es ist. Aber es gehört da nicht hin.”
Futsch. Aus. Ende. Die ganze Geheimniskrämerei umsonst. Der Traum meines Umfelds von der Verbeamtung geplatzt. So schien es. Ich entschied mich dazu offen mit meiner Krebsdiagnose und der genetischen Disposition umzugehen. Erzählte von meinen jährlichen Darmspiegelungen und Nachsorgeuntersuchungen beim Urologen. Und endlich fühlte ich mich leicht und konnte frei sein. Keine Geheimnisse mehr.
Am 3.12. war der Tag der Menschen mit Behinderungen. Auch ich bekam einen Schwerbehindertenausweis. Und dieser ermöglichte mir eine Beurteilung für 5 Jahre anstatt Lebenszeit. Ich wurde auf Probe verbeamtet – mit offenen Karten! Selbst als ich den Ausweis abgeben musste (gesund!!), wurde ich vor Kurzem auf Lebenszeit verbeamtet (zeitgleich mit der Geburt des dritten Kindes). Die jahrelange Geheimniskrämerei, die mich meine Lebensqualität gekostet hatte – unnötig!
Zusammenfassend lässt sich sagen: Ich bin bestimmt nicht die Einzige, die sich entschieden hatte zu schweigen. Behinderungen sind nicht immer sichtbar – das gilt für die körperlichen und geistigen genauso wie für die seelischen…