Teil 1: Die Suche
„Das sieht nicht nach einer lateralen Halszyste aus.“ waren die Worte des Radiologen nach Betrachtung der MRT-Bilder im Januar 2017. Mein HNO-Arzt hatte mich zu ihm geschickt, nachdem einen Tag vorher meine rechte Halsseite anschwoll als würde sich ein Tennisball darunter verstecken. Klar, bereits im Sommer 2016 hatte meine Frau im Urlaub eine kleine Geschwulst an dieser Stelle bemerkt. Ich hatte mir
überhaupt nichts dabei gedacht. Die war klein, tat nicht weh und war weich. Ich ging davon aus, dass es eine Fettgeschwulst wäre. Mit dem Alter kommen ja so merkwürdige Sachen. Eine Fettgeschwulst schwillt aber nicht plötzlich so an. Ok, Antibiotikum verschrieben und ab in die Röhre. Mein HNO-Arzt rief mich noch spät an, weil er die Ergebnisse des MRT besprechen wollte. Das erste Mal stand das Wort „Krebs“ im Raum. An diesem Abend hatte ich meinen ersten Zusammenbruch. Ich konnte keinen Krebs haben. Ich habe mein Leben gesund gelebt. Ich rauche nicht und als ehemaliger Leistungssportler (Rudern), treibe ich viel Sport. Ich und Krebs? – Undenkbar!
Egal, was macht man als Nächstes? Erstmal Skifahren gehen. Dort lernte ich einen Mund-Kiefer-Gesichtschirurg kennen, der mir kurzerhand anbot, dieses Ding aus meinen Hals zu holen. Das Antibiotikum hatte zu diesem Zeitpunkt schon gut gewirkt. Die Schwellung war deutlich zurückgegangen. Macht Krebs das? Unter Verabreichung von Antibiotika schrumpfen? Das ist kein Krebs, dachte ich.
Wieder in Berlin machte ich einen Termin für ein PET-CT in der Charité Campus Rudolf-Virchow (CVK). Der Befund war bis auf die Raumforderung an der rechten Halsseite negativ. Kein Tumor zu sehen. Das beruhigt natürlich. Im März dann die OP. Die erste meines Lebens. Entsprechend aufgeregt war ich. Im Nachhinein ein Klacks. Durch eine befreundete Anästhesistin, die dort arbeitete, bekam ich den besten Narkosearzt, den man sich denken kann und so begrüßte mich eine Stunde später meine Frau im Aufwachraum. Operiert hatte mein Bekannter aus dem Skiurlaub. Nachmittags bereits verkündete er das Ergebnis. Keine Zyste, dafür zwei Lymphknotenmetastasen, aber kein Primärtumor. Da ist guter Rat teuer. Lasst die Suche nach dem Primarius beginnen! Das alles traf mich schwer in die Magengrube. Ich habe KREBS.
Der Chirurg, gleichzeitig Vorsitzender der Tumor-Konferenz am CVK, empfiehlt, die Mandeln herauszunehmen und eine Panendoskopie durchzuführen. Also ging es Ende März 2017 zur nächsten OP wieder ins CVK. Eine Mandel-OP bei einem Erwachsenen ist kein Zuckerschlecken. Die Gefahr von Nachblutungen ist ziemlich groß und wenn man es damit nicht rechtzeitig in die Klinik schafft, kann man durchaus verbluten. Außerdem sind die Schmerzen höllisch. Die Panendoskopie vorher war auch schlimm, da sie bei Bewusstsein durchgeführt wurde. Zum Glück kann ich mich daran heute nicht mehr erinnern, da mir irgendein Vergessensserum gespritzt wurde.
Die Schmerzen nach der Mandel-OP dauerten übrigens ziemlich genau drei Wochen. Das nur nebenbei.
Tja, weder unter den Mandeln noch sonst irgendwo im Rachen war der Primärtumor zu finden. Und was machen wir jetzt? Der Chefarzt empfiehlt eine komplette Entfernung der Lymphknoten der rechten Halsseite (Neck-Dissection) und anschließende Bestrahlung. Und ich? Ich sage „Stop“! Ich brauche eine zweite und dritte Meinung.
Tatsächlich habe ich keinen Arzt gefunden, der mir zu dieser heftigen OP geraten hätte. In dem Glauben und der Hoffnung, dass mein Körper den Primärtumor selbst zerstört hat, tat ich nichts außer alle halbe Jahre zur Kontrolle ein MRT machen zu lassen.