Krebs – Liebe – Punkt NULL
Annette fragt… Prof. Dr. Stephan Mose
28 Mal bin ich zur Bestrahlung ins Schwarzwald-Baar-Klinikum nach Villingen gefahren. Der Direktor der dort ansässigen Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie ist Prof. Dr. Stephan Mose. Laut Focus-Rankings gehört seine Klinik zu den 40 besten in Deutschland und er selbst zu den deutschen Top-Medizinern. Ich freue mich sehr, dass er heute ein wenig aus dem Radioonkologie-Nähkästchen plaudert.
Lieber Herr Prof. Dr. Mose, neben der Chemotherapie ist die Strahlentherapie ein wesentlicher Bestandteil in der Behandlung von (Brust-)Krebs. Worin liegt der Unterschied?
Der entscheidende Unterschied ist, dass – im Gegensatz zur medikamentösen Therapie (Chemo-/Hormon-Antikörper-Immuntherapien) – die Radiotherapie ebenso wie die Operation lokale Therapiemaßnahmen sind. Beide Therapien stellen die Säulen der Therapie bei den meisten Tumoren dar.
Einerseits können sich Operation und Radiotherapie wie z.B. beim Brustkrebs ergänzen (d.h. brusterhaltende Operation plus Radiotherapie der Brust) und somit die komplette Brustentfernung vermeiden, um 1. das Ziel der deutlichen Verringerung des Rückfallrisikos und die Heilung zu erreichen und 2. zeitgleich die Funktion des Organs und/oder seine Kosmetik zu erhalten. Andererseits kann – bei identischer Zielsetzung – die Radiotherapie die Operation ersetzen, wie dies z.B. beim Prostatakrebs der Fall ist. Beide Methoden sind gleichwertig hinsichtlich der Heilung; andere zeitgleiche Erkrankungen des Patienten und/oder das Nebenwirkungsrisiko geben dann oftmals den Ausschlag für die Wahl der Therapie.
Ein anderes Beispiel: Kehlkopftumoren können in Abhängigkeit von ihrer Größe auch alleine bestrahlt werden; das Zielung ist Heilung vom Tumor mit zeitgleichem Erhalt der Kehlkopffunktion, also dem Erhalt der Stimme im Gegensatz zum Kehlkopfverlust.
Bei Erstdiagnose eines Tumors ergänzen medikamentöse Therapien die Effektivität von OP und Radiotherapie. Es kommt dabei immer auf die patientenindividuelle Situation an, weswegen die interdisziplinäre Absprache zwischen den einzelnen Fachbereichen sehr wichtig ist, damit die beste(n) und zeitgleich die schonenste(n) Therapie(n) durchgeführt werden kann/können.
Demgegenüber stehen die medikamentösen Therapien dann im Vordergrund, wenn der Tumor gestreut – also Metastasen gebildet – hat. Lokale Therapiemaßnahmen kommen dann zum Einsatz, wenn lokale Schmerzen bestehen und/oder lokale Komplikationen (z.B. Bruch eines Knochens) drohen. Immer häufiger kommen Radiotherapie (z.B. als sogenannte “stereotaktische Strahlentherapie”) und/oder Operation auch dann zum Einsatz, wenn nur 1-5 lokale Metastasen bestehen, die auch lokal therapierbar sind, um z.B. medikamentöse Therapien noch aufzuschieben (Oligometastasierung) oder laufende medikamentöse Therapie nicht ändern zu müssen, falls nur an einer Stelle gerade diese laufende Therapie nicht mehr wirkt (Oligoprogress).
Ich durchlief zuerst die Chemotherapie und wurde dann bestrahlt. Kann das auch andersherum oder sogar parallel ablaufen?
Beim Brustkrebs ist es historisch so gewachsen, dass in dem Fall, wenn eine Chemotherapie ergänzend hinzugeben werden muss, diese zuerst der Operation folgt. Wahrscheinlich kann man es auch anderes herum machen; dies ist aber nie geprüft worden, zumal sich die Notwendigkeit der Chemotherapie auch daraus ergibt, dass die Gefahr einer Streuung in den Körper möglichst schnell vermieden werden soll. Im Falle einer alleinigen zusätzlichen Hormontherapie erfolgt diese zeitgleich oder nach Wunsch der Patientin nach der Radiotherapie. Manche ergänzenden Chemotherapien und auch weiter laufende Immuntherapien (z.B. Herceptin) können auch simultan zur Radiotherapie gegeben werden.
Und jetzt bitte für Laien erklärt: Woher weiß das Bestrahlungsgerät, also der Linearbeschleuniger, wo und wie genau er eine Patientin oder einen Patienten bestrahlen soll?
Der Linearbeschleuniger tut nur das, was wir ihm eingeben. Der Prozess von der Planung bis zur Durchführung der Bestrahlung ist sehr komplex und unterliegt einem Mehr-Augen-Prinzip. Bei der Planungscomputertomographie erhalten wir mittels sehr vieler Schichtaufnahmen vom Körper bzw. der zu bestrahlenden Region ein dreidimensionales Bild. Die Tumorregion wird im Computer von einem Arzt genauso eingezeichnet wie alle benachbarten Organe, die ja nicht erkrankt sind, die aber durch die Streustrahlung belastet werden könnten.
Klar ist: 100% der Dosis dorthin, wo sie hingehört! So wenig wie möglich in die Nachbarstrukturen. Dafür gibt es internationale Vorgaben, die man bei der Planung einhalten muss und die auch im Prozess der Planung immer wieder von Ärztinnen und Ärzten und Medizinphysikexpertinnen und -experten überprüft werden.
Das bedeutet, dass die Radiotherapie die am besten überprüfbare und nachprüfbare Therapie ist, die es gibt.
Nach der in einer Besprechung kontrollierten Einzeichnung berechnen Medizinphysikexpertinnen und -experten die verordnete Dosis in der Tumorregion und müssen natürlich dabei die Streustrahlung in den Nachbarstrukturen bestmöglich niedrig halten. Diese Dosisverteilung wird wiederum anhand von Tabellen und Graphiken ärztlich kontrolliert. Danach erfolgt die physikalische Überprüfung dieses individuellen Planes am Linearbeschleuniger an einem Phantom („Dummy“).
Ist diese Prüfung auch erfolgreich abgeschlossen, erfolgt die digitale Übermittlung an den Beschleuniger. Mit dem Patienten zusammen werden dann bei der ersten Bestrahlung („Neueinstellung“) nochmals bildgebende Kontrollen – es handelt es sich wiederum ein am Beschleuniger angebrachtes CT bzw. ein röntgenähnliches Bild – durchgeführt. Diese können mit dem Bestrahlungsplan im Computer übereinandergelegt werden. Die Theorie des Planes und die Praxis der täglichen Bestrahlung – diese Kontrollen finden bei jedem Patienten nahezu jeden Tag statt – müssen millimetergenau übereinstimmen.
Stimmt dies alles, werden die Markierungen auf die Haut des Patienten gemacht. Und dann erst kann die eigentliche Bestrahlung erfolgen. Also: die sicherstellenden Maßnahmen am Linearbeschleuniger dauern viel länger als die Bestrahlung an sich, die ja oftmals nur wenige Minuten in Anspruch nimmt.
Die Kontroll-Bilder werden dann nach erfolgter Bestrahlung von einem weiteren Arzt nochmals gegengeprüft. Ebenso wird die gesamte Dokumentation der Bestrahlung von Physik und den MTA (Medizinisch-technische Assistenten/innen) geprüft. Die Unterlagen müssen gesetzmäßig 30 Jahre aufbewahrt werden.
Mein Tumor wurde operativ entfernt und später die entsprechende Stelle noch bestrahlt. Ich habe gelesen, dass ihn manchen Fällen die Strahlentherapie eine Operation ersetzen kann. Entspricht das der Wahrheit und wenn ja, können Sie das bitte etwas genauer erklären?
Wie ich oben berichtet hatte, können Operation und Radiotherapie sich ergänzende Maßnahme sein oder alternativ eingesetzt werden. In der Therapie des Brustkrebses will man – anders als früher, als man radikal die Brust entfernt hat – die Operation heutzutage brusterhaltend durchführen. Um die Heilung zu erreichen und das Risiko eines Rückfalls massiv zu reduzieren, muss die Radiotherapie angeschlossen werden, um andere eventuell verbliebene und in der Diagnostik (Ultraschall, Mammographie, Kernspintomographie) nicht sichtbare Zellen im Brustdrüsengewebe zu vernichten. Inzwischen wissen wir auch das Ausmaß der Lymphknotenoperation und das Volumen, die Dosis und den zeitlichen Ablauf der Bestrahlung besser zu individualisieren. Teilweise redet man schon in besonderen Ausnahmesituationen über Teilbrustbestrahlungen. Der Hintergrund und das Ziel sind klar: Identische oder sogar höhere Sicherheit und weniger Risiko für Nebenwirkungen.
Formal ist es auch möglich, den Brustkrebs alleine durch eine Radiotherapie zu bekämpfen. Dafür bräuchte es aber eine so hohe Dosis, dass die benachbarten Strukturen zu sehr belastet und demnach unnötig geschädigt werden würden. Die Radiotherapie also als Alternative zur Operation beim Brustkrebs einzusetzen, ist nicht realistisch.
Immer wieder hört man vom „Strahlenbrand“ als Nebenwirkung der Strahlentherapie. Ich weiß, dass Ihnen dieser Begriff nicht gefällt. Warum?
Irgendwie muss die Strahlung ja an den Ort, wo der Tumor ist. Und dieser Weg führt über die Haut sowie vorbei und/oder durch andere Organstrukturen. Die Belastung soll so niedrig wie möglich sein. Auch hier wieder ein Beispiel: Die Prostata liegt quasi tief unten und mittig im Becken. Die Dosis kann im Falle einer Bestrahlung so berechnet werden, dass die Haut als Risikostruktur kaum relevant ist – die Dosisbelastung ist sehr niedrig. Demgegenüber sind hier die benachbarte Blase und der Enddarm wichtig. Bei der Bestrahlung des Brustdrüsenkörpers liegt dieser ja direkt unter der Haut; die Haut erhält somit einen hohen Streustrahlenanteil. Das ist nicht zu verhindern.
Und auch wenn die Haut so einiges an Dosis aushält – es kann dennoch zu Hauttrockenheit, Verfärbungen, Rötungen und – selten – feuchten Hautentzündungen kommen. Das sieht im Extremfall dann aus wie ein Sonnenbrand, ist es aber nicht. Man muss sich das so vorstellen: unsere Hautzellen wachsen ständig nach. Abgestorbene Hautschuppen lösen sich im Prinzip unmerklich von der Haut, weil von unten – also vom Unterhautgewebe aus – regelmäßig gesunde Hautzellen nachwachsen. Unsere Haut ist flächenmäßig das größte Organ des Körpers. Sie schließt den Körper quasi ab.
Im Falle einer mehrwöchentlichen Bestrahlung (meistens jenseits von 4-5 Wochen, 5x/Woche) reduziert sich die schnelle Produktion der nachwachsenden Hautzellen. Entzündungsprozesse und auch lokale Irritationen der Immunabwehr der Haut behindern diesen Prozess des Nachwachsens, so dass die Haut dann pigmentiert, gerötet und/oder – zum Glück selten – gar wund entzündet aussehen kann – letztlich ähnlich wie bei einem wunden Babypopo. Unsere Erwachsenenhaut braucht nur etwas länger, dass sie wieder zuheilt, wenn die Irritation (hier also die Bestrahlung) weg ist. Dieser Prozess ist zumeist nur kosmetisch störend, kann aber manchmal dennoch auch nervig und schmerzhaft sein. Aber die Haut heilt wieder ab. Das Risiko für bleibende Hautschäden und Vernarbungen sowie dauerhafte Hautverfärbungen ist heutzutage sehr, sehr niedrig.
Ganz wichtig: Patientinnen mit verschiedenen Nebenerkrankungen (z.B. Blutzuckerkrankheit, Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen), Raucherinnen, chemotherapierte Patientinnen, Frauen, wo die Narbe sehr groß ist bzw. schlecht verheilt ist – die Art der OP ist ein wichtiger Faktor! – und Frauen, die schnell schwitzen – Schweiß und Strahlentherapie vertragen sich nicht gut – und Frauen mit einer recht großen Brust haben ein etwas höheres Risiko für Nebenwirkungen an der Haut.
Deswegen: Mithelfen bei der Hautpflege!
Ich hatte Glück und – von einer minimalen Rötung in der letzten Bestrahlungswoche abgesehen – keinerlei Beschwerden. Welche Tipps haben Sie für Frauen, die mit Nebenwirkungen wie Brennen, Rötung, Juckreiz, Schmerzen oder gar offenen Stellen zu tun haben?
Im Prinzip ist es recht einfach: Halten Sie die Haut im Bestrahlungsbereich trocken. Sie können sich anfänglich normal waschen und duschen. Nur keine Sauna und kein Schwimmbad, damit die Markierungen nicht weggeschwitzt werden. Aber wie gesagt: duschen geht. Auch keine Angst bei der Pflege der Achsel.
Es ist ja am Beschleuniger immer eine Ärztin oder ein Arzt oder eine MTA ansprechbar und wir fragen auch regelmäßig nach bzw. schauen uns die Haut an. Und wenn dann die Haut anfängt zu jucken oder sich zu röten, dann reichen einfache Pflegemaßnahmen aus (z.B. Aloe vera, Ringelblumensalbe, Panthenol). Je nachdem, was man verträgt.
Manchmal entwickeln sich auch kleine Pusteln über dem Brustbein und/oder im oberen, mittleren Bereich der Brust. Das hängt mit den Schweißdrüsen in diesem Bereich zusammen. Wenn diese jucken, dann kann manchmal etwas Cortisoncreme hilfreich sein.
Wenn man unter der Brust oder in Richtung Achselhöhle schnell schwitzt, ist ein Seidentuch in diesem Bereich hilfreich. Die Haut sollte trocken gehalten werden. Ein zu enger BH ist da eher kontraproduktiv.
Oftmals hilft bei leichter Rötung und beginnender Überwärmung der Haut die Anwendung von Schwarzteekompressen. Das kühlt und reduziert die Entzündungsreaktion. Würde die Haut dann wirklich wund und feucht werden, verschreiben wir flüssigkeitsaufsaugende und austrocknende Auflagen. Manchmal sind auch Schmerzmittel nötig.
Wichtig ist von der radiotherapiebedingten Entzündung zu unterscheiden, ob es sich, da es auch im zeitlichen Zusammenhang mit der Bestrahlung auftreten kann, ein postoperatives Lymphödem handelt, das zur Schwellung und Rötung der Brust führen kann. Hintergrund sind das Ausmaß der Lymphknoten-OP in der Achselhöhle, eine vorausgegangene Chemotherapie sowie andere bereits oben genannte Nebenerkrankungen. Hier hilft Lymphdrainage, die auch zumeist während der Radiotherapie durchgeführt werden kann. Die Radiotherapie selber – das ist belegt – trägt, sofern man die Lymphknoten nicht gezielt bestrahlen muss, kaum zum Entstehen eines Lymphödems bei.
Zum Schluss zu diesem Thema ganz wichtig: die Hautpflege ist wichtig. Aber machen Sie nichts in Eigenregie – sprechen Sie mit dem Bestrahlungsteam und lassen Sie sich von Ihrem Team beraten. Das ist unser Beruf und unsere Aufgabe! Anders wäre es so, wenn Sie Schuhe in der Bäckerei kaufen wollten. Das ginge sicher daneben.
Die Focus-Auszeichnungen erhält man nicht mal eben so. Wie ich gelesen habe, basieren die Bewertungen hauptsächlich auf dem Urteil von Fachkolleginnen und -kollegen sowie Empfehlungen von Patientinnen und Patienten. Auch wenn die Strahlentherapie logischerweise sehr technikabhängig ist, habe ich mich bei Ihnen in der Abteilung immer fürsorglich behandelt und nicht als „Nummer im System gesehen“. Ich vergebe Ihnen in punkto Arzt-Patientinnen-Kontakt definitiv auch 5 von 5 Sternen! Welche Dinge sind Ihnen im Aufklärungsgespräch mit einer Patientin oder einem Patienten wichtig? Worauf achten Sie besonders?
Niemand kommt freiwillig in die Strahlentherapie. Das ist klar! Und wenn, dann möchte ich – wäre ich Patient – sicher sein, dass alles getan wird, dass ich wieder gesund werde und/oder meine Lebensqualität erhalten bleibt.
Und auch klar: eine Tumorerkrankung geht nicht spurlos an mir vorbei. Alles ist anders danach. Mein Denken und mein Fühlen. In meinem Körper ist irgendwo etwas anders gelaufen, als es hätte laufen sollen. Zumeist weiß ich nicht mal die Ursache. Das macht im ersten Moment Angst – also ist es wichtig, dass ich wieder klar sehe.
Wo stehe ich? Was kann ich selber zur Gesundung beitragen? Bin ich eigentlich nach z.B. der OP schon gesund? Warum dann noch die Radiotherapie oder die Chemotherapie? Wie kann ich selber helfen, eventuelle Nebenwirkungen zu vermeiden bzw. ihr Auftreten im Schweregrad zu reduzieren?
Das ist sicher nur ein Bruchteil von Fragen, die ich mir selber stellen würde. Oftmals stellen genau diese Fragen die Patientinnen und Patienten. Somit ist es wichtig, die Patientin oder den Patienten dort abzuholen, wo sie oder er gerade steht. Ich bespreche nach dem Abfragen verschiedener einfacher, für mich aber wichtiger Parameter (Gewicht, Größe, Medikamente, weitere Erkrankungen und deren Behandlung) mit der Patientin oder dem Patienten die bisher erfolgte Diagnostik und die evtl. schon erfolgte Therapie. Die Ausgangslage des Gespräches muss identisch sein.
Danach erkläre ich den Sinn der und die eventuellen Alternativen zur Radiotherapie. Nach brusterhaltender Operation geht es darum, durch die Radiotherapie vor allem das Rückfallrisiko zu senken und zusammen mit OP und evtl. weiteren medikamentösen Therapien zur Heilung beizutragen. Die Alternative zur Radiotherapie bei Brustkrebs wäre die radikale Entfernung der Brust. Nach brusterhaltender OP nicht zu bestrahlen, würde bedeuten, ein hohes Rückfallrisiko einzugehen und damit die Chance auf komplette Heilung zu minimieren. Das bedeutet andererseits, dass es bei einigen Frauen nicht nötig wäre, die Bestrahlung durchzuführen, weil sie mit der OP im Bereich der Brust schon lokal geheilt worden wären. Aber die medikamentöse Therapie wäre zwingend nötig, weil – unbemerkt und nicht diagnostiziert – vor oder zum Zeitpunkt der OP schon Tumorzellen im Körper kleinste Metastasen gesetzt hätten. Genauso kann es umgekehrt sein: die Bestrahlung ist zwingend nötig, weil kleinste Zellen noch im Brustdrüsenkörper übriggeblieben sind, während keinerlei Zellen gestreut hätten und demnach eine medikamentöse Therapie überflüssig wäre. Möglicherweise war auch die OP die alleinig nötige Therapie und alles andere zusätzlich unnötig und gleichbedeutend damit, dass die Patientin einem unnötigen Nebenwirkungsrisiko ausgesetzt werden würde.
Also: eine Menge an Studien und Statistik im Hintergrund! Aber die einzelne Patientin oder den einzelnen Patienten kann ich statistisch nicht aufteilen. Und so versuche ich zu erklären, warum die Radiotherapie unter Abwägung von Nutzen und Risiken sinnvoll und nötig ist. Ich erkläre den Planungsprozess und nehme auch beispielhafte Fotos von Bestrahlungsplänen und Fotos des jeweiligen Bestrahlungsgerätes zur Hilfe. Ohren und Augen kriegen summarisch mehr mit.
Wir sprechen natürlich sehr ausführlich über mögliche Nebenwirkungen, die wir natürlich durch die Planung und die Mithilfe der Patientin oder des Patienten möglichst verhindern wollen! Die Patientin oder der Patient ist immer dabei – sie er muss mithelfen. Wir stehen auf derselben Seite!
Bei der Google-Suche stieß ich auf verschiedene Artikel, in denen davon berichtet wird, dass am Klinikum in Villingen „modernste Geräte“ stehen und dass dort ein „hochmoderner Kampf gegen Tumore“ geführt wird. Dabei las ich vom „Cyber Knife M6“. Was ist denn das?
Das CyberKnife ist ebenfalls ein Linearbeschleuniger, der für die sogenannte robotergeführte Stereotaxie genutzt wird. Das Cyberknife bewegt sich über einen Roboterarm, der letztlich aus der Autoindustrie kommt. Es bewegt sich – anders als ein natürlich ebenfalls moderner – Linearbeschleuniger nicht im Kreis um den Patienten herum, sondern auf einer nahezu kugelförmigen Umlaufbahn. Das CyberKnife hat somit unzählig viel mehr Freiheitsgrade und ist damit bestens geeignet, sehr kleine, in der Diagnostik klar darzustellende Tumoren zu bestrahlen.
Der Ablauf der Planung und die Bestrahlung an sich sind für den Patienten kaum unterschiedlich. Allerdings nutzt man in der Stereotaxie typischerweise sehr hohen Einzeldosen und bestrahlt in nur 1-5 Fraktionen. Die einzelne Fraktion kann aber auch schon mal – statt wie beim Linearbeschleuniger wenige Minuten – bis zu 30-60 Minuten dauern.
Es wird bei speziellen Indikationen eingesetzt. Das sind z.B. kleinste Metastasen im Gehirn sein, die anders als früher eben nicht operiert werden müssen (gleiche Effektivität, aber mehr Risiken), sondern dann stereotaktisch in 1-3 Bestrahlungsfraktionen behandelt werden. Die kleinste Metastase, die wir bisher bestrahlt haben, war eine 2 mm große Metastase im Gehirn, die zu Sprachstörungen geführt hatte. Hier geht es um Genauigkeit im Submillimeterbereich, die wir mit dem bloßen Auge kaum noch erkennen können. Das wäre an einem „normalen“ Linearbeschleuniger und schon gar nicht mit einer OP möglich.
Aber auch kleine Lungentumoren kann man mit dem CyberKnife bestrahlen. Das ist z.B. dann wichtig, wenn die Lungenfunktion für eine Operation zu schlecht wäre. Das Tolle hierbei ist, dass das CyberKnife in der Lage ist, die Atembewegung – also auch die Bewegung des sich mit der Atmung bewegenden Tumors – identisch nachzuvollziehen. Gesundes Lungengewebe kann so hervorragend geschont werden. Vermutlich sind die Ergebnisse der Stereotaxie identisch gut wie nach einer Operation und dazu sicher nebenwirkungsärmer – bisher ist das allerdings noch nicht abschließend bewiesen.
Andere Beispiele sind Metastasen in Lunge, Leber, in Lymphknoten und/oder Knochen, primäre bösartige Tumoren in der Leber und in der Prostata sowie einige gutartige Tumoren im Gehirn, die man unter bestimmten Voraussetzungen stereotaktisch bestrahlen kann. Wichtig ist die interdisziplinäre Absprache! Es steht zu erwarten, dass die – zudem recht nebenwirkungsarme – Stereotaxie immer weiter in den Vordergrund rücken wird.
Noch ein Letztes dazu: Problematisch ist bei manchen Kassen die Abrechnungsmöglichkeit des CyberKnifes. Zum Glück sind es nur noch wenige Kassen, die ihren Kundinnen und Kunden/Patientinnen und Patienten eine sinnvolle und nebenwirkungsarme Therapie verwehren! Zudem ist die Stereotaxie inzwischen schon in vielen Leitlinien als relevante oder alternative oder gar als beste Therapieoption verankert. Und ansonsten kümmern wir uns ohnehin um die Beantragung bei den Kassen – das muss die Patientin oder der Patient nicht machen.
Bei der Google-Suche stieß ich auf verschiedene Artikel, in denen davon berichtet wird, dass am Klinikum in Villingen „modernste Geräte“ stehen und dass dort ein „hochmoderner Kampf gegen Tumore“ geführt wird. Dabei las ich vom „Cyber Knife M6“. Was ist denn das?
Das CyberKnife ist ebenfalls ein Linearbeschleuniger, der für die sogenannte robotergeführte Stereotaxie genutzt wird. Das Cyberknife bewegt sich über einen Roboterarm, der letztlich aus der Autoindustrie kommt. Es bewegt sich – anders als ein natürlich ebenfalls moderner – Linearbeschleuniger nicht im Kreis um den Patienten herum, sondern auf einer nahezu kugelförmigen Umlaufbahn. Das CyberKnife hat somit unzählig viel mehr Freiheitsgrade und ist damit bestens geeignet, sehr kleine, in der Diagnostik klar darzustellende Tumoren zu bestrahlen.
Der Ablauf der Planung und die Bestrahlung an sich sind für den Patienten kaum unterschiedlich. Allerdings nutzt man in der Stereotaxie typischerweise sehr hohen Einzeldosen und bestrahlt in nur 1-5 Fraktionen. Die einzelne Fraktion kann aber auch schon mal – statt wie beim Linearbeschleuniger wenige Minuten – bis zu 30-60 Minuten dauern.
Es wird bei speziellen Indikationen eingesetzt. Das sind z.B. kleinste Metastasen im Gehirn sein, die anders als früher eben nicht operiert werden müssen (gleiche Effektivität, aber mehr Risiken), sondern dann stereotaktisch in 1-3 Bestrahlungsfraktionen behandelt werden. Die kleinste Metastase, die wir bisher bestrahlt haben, war eine 2 mm große Metastase im Gehirn, die zu Sprachstörungen geführt hatte. Hier geht es um Genauigkeit im Submillimeterbereich, die wir mit dem bloßen Auge kaum noch erkennen können. Das wäre an einem „normalen“ Linearbeschleuniger und schon gar nicht mit einer OP möglich.
Aber auch kleine Lungentumoren kann man mit dem CyberKnife bestrahlen. Das ist z.B. dann wichtig, wenn die Lungenfunktion für eine Operation zu schlecht wäre. Das Tolle hierbei ist, dass das CyberKnife in der Lage ist, die Atembewegung – also auch die Bewegung des sich mit der Atmung bewegenden Tumors – identisch nachzuvollziehen. Gesundes Lungengewebe kann so hervorragend geschont werden. Vermutlich sind die Ergebnisse der Stereotaxie identisch gut wie nach einer Operation und dazu sicher nebenwirkungsärmer – bisher ist das allerdings noch nicht abschließend bewiesen.
Andere Beispiele sind Metastasen in Lunge, Leber, in Lymphknoten und/oder Knochen, primäre bösartige Tumoren in der Leber und in der Prostata sowie einige gutartige Tumoren im Gehirn, die man unter bestimmten Voraussetzungen stereotaktisch bestrahlen kann. Wichtig ist die interdisziplinäre Absprache! Es steht zu erwarten, dass die – zudem recht nebenwirkungsarme – Stereotaxie immer weiter in den Vordergrund rücken wird.
Noch ein Letztes dazu: Problematisch ist bei manchen Kassen die Abrechnungsmöglichkeit des CyberKnifes. Zum Glück sind es nur noch wenige Kassen, die ihren Kundinnen und Kunden/Patientinnen und Patienten eine sinnvolle und nebenwirkungsarme Therapie verwehren! Zudem ist die Stereotaxie inzwischen schon in vielen Leitlinien als relevante oder alternative oder gar als beste Therapieoption verankert. Und ansonsten kümmern wir uns ohnehin um die Beantragung bei den Kassen – das muss die Patientin oder der Patient nicht machen.
Lieber Herr Prof. Dr. Mose, über meine Erfahrungen bei Ihnen in der Klinik habe ich einen Blogtext geschrieben. Nachdem Sie ihn gelesen hatten, baten Sie mich zu einem Gespräch und wir mailten dazu. Damals wie heute zolle ich Ihnen meinen vollsten Respekt dafür, dass Sie sich extra die Zeit genommen haben. Das hat mir gezeigt, mit wie viel Herzblut Sie am Werk sind. Der Slogan „Moderne Technik – fürsorgliche Behandlung: Beides ist uns wichtig.“, der bei Ihnen auf der Homepage steht ist definitiv keine Floskel, sondern absolut zutreffend.
Vielen Dank an Sie und Ihr gesamtes Team für Ihre Behandlung, für den Austausch und für das Gefühl, ernst genommen und gesehen zu werden!
Linktipps:
Kurzfilm über die Strahlenklinik am Schwarzwald-Baar-Klinikum: https://www.youtube.com/watch?v=PE4XsEab9yg
Vortrag von Herrn Prof. Dr. Mose zur Bestrahlung bei Tumoren in der Speiseröhre:
https://www.youtube.com/watch?v=S0vcx2euFQM
Broschüre „Strahlen fürs Leben“ der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO)
Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”:
https://www.influcancer.com/blog/interview-projekt-annette-fragt/