Erleichterung vs. Belastung
Krebs als Mama
Als ich meine Diagnose bekam war mein Sohn 3 1/2. Als nicht mehr ganz, ganz kleiner Zwerg war er glücklicherweise nicht mehr ganz so abhängig von mir als Mama und unsere Bindung war schon gut gefestigt. Papa und die Großeltern konnten eigentlich alle Sachen genauso gut übernehmen. Andererseits war er aber eben auch nicht alt genug, um tatsächlich zu verstehen, was gerade los war. Trotzdem hat er natürlich mitbekommen, dass etwas nicht stimmte.
Ich habe viel gelesen, wie man Kindern schonend beibringt, dass Mama schwer krank ist. Wichtig war immer: ehrlich sein, Kind mit einbeziehen und Fragen beantworten, aber Themen kindgerecht verpacken und Worte sehr bewusst wählen.
Die erste große Trennung (Krankenhaus – und später 3 Wochen Reha, ohne Besuch wegen Corona) habe ich gut vorbereitet. Am Wichtigsten war dabei der “Mama-Koffer”. Die Inspiration hatte ich aus dem Buch: ” Ein Koffer voller Mama-Momente “ von Anja Freudiger. Das war ein kleines rotes Köfferchen in dem ein Foto von mir, ein T-shirt, ein selbstbespielter Gute-Nacht-Geschichten-Tonie mit meiner Stimme drauf und – am wichtigsten – eine Packung Bonbons drin waren. Immer wenn er mich doll vermissen würde, durfte er sich ein Bonbon raus nehmen.
Am Tag vor der OP ging es dann los in die Klinik. Ich hab mich verabschiedet, der Kleine saß mit seinem Köfferchen auf der Couch. Noch bevor ich aus der Tür raus war, hörte ich ihn dann laut rufen: “Ist Mama jetzt weg? Ich will mein erstes Bonbon essen!”:)
Die folgenden 2 Jahre hatten dann ganz unterschiedliche Herausforderungen. Unter anderem musste mein Sohn lernen, dass ich nicht unbedingt für ihn verfügbar war, auch wenn ich physisch anwesend war. “Mama ist müde und muss sich ausruhen” war der wahrscheinlich am häufigsten benutzte Satz. Der mir auch schwer zu schaffen gemacht hat, weil ich ja wollte.. aber nicht konnte. Auch dass mein Mann unglaublich viele Extras übernehmen und “den Laden alleine am Laufen halten” musste war nicht zu unterschätzen.
Jetzt, 3 Jahre später, geht es uns gut. Ich sehe ein starkes, selbstbewusstes Kind, das keine Schäden von der schweren Zeit mit mir davon getragen hat. Wer weiss, vielleicht hat ihn die Zeit sogar ein bisschen empathischer werden lassen, weil er gesehen hat, dass eben nicht immer alles perfekt und gesund ist.
Und Ich weiss inzwischen die ein oder andere stressige Situation im Mama-Alltag gelassener zu nehmen. Wenn ich zum Beispiel ungeduldig werde, weil mein Sohn immer noch nicht eingeschlafen ist, erinner ich mich daran, dass mein allergrößter Wunsch, als ich die Diagnose erhalten hab, war: ich will mein Kind aufwachsen sehen! Dann werd ich mir ganz schnell bewusst, dass nicht das Fernsehprogramm um 20:15 das Wichtige ist, sondern genau diese Momente: zusammen gekuschelt im Dunkeln liegen und leise über den Tag flüstern.