Erleichterung vs. Belastung
Heitere Nachsorge-Erlebnisse – NOT!
Über die Nachsorge von Krebspatienten in Corona-Zeiten könnte man ganze Bücher schreiben. Denn so sehr sich das Gesundheitssystem wohl auch bemüht, den Herausforderungen dieser Pandemie und des Jahres 2020 gerecht zu werden: so ganz will es ihm nicht gelingen. Mein für März vereinbarter Termin im Krankenhaus zur Blutabnahme wurde ersatzlos gestrichen. Auf meine Frage, wann denn ein neuerlicher möglich sei, wurde ich auf unbestimmte Zeit vertröstet, was kein gutes Gefühl bei mir hinterlassen hat. Immerhin war die letzte Kontrolle 6 Monate her, und es war Teil der Nachsorge, die Blutwerte inklusive Tumormarker im Halbjahresrhythmus zu kontrollieren. Da mir auch das nahegelegene Labor einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, da sie zum damaligen Zeitpunkt nur „dringende“ Fälle nehmen konnten, war ich auf mich selbst gestellt. War ich nach einem Tumor, einer Chemotherapie, einer Krebserkrankung plötzlich nicht mehr wichtig? Eben kein „dringender“ Fall? Ich fand jedenfalls auf Eigeninitiative einen Arzt, der meine Sicht zur Nachsorge von Krebspatienten teilte und bereit war, mir Blut abzunehmen. Bereits am nächsten Tag informierte er mich telefonisch über die hervorragenden Blutwerte.
Ich habe meinem Krankenhaus dann per mail den Befund zukommen lassen – und wurde prompt für Ende Juni zu einem weiteren Nachsorgetermin eingeladen. Dass dann im Juni irgendwie keiner vor Ort wusste, warum ich plötzlich in der Ambulanz stand, weshalb ich keine Befunde dabei hatte und wir uns dann doch auf eine Blutabnahme und eine Terminvereinbarung zum CT im September einigen konnten, steht auf einer anderen Karte.
Der CT-Termin war also für 8.00 Uhr morgens angesetzt. Ich kam nüchtern um 7.40 Uhr in der Ambulanz an und – wartete. Um 9.30 Uhr wurde ich dann in das Arztzimmer bestellt, in dem mich ein Assistenzarzt freundlich begrüßte. Leider war es dann recht rasch vorbei mit den Freundlichkeiten, also vor allem von meiner Seite. Aber ich finde, dass darf dann auch sein, wenn es wieder einmal 3 Versuche braucht, um die passende Vene zu finden. Immerhin konnte der Kollege dann aushelfen und meine kleine blaue Freundin im linken Unterarm war bereit zur Mitarbeit. Ich merke allerdings, dass mein Nervenkostüm seit meiner Erkrankung nicht mehr so viel aushält wie früher einmal. Vor allem bei Krankenhausbesuchen. Mir liefen still und leise die Tränen herunter und ich kann nicht einmal genau sagen, warum. Vielleicht aber auch, weil mein Unterbewusstsein Bilder von 7 „Stech“-Versuchen bei der vorletzten Koloskopie hervorkramt oder von 9 verschiedenen Zugängen auf der Intensivstation. Man weiß es nicht…aber der Verdacht liegt nahe, dass mein (Unter)-Bewusstsein auf Reisen geht und ganz schnell die ganz blöden Erlebnisse parat hat. Nach erfolgreichem 3. Versuch begab ich mich innerlich schon mal auf die Radiologie. In der realen Welt erfolgte dieser Schritt allerdings erst über 2,5 Stunden später. Ich bin meistens eine sehr freundliche und umsichtige Patientin. Nach mittlerweile 18 Stunden ohne Essen und Trinken, der verwurschtelten Stech-Geschichte und der Warterei war ich nur noch still und einsilbig. Immerhin habe ich dem Krankenhauspersonal diesmal nicht erklärt, wie es seinen Job zu machen hätte. Also eine Win-Win-Situation für uns alle! Endlich liegend beim CT war ich meinem persönlichen Finale schon ganz nah. Denkste. Denn nach dem „Wir spülen jetzt mal die Nadel“ folgte ein Geschrei meinerseits, das in der gesamten Radiologie widerhallte. Ich dachte, man würde mir meinen Arm bei lebendigen Leibe abhaken, so ein plötzlicher Schmerz durchfuhr mich. Ja, ich habe bisher jedes CT gut vertragen. Nein, so etwas habe ich noch nie erlebt. Man äußerte die Vermutung, dass die Spülung zu schnell verabreicht worden war und der Schlauch zu nah am Venenrand gelegen hatte. Wie auch immer. Mit meiner mentalen Stärke war es dann vorbei. Ich weinte und schluchzte und konnte mich während der Untersuchung grade noch so zusammenreißen. Danach wurde ich unter etlichen Entschuldigungsbekundungen nach oben in die Ambulanz geschickt. Dort stand ich dann wie ein Häufchen Elend, unfähig auch nur irgendwie mit der Leitstelle Kontakt aufzunehmen. Doch niemand reagierte. Eine der jungen Schwestern stand dann plötzlich vor mir um mich zu fragen, ob es mir denn nicht so gut gehe. Ähm, nein, war schon mal besser, denn für gewöhnlich stehe ich nicht in mich selbst zusammengesunken in der Mitte einer Ambulanz, leise weinend und völlig desorientiert. Also die Patienten-Kommunikations-Fortbildung hatte diese junge Dame wohl verschlafen. Zum Glück kam dann rasch eine mir bekannte Schwester vorbei, die mich wie ein 3-jähriges Mädchen am Kopf streichelte und mit mitfühlenden Worten beruhigte.
Der Befund ist in Ordnung, also Grund zum Feiern – zumindest nach dieser Kontrolluntersuchung. Ich hoffe sehr, dass dieser Tag einmalig auf meiner Nachsorge-Untersuchungsliste bleiben wird und es anderen Patienten besser ergeht. Ein bis 2 Stunden Wartezeit nimmt man ja durchaus in Kauf, aber 4,5 Stunden ohne Versorgung und dann auch noch mit solch verstörenden Erlebnissen beim CT und danach sind wahrlich eine Zumutung. Warum und wieso mein Nervenkostüm in Situationen wie diesen einfach nicht mehr so mitspielt wie vor meiner Erkrankung und warum sich die Powerfrau in mir dann ganz schnell zu einem kleinen Mädchen zurückentwickelt, diesen Überlegungen werde ich demnächst auf den Grund gehen….