Erleichterung vs. Belastung
Glücksmomente auf meiner Krebsreise
Eine Krebsreise ist kein Kurzurlaub und auch sechs Wochen Sommerferien sind dafür noch zu kurz. Sie ist leider kein Pauschalurlaub oder ein relaxter Mädelstrip. Sie gleicht vielmehr einer Backpackertour in viele verschiedene Länder, die du allein und nur mit Ticket für den Hinflug antrittst.
Auf der Reise wirst du durch so manches Tal gehen, wirst die ein oder andere Durststrecke und bestimmt auch Grenzerfahrungen machen. Vielleicht gefällt es dir nicht an jedem Ort, den du besuchst. Vielleicht schmeckt dir nicht jedes Gericht, das du probierst. Vielleicht begegnest du unsympathischen Menschen oder schläfst in harten Betten.
Dennoch kann es auf deiner Krebsreise auch einen Touch Wellness, einen Hauch Entspannung, einen Geschmack von Fünf-Sterne-Küche geben und du ganz wunderbare Zusammenkünfte mit anderen Menschen erleben.
Ich habe überlegt, welche guten, welche glücklichen, welche kraftspendenden und einfach schönen Momente oder auch Geschenke ich auf meiner Krebsreise schon erfahren oder bekomme durfte. Diese möchte ich heute mit dir Leserin, mit dir Leser teilen. Es sind per se vielleicht manchmal keine spektakulären Momente. Aber oftmals ist es ja gerade das ganz kleine Erlebnis auf einer Reise – das Eis, das man vorm Eiffelturm gegessen hat oder die Seife im Hotel, die so herrlich duftete – das einen glücklich und zufrieden macht und von dem man hinterher erzählt.
Vielleicht zaubern meine persönlichen Glücksmomente auch dir ein kleines Lächeln ins Gesicht in deinem eigenen Krebs-Schlamassel. Ich würde mich sehr freuen! Und vielleicht regen Sie dich als Nicht-Krebslerin oder Nicht-Krebsler dazu an, einem Menschen in deiner Familie oder er deinem Umfeld eine Freude zu machen? Denn Krebsbetroffene benötigen immer wieder jemanden oder etwas zum Anlehnen. Und wenn das der Pandemie geschuldet durch Livekontakte aktuell leider nicht möglich ist, so gibt es dennoch zig Möglichkeiten, uns etwas Gutes zu tun und für einen kurzen oder vielleicht auch etwas längeren Moment glücklich zu machen. So wird die düstere-krebsige Welt für einen Moment heller.
Begleite mich heute ein Stück auf meiner Krebsreise und erfahre mehr über meine Glücksmomente.
- Meine Glücks-Kartoffel
In der Woche nach meiner Diagnose fand ich eine herzförmige Kartoffel in unserer Gemüsekiste. Abergläubisch oder nicht? Für mich war es ein Zeichen von irgendwoher, dass ich das schaffen werde, dass Liebe und Glück mich begleiten werden.
- Die „Ab-und-zu-Karte“
Sie kommt immer mal wieder per Post. Meist steht vorne ein schöner Spruch darauf und hinten hat eine liebe Freundin ein paar liebe Zeilen für mich geschrieben. Ich stelle diese Karten bei uns auf die Kommode im Wohnbereich und beim Vorbeilaufen erfreuen sie mich immer wieder aufs Neue.
- Eine Kerze im Fenster
Es ist ein schöner Gedanke zu wissen, dass irgendwo jemand eine Kerze für mich anzündet und an mich denkt. Manchmal erreicht mich ein Foto davon, manchmal spüre ich die Wärme und den Kerzenduft auch einfach so. Hab vielen Dank, Schwesterherz und danke auch an alle anderen, in deren Fenster schon ein Lichtlein für mich brannte.
- Good-Handy-Vibes
Wie schön ist doch eine kurze WhatsApps am Morgen. Darin steht nur eine kurze Message à la „Ich wünsche dir einen schönen Tag.“; „Meine Liebe, was steht heute an?“ „Ich denke an dich.“ oder auch “Runter vom Sofa, raus an die frische Luft!” und doch gibt sie mir so herrlich viel.
- Theatralik vor jeder Chemotherapie
Es ist so wunderbar, dass der Göttergatte und meine drei Goldschätze (Ein paar wenige Male waren es nur zwei, weil eines tatsächlich Präsenzunterricht hatte.) mich bisher zu jeder Chemotherapiesitzung ganz feierlich jedes Mal an der Tür verabschiedet haben. Das ist in der Regel nicht der Fall, wenn ich hier das Haus für einen Termine verlasse. Auch per WhatsApp gibt es an diesen Tagen immer viele Aufmunterungsnachrichten von Verwandten und Familie. Das tut einfach gut.
- Nachrichten aus der Vergangenheit
Seitdem ich Krebs habe, meldeten sich plötzlich per Mail ein paar alte Schulkameradinnen oder –kameraden, schickten mir ehemalige Schülerinnen oder Schüler eine Nachricht oder ich bekam einen handgeschriebenen Brief deiner ehemals besten Grundschulfreundin, die es nach China verschlagen sind. Das waren wunderbare Momente.
- Blumengrüße vor der Tür
Nach Hause kommen und vor der Tür einen Blumenstrauß oder eine Packung Pralinen vorfinden. Das bringt Gänsehaut.
- Obstlieferung
Himbeeren und Blaubeeren schützen (angeblich) vor Krebs. Deshalb belieferte mich meine Schwester via Postpaket damit, als ich an einem Tag in einem Nebensatz mal erwähnt hatte, dass ich bei uns im Supermarkt keine dieser Früchte mehr bekommen hätte.
- Gratis-Wellness-Zeit
Meine Fußpflegerin schrieb mir, nachdem sie erfahren hatte, dass ich Krebs hatte: „Meld dich wann du möchtest und komm zur Fußpflege vorbei.“ Für Leute, die eine Chemotherapie machen und geschundene Füße machen, kann es nichts Schöneres geben.
- Der erste Kaffee nach der Chemo
Das Gefühl der Tasse in der Hand, der Geschmack des (zwar noch milchigeren, aber dennoch leckeren) Kaffees im Moment, wenn ich nach mehreren Tagen, an denen ich ihn nicht ertragen konnte, ist unbeschreiblich.
- Schutzengel-Versammlung
Ich bin nicht besonders religiös. Aber ich weiß, dass irgendwo da oben im Universum jemand oder etwas ist, das das alles hier zusammenhält. Und Engel sind da auf jeden Fall am Start. Davon bin ich überzeugt. Deshalb stehen sämtliche Schutzengel, die ich seit Beginn meiner Krebsreise geschenkt bekommen habe, auf meinem Nachttisch. Es gibt ein gutes, beschützendes Gefühl.
- Überlebenspaket
Wegen Corona ist kein Großelternbesuch möglich ist. Dennoch müssen meine Kinder nicht auf Omas Spätzle, Flädle für die Suppe, Kuchen oder Weihnachtsplätzchen verzichten. Die kommen einfach ab und zu per Post. Kinder glücklich und der krebsigen Mutter bringt es unfassbar schnell Erleichterung im Alltag, weil das Essen quasi schon fertig ist. Danke Mama!
- Natur pur
Ich wohne im schönen Schwarzwald und habe das Glück, pure Natur vor dem Haus zu haben. Diese habe ich schon immer beim Joggen, Radfahren usw. genossen. Seit ich Krebs habe, schätze ich dieses Naturglück noch viel, viel mehr. Ich gehe bewusster hinaus. Ich betrachte den Ausblick von unserer Terrasse aus mit höchster Wertschätzung. Welt, du bist so herrlich! So schnell wirst du mich nicht los.
- Auf Konventionen pfeifen
Toll ist, wenn sich die Mutter einer deiner Schülerinnen oder deines Schülers nach deiner Diagnose nicht verstummt, weil du nicht mehr zur Schule kommst, sondern sich bei dir nach deinem Befinden erkundigt und das dann im Laufe der Zeit immer wieder tut. Ich durfte und darf diese Herzenswärme sogar mehrfach spüren. So ist eine freundschaftliche Verbundenheit zu ein paar Schülermüttern entstanden. Schnell habe ich Ihnen das “Du” angeboten, weil mir solcherlei Förmlichkeiten im Moment wahrlich egal sind.
- Mitbringsel aus dem Supermarkt
Genial ist, wenn die Nachbarin dir eine WhatsApp schickt und dich fragt, ob sie etwas für dich einkaufen soll. Und wenn sie dann zwischen die bestellten Sachen noch eine Packung lila Schokoherzen packt, ist das Genialität in Höchstform.
- Gutschein-Büchlein
Von zwei guten Freundinnen erhielten der Göttergatte und ich ein Büchlein mit verschiedenen Gutscheinen, die den Alltag entstressen. Von „Pausenbrote schmieren“, über „Schnee schippen“ bis zu „Fahrdienste erledigen“ war da sehr viel Handfestes, Brauchbares dabei. Toll, dass es euch gibt!
- Röhrchen voller guter Wünsche
Völlig geflasht war ich, als ich von den Schülerinnen und Schülern der Schule, an der ich arbeite, einen großen Korb erhielt. Darin enthalten war von jedem Kind ein Glasröhrchen, da es ganz individuell gestaltet hatte. Eines enthielt Konfetti, ein anderes Smarties, in einem anderen steckten Blumensamen oder Badesalz und viele weitere herrlich kreative Grüße fand ich. Außerdem war in jedem ein kurzes Briefchen oder ein Gedicht oder ein Bild. Teilweise hatten auch die Eltern etwas notiert. Dieser Korb ist so wundervoll. Ich ziehe immer wieder ein Röhrchen heraus und widme mich der Glücksbotschaft eines Kindes. Jedes Mal Freude pur.
- Ein Adventskalender mit Tiefgang
Die letzte Adventszeit brachte nicht nur meinen Kindern jeden Morgen eine kalenderartige Überraschung. Nein, meine Schwester hatte sich doch tatsächlich die Mühe gemacht und mir einen Adventskalender gebastelt. Darin enthalten war neben Schokolade jeden Tag ein rotes Herz mit einem Kraftspruch. Das war 24 X Liebe, Wärme und Kraftspende pur.
- Winterwunderland
Der letzte Winter war schneereich, der letzte Winter war lang, der letzte Winter war wunderschön. Ich danke dem im Universum fürs Wetter Zuständigen für die herrlichen Wochen, in denen meine Kinder täglich glücklich, zufrieden und rotbackig von draußen hereinkamen und ich chemo-vernebelt vom Sofa aus einen herrlichen Ausblick hatte.
- Ein Licht leuchtet für mich
Als ich in der Klinik war, zündete eine gute Bekannte eine Kerze in einer Kapelle für mich an. Diese hatte sie nach ihrer überwunden Krebserkrankung erbauen lassen und sie wird seither von ihr instand gehalten. Welch Ehre und Glücksgefühl, dass dort auch eine Kerze für mich brennen durfte. Auch jetzt erhalte ich immer wieder ein Foto von einer Kerze, die bei jemandem für mich leuchtet. Es ist ein schöner Gedanke zu wissen, dass irgendwo jemand eine Kerze für mich anzündet und an mich denkt. Ich spüre die Wärme und den Kerzenduft auch virtuell. Hab vielen Dank, Schwesterherz und danke auch an alle anderen, in deren Fenster schon ein Lichtlein für mich brannte.
- Welcome back
Als ich von meiner Tumoroperation nach Hause kam, erwartete mich ein geschmücktes Haus mit Willkommens-Girlande an der Fassade, Willkommens-Luftballons an der Tür und einem schön gedeckten Tisch im Haus. Das war genug Entschädigung für die coronabedingten fünf langen Krankenhaustage ohne meine Lieben.
- Symbolische Geschenke
Ich habe verschiedene Dinge bekommen, die mir als Ansporn dienen, mich auf die Zeit zu freuen, die mir nach meinem Abstecher ins Krebsuniversum bevorsteht. Der Göttergatte überraschte mich mit einem Fahrradhelm als Zeichen für viele gemeinsame Radtouren, die noch auf uns warten. Außerdem bekam ich eine wunderschöne, roségoldende Brustkrebsschleifenkette in respektvoller Anerkennung für das Aushalten der Sperenzchen hier. Ich bekam eine Pulsuhr fürs überwachte Hometrainer-Radelabenteuer. Meine Schwester schenkte mir die Skulptur eines Radfahres, der Serpentinen hinauffährt. Superpassend zum bewegten Weg durch meinen Krebs mit dem Ziel, den Berg zu erklimmen. Genial ist auch der „Goldene Schnatz“ in Schokoladenkugelform, den ich – so die Ansage auf der beiligenden Karte – erst bekommen, sprich essen darf, wenn ich am Ende der Krebsreise angekommen bin. Toll!
- Fingerabdruck
Jede Schülerin und jeder Schüler hat sich per Fingerabdruck auf einem großen Bild verewigt. Weil ich weiß, dass jeder dieses Bild angefasst hat, sind sie mir irgendwie körperlich nah, auch wenn ich der Schule noch eine Weile fernbleiben muss. Das Bild hat einen Ehrenplatz in unserem Haus.
- Chemo-Helferlein
Besonders toll ist es, wenn du als Krebspatientin Dinge geschenkt bekommst, die dir zeigen, dass dein Gegenüber weiß, welche Chemo-Zipperlein dich gerade plagen. So ist eine Handcreme für deine supertrockenen Hände perfekt- Steht dann auch noch „Immer an deiner Seite“ darauf und kommt sie von einem Naturkosmetikhersteller, dann ist sie wahrlich perfekt (Handcreme „Immer an deiner Seite“ von laVida). Super sind auch Lutschbonbons oder ein Lippenpflegestift. Nicht zu vergessen: Tees mit Botschaft („Hol dir Kraft!“ von Teekanne) oder der einer Bekannten, die selbst an Krebs erkrankt war und mir ihren damaligen Lieblingstee vorbeibrachte. Super ist auch eine kleingeschnittene Ananas oder ein schokoladiger Kalorienspender. Und wirklich unschlagbar war die Ananas-Zahncreme, die hier in einem kleinen Päckchen ankam.
- Grüße aus der Backstube
Nach der OP war ich noch etwas armlahm (der Lymphknotenentfernug wegen) und wollte dennoch die adventlich-gute Mutter spielen. Eine Freundin spendierte eine Ladung Mürbteig und so konnten meine Kinder und ich dennoch Weihnachtsbäcker aktiv werden. Zum Geburtstagsfest meines Teeniemädchens ereilte mich ein ähnliches Back-Glück: Ihre drei besten Freundinnen boten mir an, einen Kuchen zu backen. Der Himbeer-Glücksmoment war perfekt.
- Am normalen Leben teilhaben lassen
Viele meinen, weil wir Krebspatienten gerade vom Schicksal gebeutelt sind, interessieren wir uns nicht für eure Alltagserlebnisse. Das ist vielleicht zeitweise so, weil der Kopf so voll Sorge oder Wut ist oder weil die Chemo-Nebenwirkungen einen gerade im Griff haben. Grundsätzlich ist es aber herrlich erfrischend zu erfahren, was ihr zu Mittag kocht, welche Probleme euer pubertierender Sohn macht, wie eure neuesten Schuhe aussehen oder welche Netflix-Serie ihr gerade anschaut. Das ist Leben pur! Füttert mich damit.
Fredericks Gedankenspeicher
Kennt ihr die Geschichte von Frederick, der Maus die im Herbst anstatt nussige Vorräte zu sammeln lieber bunte Farben und Worte einpackt? Diese wärmen ihn und seine lieben Mitmäuse, als sie im Winter in ihrer Höhle sitzen. Ich habe mir einen solchen Gedankenspeicher angelegt, in dem ich alle der oben geschilderten Glücksmomente abspeichere. Wenn es mir mal wieder richtig mies geht, dann hole ich mir einen oder zwei davon heraus und ganz schnell spüre ich etwas Wärme und neue Kraft in mir. Manche der Momente sind ja tatsächlich fassbar, da live vorhanden. Es tut gut, sie in die Hand zu nehmen oder zu betrachten. Und jede WhatsApp, jede Karte, jede Email und jeder Brief, die oder der mich erreicht, wird mehr-, mehr-, mehrmals gelesen.
Ich möchte mich an dieser Stelle herzlich bei allen bedanken, die mich auf meiner Krebsreise begleiten und mir schon so viele Glücksmomente beschert haben. Leider steht der Rückreisetag noch nicht in Bälde bevor. Deshalb freue ich mich, wenn ihr mir auch zukünftig wärmendes Glück zukommen lasst.