Erleichterung vs. Belastung
Die Wanderköchin mit Herz kocht für KrebspatientInnen
“Widme dich der Liebe und dem Kochen mit ganzem Herzen!” – Fortsetzung
Wie gesagt, wenn ein geliebter Mensch an Krebs erkrankt ist es für Angehörige bzw. FreundInnen oft eine große Herausforderung, in Kontakt zu bleiben. Zu viel ändert sich von einem Tag auf den anderen, alles, was zuvor selbstverständlich war wird plötzlich schwierig, unmöglich oder zumindest herausfordernd.
Als ich begann, über das Kochen Kontakt zu einer erkrankten Freundin aufzubauen war es vor allem die Änderung des Blickwinkels, was uns voran brachte:
“Was kann ich für dich tun?” fragte ich sie bei meinem 1. Besuch im Spital nach einer sehr langwierigen, lebensgefährlichen Operation, der einige beschwerliche Chemotherapien vorausgegangen waren. Keine Antwort von ihr. “Wie geht es dir mit dem Essen?” insistierte ich weiter. “Schlecht. Ich behalte nichts bei mir, und das seit Wochen, eigentlich Monaten. Das Essen im Krankenhaus schon gar nicht.” “Kann ich etwas für dich kochen?” “Ich wüsste nicht was, habe auf nichts Gusto…” Ich ließ nicht locker: “Fleisch, vegetarisch, fest, breiig, flüssig?” “Kein Fleisch!” “Dann Gemüse. Welches?” “Keine Ahnung.” “Karotten?” “Oh Gott, nur das nicht!” “Kartoffel?” “Hm, ja – vielleicht. Aber bitte kein Kartoffelpüree – kann das schon nicht mehr sehen geschweige denn essen!” “O.K., dann als Suppe? Darf ein bisserl Frühlingszwiebel hinein, ganz wenig?” “Ja, aber nur ganz wenig.” “Muskatnuss? Thymian?….”
Und so tasteten wir uns heran. Nicht ich beriet sie, was sie essen sollte, sondern sie gab mir vor, was ich kochen dürfte, welche Kräuter sie gar nicht riechen konnte, welche O.K. wären, ob Kümmel, Muskatnuss oder ein bisserl Chili usw. Die so gemeinsam kreierte Suppe war das erste, das sie seit Wochen bei sich behalten konnte. Dieser geänderter Blickwinkel brachte den Durchbruch. Und wir hatten ein gemeinsames Thema, bei dem ich ihr helfen konnte. Je nach Stadium der Krankheit einmal mehr, einmal weniger – aber immerhin. Natürlich gab es Phasen, in denen sie gar nichts essen konnte – oder fast nichts. Dann brachte ich ihr einen Pudding, und wir saßen zusammen an einem Tisch und aßen ihn gemeinsam. Dabei plauderten wir, ich erzählte ihr von meinen Neuigkeiten, und sie nahm die Ablenkung dankbar an.
So begleitete ich sie ein halbes Jahr lang und bekochte sie 1 – 2 Mal/Woche. Dann gesellte sich eine weitere Freundin dazu, die mich unterstützte, dann noch eine, und bald kochten wir zu viert abwechselnd für sie. Für alle war es dieses Kochen und das gemeinsame Essen, das die Berührungsängste vertrieb und den sozialen Kontakt ermöglichte. Und für unsere betroffene, gemeinsame Freundin war es oft die einzige warme Mahlzeit (oder zumindest ein paar Löffel davon), die sie täglich zu sich nahm. Was das mit uns machte, und was es für sie bedeutete UND was das alles mit Knoblauch zu tun hat erzähle ich euch nächste Woche!
Birgit Indra
Wanderköchin mit Herz
hallo@wanderkoechin.at
fb und IG wanderkoechinmitherz