Erleichterung vs. Belastung
Die Wanderköchin, die Krebspatientin, ihr Freund und sein Partner
Osterzeit
Die Wanderköchin
…. wurde zum Stillsitzen gemaßregelt und fügt sich, nicht ganz ohne inneren Widerstand. Dabei schießen pausenlos Ermahnungen durch ihren Kopf: „Nütze die Zeit, denke positiv, mache das Beste daraus, vergleiche dich nicht mit Anderen, sei achtsam, behutsam, solidarisch und vor allem: Mach ja nicht den Mund auf und widersprich nicht. Wer denkt, erwidert und in Frage stellt wird zurechtgestutzt.“ Sie tut es trotzdem, denkt, spricht es aus und erntet verbale Hiebe. Eigentlich sollte sie doch ein schlechtes Gewissen gegenüber all jenen haben, die sich derzeit für die Anderen halb krank rackern! Stattdessen möchte sie am liebsten mit ihnen tauschen, etwas tun und mithelfen.
Die Krebspatientin
…. wurde zum Stillsitzen gemaßregelt und fügt sich, nicht ganz ohne Angst. Das Staging hat sie verschoben – zu gefährlich scheint ihr der Weg ins Spital. So sehr sie sich auch bemüht, das Positive an dieser ganzen Geschichte zu erkennen, es will ihr nicht gelingen. Das Leben steht still, ob es der Krebs auch so sieht und abwartet? Wohl eher nicht. Jeder Tag ist ein neuer Tag, einmal erwacht Panik in ihr, dann wieder scheint alles in Zeitlupe an ihr vorüber zu ziehen. Der Kirschbaum in Nachbars Garten beginnt zu blühen, jeden Morgen mehr und mehr und gibt ungeniert Zeugnis dafür ab, dass gar nichts still steht. Und den „Positive-Vibes-VersprüherInnen“ auf social media würde sie am liebsten ins Gesicht brüllen: Haltet doch einfach euren Mund!
Ihr Freund
…. wurde zum Stillsitzen gemaßregelt und fügt sich, nicht ganz ohne Zorn. Es war die Arbeit gewesen, die ihn in Bewegung hielt, um nicht zu viel nachdenken zu müssen. Er ging jeden Morgen hinaus, ließ seine Freundin zurück, um Geld zu verdienen und sich jeden Tag aufs Neue ein Nervengerüst zu basteln. Nur so, dachte er, könnte er überhaupt helfen ihrer Krankheit, die sie beide zu vernichten drohte, etwas entgegen zu setzen. Doch jetzt ist seine neue Aufgabe, zu Hause bei ihr zu sein. Und statt die Zeit mit ihr zu genießen, dankbar zu sein, sie bei sich zu haben, war er froh über jede Minute, die er sich davonschleichen konnte. Das machte ihn zornig, auf sich und auf diesen blöden Virus, der eine ganz neue Seite an ihm hervorbrachte.
Sein Partner
…. wurde zum Stillsitzen gemaßregelt und fügt sich, nicht ganz ohne Verzweiflung. Das bedeutet wohl den Gnadenstoß, denkt er, die endgültige Vernichtung seines Traumes. Vier Jahre lange Arbeit und Kampf, eine Hochschaubahn an guten und zuletzt leider eher schlechten Zeiten laufen vor seinem inneren Auge ab. Und all die klugen Bemerkungen der ach so intelligenten, geschäftstüchtigen, selbst ernannten Wirtschaftsprofis und UnternehmerInnen-Genies, die via Radio und Fernsehen besserwisserisch erklären, dass wackelige Geschäfte wie das seine ohnehin über kurz oder lang keinen Bestand gehabt hätten, vergrößern sein imaginäres Trümmerfeld jeden Tag noch ein bisschen mehr. Und mit seinem Freund und Geschäftspartner kann er schon gar nicht darüber reden – der hat ganz andere Sorgen derzeit.
Ich, die Wanderköchin, nütze also die Zeit für Kreativität, probiere neue Rezepte aus und mache (fast) alles, wofür ich sonst keine Zeit habe. Die Buchhaltung bleibt trotzdem liegen, und alles, was ich gerade „jetzt erst recht nicht“ machen will. Lieber koche ich, was das Zeug hält! Neben neuen kulinarischen Kreationen sind es vor allem die typisch österreichischen Gerichte, die mir in dieser Zeit in den Sinn kommen. Pinzen gehören für mich zu Ostern einfach dazu, und wenn der Duft des Germteiges durch die Räume zieht, dann denkt man unweigerlich an die schönen Zeiten. Alles wird gut, irgendwie wird immer alles wieder gut. Und bis dahin halte ich meinen Kopf über Wasser, koche, backe und übe mich in Geduld!
Osterpinze
Menge für ca. 8 Stück
500 g Weizenmehl glatt
150 g zimmerwarme Milch
1 Stk. Sternanis
Etwas geriebene Schale einer Bio-Zitrone
100 g zimmerwarmes Naturjoghurt
5 g Salz
40 g frische Germ
80 g zimmerwarme Butter
80 g Zucker
1 Ei
Eine Hand voll Rosinen in Rum eingelegt (wer Rosinen mag)
Ei mit Milch zum Bestreichen
Die Milch erwärmen und den Sternanis ca. 20 Minuten darin ziehen lassen und wieder herausgeben. Die Milch auf Zimmertemperatur abkühlen lassen. Alle Zutaten zu einem Germteig rühren (ca. 10 – 15 Minuten lang). Dann an einem warmen Ort mindestens 30 Minuten gehen lassen. Danach den Teig in 8 Teile aufteilen, Kugeln formen, mit einer Schere dreimal einschneiden und auf zwei mit Backpapier ausgelegte Backbleche legen. Noch einmal ca. 10 Minuten gehen lassen, mit der Ei-Milch-Mischung einstreichen und im vorgeheizten Backrohr bei 160 Grad Heißluft ca. 20 Minuten backen.
Gutes Gelingen, frohe Ostern und alles Liebe,
eure Wanderköchin mit Herz
Birgit Indra
fb und IG wanderkoechinmitherz.at