Erleichterung vs. Belastung
Die Haare sind wieder da und alles ist gut? Von Chemo-Nachwehen und Anschlusstherapien
Einkaufen, Haushalt, Kinder, in Teilzeit wieder zurück in der Schule gehen, die ersten Autorinnen-Aufträge erledigt und bei meiner Friseurin war ich auch schon mehrfach. Das hört sich doch eigentlich nach einem ganz alltäglichen Leben an, oder? Einerseits schon, andererseits treffen treffen die Adjektive „gesund“ und „normal“ doch noch nicht so ganz auf mein aktuelles Leben zu. Immerhin erhalte ich alle drei Wochen eine Antikörper-Infusion, schlucke täglich eine Krebs-Tablette und nehme diverse medizinische Tröpfchen und Kügelchen zu mir. In diesem Blogtext geht es darum, wie es mir mit den Anschlusstherapien so geht und was ich für ein gutes Körpergefühl und positives Mindset mache. Zudem erzähle ich euch von einer engelhaften Begegnung, die ich erleben durfte.
Nach der Akuttherapie ist noch nicht Schluss: Antikörpertherapie
Patientinnen mit einem HER2-positiven Brustkrebs galten lange Zeit als schwer heilbar. In diesem Fall nämlich sind die Krebszellen hochgradig aggressiv und die Gefahr eines Rezidivds oder einer erneuten Erkrankung nach Ende der Chemo- und Strahlentherapie erhöht.
Seit Anfang der 2000er Jahre gibt es aber die Möglichkeit der Antikörpertherapie und ich bin sehr froh darüber, diese nutzen zu können. Denn vier große Studien zeigen, dass Patientinnen, die zusätzlich zu einer Chemotherapie über die Dauer eines Jahres Antikörper verabreicht bekommen, ein um 50 Prozent reduziertes Risiko einer Neuerkrankung haben sowie sich deren Sterblichkeit infolge ihrer Krebserkrankung um 30 Prozent verringert. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte zudem, dass die Antikörpertherapie in Kombination mit einer Chemotherapie das Überleben von metastasierten Brustkrebspatientinnen um mehr als ein Jahr verlängert.
HER2-positver Brustkrebs: 15-20% der Brustkrebspatientinnen leiden an dieser aggressiven Krebsart. Die Oberfläche ihrer Krebszellen weist dann eine erhöhte Anzahl an Human Epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptoren 2 auf. Diese Proteine führen zu einer hochgradig beschleunigten Zellteilung und einer übermäßigen Vermehrung von Krebszellen.
Antikörper: Diese Abwehrzellen sind in der Lage, bestimmte Strukturen (Antigene) auf der Oberfläche von Zellen zu erkennen und daran anzudocken. Infolge der Therapie stellen die verdächtigen Krebszellen ihr Wachstum ein.
Trastruzumab: Seit Mai 2006 ist Trastuzumab (Herceptin®) als einjährige Behandlung in der Brustkrebsbehandlung zugelassen. Dabei kann die Therapie parallel zur Chemotherapie, erst nach deren Abschluss und auch in Verbindung mit einer antihormonellen Behandlung laufen (wie es bei mir der Fall ist).
Im Vergleich zu den gemeinen Chemo-Medikamenten, die neben den bösen auch viele gute Zellen zerstören, sind die Antikörper-Infusionen durchweg freundlich. Von einer erhöhten Müdigkeit abgesehen, bemerke ich eigentlich nichts davon. Ob dieses Schlafmützengefühl tatsächlich in konkreter Verbindung mit dem Herceptin steht oder ich es mir nur einbilde, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglicherweise ist es auch ein „ritualisiertes Schlafen“. Denn an Chemo-Tagen schlief ich infolge des Medikamentencocktails, den ich genießen durfte, früher meist schon in der Praxis, spätestens im Taxi ein.
Sicher ist, dass sich an meinen Antikörpertagen immer eine Art „Chemo-Gefühl“, in meine Psyche einschleicht. Immerhin sitze in derselben Praxis, in der ich 16 Mal meine Chemoinfusionen erhalten habe, treffe dieselben Schwestern und ab und zu lasse ich mich sogar vom Taxi fahren, obwohl ich durchaus fahrtauglich bin.
Um die negativ-ungemütlichen Emotionen etwas abzumildern, habe ich meine Antikörper-Tage (sowie alle Tage, an denen ich einen Arzttermin habe und das sind gar nicht so wenige …) zu „Gesundheitstagen“ umfunktioniert. An diesen verzichte ich auf Kaffee und trinke stattdessen einen besonderen Tee, der allein deshalb schon gesundmachend schmeckt, weil er aus einem Laden namens “Heilkräuterstüble” kommt. Ich esse an diesen Tagen am Abend eine große Schüssel Jogurt mit Obst und Nüssen und gehe früh ins Bett. Das alles hilft mir, meine Psyche zu überlisten und mich besser zu fühlen.
Da es in seltenen Fällen infolge der Antikörpergaben schon zu Herzmuskelbeschwerden kam, steht alle drei Monate ein Termin beim Kardiologen in meinem Kalender. Und tatsächlich habe ich immer wieder Nächte, in denen mein Herz stärker als sonst pocht. Aber auch hier kann ich nicht mit Gewissheit sagen, ob das tatsächlich vom Herceptin herrührt oder mit der bittersüßen Antihormontherapietablette zusammenhängt, die ich täglich schlucke oder noch irgendwas mit der Chemotherapie zu tun hat, den während dieser hatte ich solche Herzpochnächte auch ab und zu. Jedenfalls waren bislang alle kardiologischen Befunde unauffällig. Mein Herz ist also gesund und das ist das, was zählt.
Mittlerweile befinde ich mich schon auf der Antikörper-Zielgeraden: Noch drei Infusionen und dieser Teil meiner Krebstherapie wird abgehakt sein. Dann werde ich ein Jahr lang zunächst wöchentlich, später alle drei Wochen eine Dreiviertelstunde lang eine heilsame Flüssigkeit über meinen Port aufgenommen haben. Ich bin sehr froh, dass ich diese besondere Möglichkeit im Kampf gegen meinen krebsigen Feind nutzen konnte/kann.
Nachtrag: Mittlerweile habe ich die letzte Infusion erhalten. Nun wünsche ich mir, dass der Plan aufgeht, die Antikörper ihre volle Wirkung entfalten und mit ein krebsfreies Leben oder (bescheidener und demütiger gedacht) viele krebsfreie Jahre bescheren mögen.
Aller Anfang ist schwer: Widerstand gegen die Antihormontherapie
Neben den HER2-Rezeptoren wurden auf meinen Krebszellen auch Östrogen- sowie Progesteronrezeptoren entdeckt. Das bietet mir die Chance, zusätzlich zu den Antikörperinfusionen mittels eines Anti-Krebs-Medikamentes in Tablettenform das Risiko eines Rezidivs oder einer Neuerkrankung weiter zu minimieren. Über mehrere Jahre (mindestens fünf) eingenommen, sinkt Studien zufolge durch diese Medikament die Todesrate um 10-25 % und die Zahl der Rückfälle um 20-40 %.
Hormonpositiver Brustkrebs: Etwa 70 – 80 Prozent aller Brustkrebspatientinnen haben einen hormonrezeptorpositiven Tumor. In diesem Fall „ernährt“ er sich von den weiblichen Geschlechtshormonen und wird dadurch zum Wachstum angeregt. Je nachdem wie ausgeprägt der Hormonstatus ist, werden Aromatasehemmer dagegen eingesetzt.
Aromatasehemmer: Frauen, die zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung noch nicht in den Wechseljahren sind, erhalten Tamoxifen. Frauen mit einer Diagnose nach den Wechseljahren oder die Tamoxifen gar nicht vertragen, erhalten Letrozo. Diese Tabletten entziehen dem Körper die Hormone und somit wird der Krebs quasi ausgehungert. Die Patientinnen befinden sich vom Zeitpunkt der ersten Tabletteneinnahme in den Wechseljahren.
Patientinnen mit einem triple negativen Brustkrebs würden wohl vor Freude jubilieren, hätten sie mein Tumorprofil. Schließlich kann ich nach Abschluss der Chemotherapie und Bestrahlung sogar mit zwei Behandlungsformen weiterhin aktiv gegen meinen Brustkrebs zu kämpfen. Wie meine Herzensärztin so schön sagte: „Sie haben den Sechser in der Brustkrebslotterie gezogen!“
Ich hatte dennoch einen ziemlichen Aber, als ich zum Ende der Bestrahlung hin ein Rezept für Tamoxifen-Tabletten erhielt. Eigentlich seltsam, schließlich war ich über viele Monate hinweg eine – wie ich finde – äußerst brave Patientin, die alles tat was die Ärztinnen und Ärzte ihr anrieten. Ich ließ die Operation sofort durchführen, stellte keine Chemoinfusion in Frage, meckerte über kein Medikament, das mir parallel verabreicht wurde, setzte mir jede verordnete Spritze.
Auch in Bezug auf die Antihormontherapie hatte ich meiner Herzensärztin ganz pragmatisch zugesichert, dass ich diese auf jeden Fall “anlaufen lassen würde“, wenngleich ich schon sehr viel über diese „schlimme Tablette“ und deren „böse Nebenwirkungen“ gehört hatte. Das Internet ist voll von Geschichten von Frauen, die vor Schmerzen kaum noch gehen können, die zig Kilos zugenommen habe, die unter extremen Hitzewallungen leiden und überhaupt nicht mehr schlafen können. Tamoxifen lässt sich quasi gleichsetzen mit „Teufelszeug“.
Laut der IBIS-1- Studie (https://www.ibis-trials.org/thetrials/ibistrials/ibis-1) brechen viele Frauen die Antihormontherapie in den ersten 12-18 Monaten ab, da sie die Nebenwirkungen nicht aushalten können. Ich brach die Antihormontherapie nicht ab, sondern startete zunächst gar nicht damit. Die Tablettenpackung lag längere Zeit unangetastet bei mir im Badezimmer. Ich konnte sie nicht öffnen. Ich wollte die Tabletten nicht nehmen. Aber irgendwann überwand ich mich und nahm den Beginn der Sommerferien als Startpunkt für die Tabletteneinnahme.
Ja, wenn ich die Wahl hätte, würde ich lieber ohne jahrelange Medikamentengabe leben. Aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, dann hätte ich auch ohne den Krebs leben wollen. Und da dieser nun mal in mein Leben getreten war und dieses bitteschön für immer verlassen sollte, würde ich mir der Situation wohl stellen und in den sauren Apfel beißen bzw. die bittere Pille schlucken müssen.
Tja, was soll ich sagen? Das Tamoxifen schlug richtig zu! Es machte mir echt zu schaffen und ich durchlebte meine Wechseljahre mit all ihren typischen Beschwerden binnen ein paar Wochen.
- Ich schlief sehr, sehr schlecht. Fühlte mich zurückversetzt in die Hoch-Chemozeit, als ich keine Nacht länger als zwei, drei Stunden schlief.
- Ich wachte häufig schweißgebadet auf.
- Ich stand oft seltsam benebelt neben mir und konnte nicht richtig denken.
- Ich weinte häufig, sah alles sehr negativ und war oft sehr antriebslos. Im Nachhinein würde ich mich sogar depressiv verstimmt nennen.
- Ich hatte Schmerzen in den Waden und Kniegelenken.
- Ich fühlte mich teilweise wie ein aufgeblasener Luftballon.
Ich bezeichne diese Zeit als einen heftigen Wechselmoment, der noch dazu viel früher als vom Alter her eigentlich gedacht in mein Leben kam. Durch anhaltende Nebenwirkungen der Chemotherapie und in Kombination mit Therapieloch und Familienflaute (siehe https://www.influcancer.com/blog/sommerflaute-therapieloch-und-quarantaene-der-start-in-mein-leben-2-0/) wurde dieser noch verschärft. Der Sommer 2021 war für mich grauenhaft und einfach nur zum Abhaken (wer braucht schon blumige Formulierungen, wenn die ehrlichen es definitiv besser treffen?).
Das Unterbewusstsein austricksen
Nachdem ich einen länger in der Versenkung gewesenen Gutschein für eine Heilenergie-Massage mit dem wundervollen Namen “Hol dir Kraft” entdeckte, machte ich einen Termin bei Frau B. – Heilerin, Autorin und spirituelle Lehrerin aus. Im Rahmen dieses Termins wurde mir auf engelhafte Weise eine andere Art der Herangehensweise an die Anti-Hormontherapie offenbart.
Anstatt die Tablette widerwillig zu schlucken, sollte ich mir vor deren Einnahme laut den Satz „Wohl schmeckst du mir, wohl tust du mir.“ vorsprechen. Das erschien mir zunächst doch etwas komisch, aber ich probierte es aus. Und was soll ich sagen? Es funktioniert!
Vielen herzlichen Dank, liebe Frau B. für die wundervolle Erfahrung, die ich bei Ihnen machten dufte. Sie oder mein persönlicher Erzengel – oder wahrscheinlich sie Beide zusammen – stießen sehr, sehr viel in mir an.
Plötzlich war es sonnenklar für mich: Ich hatte mich am Anfang meiner Krebsreise für den schulmedizinischen Weg entschieden. Dieser erschien mir logisch, gut und richtig. Deshalb musste ich nun aufgeben, mich gegen die Einnahme der Tablette zu sträuben. Denn diese beschert mir doch eigentlich Gesundheit, Kraft und ein gutes Leben mit meiner Familie.
Mittlerweile weiß ich, dass ich meinem Tablettenwiderwilen mit einem Werkzeug der positiven Psychologie entgegenwirke, nämlich Affirmationen.
Mit meinem Tamoxifen-Glaubenssatz trickse ich mein Unterbewusstsein aus. Durch das ständige Wiederholen des Satzes wurde er dort abgelegt. Er wurde als richtig, als gut, als zielführend abgespeichert. Ich bin nun überzeugt von der heilenden Wirkung der Tablette. Aus dem bloßen Sprechen wurde Glauben.
Positive Affirmation: Das sind Selbstbekräftigungen, die in der Gegenwart formuliert und leicht zu merken sind. Damit kann ein längerfristiges Ziel fokussiert werden, z.B. „Ich führe eine liebevolle Beziehung“. oder „Ich halte meinen Körper gesund und ernähre mich deshalb zuckerfrei“), eine Sache für den heutigen Tag/die aktuelle Woche betreffend in den Blick genommen werden, z.B. „Ich bin redegewandt und halte deshalb heute eine tolle Präsentation.“ oder „Ich gehe offen auf meine neuen Teammitglieder im aktuellen Projekt zu.“ oder auch ein Zustand positiver wahrgenommen werden, z.B. „Ich nehme die Beschwerden der Chemotherapie für ein gesundes Leben gern in Kauf.“
Studien belegen, dass Menschen, die Affirmationen in ihr Leben integrieren, tatsächlich zufriedener sind, ein besseres Selbstwertgefühl haben und gefestigter durchs Leben gehen. Wer sich noch etwas näher mit diesem Thema beschäftigen möchte, der kann hier auf der Kurvenkratzer-Seite bleiben: https://www.influcancer.com/magazin/affirmationen-hype-positiv-denken-lernen
Du liest hier mit, musst Tamoxifen einnehmen musst und schaffst dies nur mit Widerwillen? Dann glaube daran, dass dieses Medikament dir mehr Hilfe als Schaden sein wird und dass du es schaffen kannst, diese kleine Pille über ein paar Jahre hinweg als wirksames Helferlein gegen den Krebs zu akzeptiere. Die weiter oben zitierte Krebsstudie benennt ganz klar, dass die Einstellung im Hinblick auf die Antihormontherapie von großer Bedeutung ist. Denk positiv, glaub an die Wirkung, denk an deine gesunde Zukunft, für die du mithilfe von Tamoxifen oder Letrozol aktiv etwas tun kannst!
Frau B. gab mir nach der Lektüre dieses Textes noch eine Affirmation – oder wie sie meinte “eine schöne Schallplatte im Gehirn, die hilft” – mit auf den. Ich finde den Satz sehr schön und möchte ihn hiermit auch an euch weitergeben:
„Ich bin heil. Ich bin heil. Ich bin heil. Ich bin völlig gesund.”
Mit Hanteln und Fisch nebenwirkungsfreier leben
Für viele meiner Zeitgenossinnen und -genossen scheint es ein treffsicheres Merkmal für meine wiedererlangte Gesundheit zu sein, dass ich statt Glatze nun eine wuschelige Matte auf dem Kopf habe. Und ja: Ich dachte nun tatsächlich schon ab und zu: „Hui, wie sehen denn meine Haare heute aus?“. Im Gegensatz zu früher verlasse ich an solchen „Bad Hair Days“ dennoch gut gelaunt das Haus. Lieber verstrubbelte Haare als gar keine, oder was meint ihr?
Trotzdem kommt es mir immer noch seltsam vor, mich als „gesund“ zu bezeichnen, da ich doch so viele Medikamente zu mir nehme wie noch nie in meinem Leben. Ich habe mittlerweile sogar eine Tablettendose, in der ich die Medikamente für eine Woche einsortieren kann (das war bislang für mich nur alten und „wirklich kranken Menschen“ vorbehalten). Neben meiner Schilddrüsentablette (die ich eigentlich schon immer einnehme), den Antikörpern und der Tamoxifen-Tablette habe ich noch ein paar Mittelchen von meiner Heilpraktikerin und Gynäkologin bekommen, die mein Immunsystem pushen und meinen Körper dabei unterstützen sollen, krebsfrei zu bleiben. So nehme ich nach Kontrolle meines Blutspiegels nun täglich Vitamin D und Selen zu mir und gönne mir ein paar Tropfen zweier homöopathischer Tinkturen, die dabei helfen sollen, das letzte Chemogift aus mir herauszukatapultieren.
Zudem bin ich weiterhin bemüht, neben medikamentöser Hilfe aktiv etwas gegen die Nebenwirkungen der Medikamente zu tun. Glücklicherweise sind in meinem Nach-Chemo-in-der-Antikörper-und-Antihormontherapie-Fall die Nebenwirkungen glücklicherweise nicht übermäßig vorhanden. Dennoch sind sie da. Wie von Anfang meiner Krebserkrankung an bin ich mir sicher, dass ich sie nicht einfach hinnehmen werde, sondern dass ich aktiv etwas dagegen und für mich tun kann.
So hat mein Sport mich schon durch die Chemotherapie getragen (siehe ). Nun wollte ich noch einen fitten Gang drauflegen und vereinbarte einen Termin für ein Probe-Krafttraining. Angesichts der durch die Wechseljahre ausgelösten Gelenkschmerzen sowie drohender tamoxifenbedingter Gewichtszunahme (von der viele Patientinnen berichten, die sich bei mir aber mir null und überhaupt nicht einstellte) ist das Krafttraining (nach jahrelanger Abstinenz seit der Geburt meiner ältesten Tochter) nun fest in meinen Sportplan integriert und ich bin neben Joggen, Radfahren und Schwimmen nun zusätzlich regelmäßig an den verschiedensten Maschinen zugange und mit Hanteln aktiv und bringe meinen Körper gezielt in Form.
Vielen Dank, lieber N. für deine tolle Einführung, für deine Antworten, wenn ich mal wieder eine Frage habe und nicht zuletzt den guten Übungsvorschlag in Sachen „nervig-kribbelnde Chemofüße“. Schön, dass wir hier in unserem kleinen Schwarzwaldstädtchen so ein gutes, kompetent geführtes Fitnesstudio haben (https://www.slins-fitness.de)
Ich selbst bin überzeugt davon, dass ich mir und meinem Körper durch diese zusätzlichen etwas anderen Sportsequenzen auf jeden Fall etwas Gutes tue. Skeptikerinnen und Skeptikerin lege ich Erkenntnisse aus Studien ans Herz, die besagen, dass Kraftraining und somit eine höhere Muskelkraft die Möglichkeit einer Krebserkrankung um 20-30 % reduziert. Infos findet man beispielsweise hier: https://www.fitbook.de/health/training-krebswachstum-hemmen oder auch hier: https://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/fitness/neue-studie-krafttraining-senkt-krebsrisiko-um-25-prozent_id_10547404.html)
So wie ich bei meinem Sportprogramm eine Variation gewählt habe, habe ich auch beim Essen eine etwas andere Richtung eingeshagen. Ich habe mich vom Fleisch verabschiedet und bin nun vegetarisch bzw. pescetarisch (Fisch darf sein) unterwegs. Auch vergesse ich nie, meine tägliche Portion Leinöl sowie ein paar Leinsamen zu mir zu nehmen (Diese braunen Körnchen passen für mich sogar in Salatsoßen, Quarkspeisen oder auch in den Obstsalat, Hauptsache das Krebsrisiko wird minimiert.) Auch wenn es KEINE genormte Krebsdiät gibt und nicht DEN einen Sport gibt, der vor einem Rezidiv schützt, versuche ich so viel wie möglich davon in mein Leben zu integrieren, was erwiesenermaßen gegen/vor Krebs schützt. Es macht mir sehr große Freude, dem Krebs die sportliche verschwitzte Schulter und einen mit viel Gemüse, Obst und unterschiedlichen Ölen gefüllten Körper zeigen zu können.
Ob es nun tatsächlich die Wirkung der Affirmation ist, die sportlich-vegetarische Lebensweise, das von meiner Heilpraktikerin sowie der Gynäkologin angeregte Vitamin D-Selen-und-Globuli-Doping ist oder ob ich einfach nur unverschämtes Glück habe, die Tablette so gut zu vertragen, ist mir eigentlich egal. Vielleicht ist es auch einfach die Mischung aus allem, quasi ein „Lebensweise-geistige Einstellung-Glückskind-Gesamtpaket“.
Jedenfalls haben sich meine Beschwerden auf ein erträgliches Maß eingependelt:
- Ich habe vereinzelt Nächte, in denen ich stärker schwitze.
- Ich habe ab und zu mal einen Kopfwehtag, den ich aber ohne Tabletten und mit etwas früherem Ins-Bett-Gehen durchstehen kann.
- Ich habe ein stark schwankendes Sehvermögen, was nicht ganz so optimal, aber mithilfe einer neuen Brille gut in den Griff zu bekommen ist.
- Mein rechter Daumen schmerzt häufig und meine Finger an beiden Händen verkrampfen sich zeitweise. Das nervt, ist aber aushaltbar.
- Ich habe tageweise geschwollene Finger. Dann sitzt mein Ehering etwas enger als sonst. Erinnert mich dann etwas mehr an den tollen Göttergatten, der an meiner Seite durch diesen Krebsmist gegangen ist.
- Die Chemotherapie lässt nach wie vor mit tageweise kribbelnden Füße, brüchigen Fingernägel, sehr trockener Haut an Händen und Füßen sowie einer leicht reizbaren Mundschleimhaut grüßen. Dank Cremes und einer tollen Fußpflegerin ist das aber auch in den Griff zu bekommen.
Noch mehr Überzeugungsarbeit nötig?
Wer diesen Blogtext bis hierhin gelesen hat und noch immer nicht hunderprozentig davon überzeugt ist, dass es möglicherweise nicht nur Anti-Antihormontherapie-Stimmen in Blogs, Foren und Selbsthilfegruppen gibt, dem möchte ich den Artikel von Diana Neumann zur Antihormontherapie empfehlen. Sie beschreibt darin ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken zu diesem Thema und kommt im Wesentlichen zum selben Schluss wie ich. Deshalb beende ich hier meine Ausführungen und überlasse ihr das Wort: https://www.diananeumann.de/blog/brustkrebs-anti-hormon-therapie-fluch-oder-segen.
Und wem das noch immer nicht reicht, die/der surfe bitte auf den Blog von Kirsten Metternich von Wolff. Auch sie hat einen guten Text zum Thema Tamoxifen, Letrozol und Co. geschrieben: https://herzwiese24.de/antihormontherapie-aufhoeren-oder-weitermachen/ und hat tolle Durchhaltetipps parat: https://herzwiese24.de/antihormontherapie-meine-tipps-zum-durchhalten/.
Zuguterletzt möchte ich auf eine ganz hervorragende Homepage verweisen, auf die ich beim Schreiben dieses Textes und auf der Suche nach patientenfreundlichen Informationen gestoßen bin: https://www.pink-brustkrebs.de. Hier finden Betroffene auch ganz tolle Texte zu den Anschlusstherapien (https://www.pink-brustkrebs.de/pink-erklaert/antihormontherapie und https://www.pink-brustkrebs.de/pink-erklaert/zielgerichtete-therapie). Außerdem gibt es fundierte Erklärungen von Frau Prof. Dr. Wülfing und ihrem PINKen Team zu vielen Bereichen des hochkomplexen Themas „Brustkrebs“, die laientauglich, aber nicht verniedlichend rübergebracht werden.
Dort finde man außerdem Videos sowie den Podcast „PINK! Wir erklären Brustkrebs“ (https://www.pink-brustkrebs.de/pink-podcast). Darin unterhält sich Prof. Dr. Pia Wülfing, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, mit ihrer ehemaligen Brustkrebspatientin Gabriele Kob. In zwei Folgen sprechen die beiden Frauen auch über die Antikörper- (#9 Wie funktionieren Antikörper-Therapien?) und die Antihormontherapie (#8 Antihormontherapie und mögliche Nebenwirkungen). Vielleicht hat die eine oder andere Leserin ja auch Lust, dem Gespräch zu lauschen? Es lohnt sich definitiv!
Buch führen
Schreiben war im Laufe der Erkrankung eine meiner Therapiesäulen (siehe https://www.influcancer.com/blog/den-krebs-in-worte-fassen/). Wenn mein Kopf zu voll war, die Angst mich überkam oder mich Fragen quälten, dann halfen Buchstaben, Wörter und Sätze mir, meine Gedanken zu sortieren. Sie erdeten mich. Sie machten mich ruhig.
Nun füllt sich mein Kopf infolge eines Konglomerat aus Haushalt, Kindern, Arbeit, Beziehung, Sportprogramm, Arztterminen und Co. ständig mit neuen Gedanken und Themen. Außerdem sind viele Dinge aus der Zeit der Akuttherapie sind körperlich, geistig und seelisch noch nicht komplett durchdacht, machen mir Angst, begleiten mich weiterhin und in die Zukunft hinein.
Kurz und gut: Ich brauche erneut ein Ventil, um meinen Kopf regelmäßig zu entleeren. Denn ich möchte auf keinen Fall wieder in das vor-krebsige-Hamsterrad hineingeraten, in dem ich mich drehte, drehte, drehte, bis mir schwindelig wurde und ich erschöpft und mürrisch wurde.
Tadaa – da sind wir wieder bei den Stichworten „Achtsamkeit“, „Grenzen ziehen“ und „auf mich hören“. Diese sind mir zu guten Wegbegleitern geworden und ich habe den festen Vorsatz, sie ganz tief in mein Gedankengerüst einzubauen und im Alltag, der eindeutig an Fahrt aufgenommen hat und sicherlich noch einen Gang zulegen wird, daran festzuhalten.
Hierzu fand ich Unterstützung in Form von vier tollen Büchern, die ich nachfolgend sehr gerne vorstellen möchte, weil sie mit Sicherheit auch für andere Betroffene eine Inspiration sein können. Hinter den Buchdeckeln stecken tolle, starke Frauen, die ich über die Instagram-Brustkrebs-Community kennengelernt habe.
- Stehaufqueen – Herausforderungen des Lebens elegant und majestätisch meistern
Dieses Buch fiel mir in der Bücherei in die Hände, weil mir das lilafarbene Cover gefiel. Es ist von einer ehemaligen Brustkrebspatientin geschrieben, die zwischenzeitlich als Bestsellerautorin (“Brüste umständehalber abzugeben”) Trainerin und Coach aktiv ist (https: www.nicolestaudinger.de). Nicole Staudinger betont, dass ihr Buch „kein medizinischer Ratgeber und auch kein Problem-Verharmlosungsversuch“ ist, auch wenn sie darin in unverfroren-frechem Schreibstil von schwierigen Momenten in ihrem eigenen oder dem Leben von Bekannten erzählt. Sie stellt dar, wie es zu schaffen ist, Fakten anzunehmen („Krebs ist Krebs. Aus Mist wird nicht Gold.“) aber dennoch den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Sie erzählt, wie man es schafft, Herausforderungen mutig anzunehmen und vor allem den Humor nicht zu verlieren („Pfeifend durch den dunklen Wald“). Sie gibt hilfreiche Impulse zum Reflektieren der eigenen Situation. Das Buch enthält Leerzeilen für das Festhalten eigener Stehauf-Regeln.
Ich selbst musste beim Lesen dieses Buches immer wieder schmunzeln und wurde definitiv zum Nachdenken angeregt. Wer Lust auf eine Mischform aus Roman, Sachbuch und irgendwie auch Comedyevent hat, der sollte mal in dieses Buch hineinlesen.
- Nicht allein auf weißem Flur
Antje Vorndran (@aufweissemflur und www.aufweissemflur.de) erzählt drei Jahre nach ihrer eigenen Brustkrebsdiagnose in ihrem – trotz ernstem Thema herrlich leicht illustrierten – Ratgeber in kurzen Ausschnitten ihre eigene Krankheitsgeschichte und bietet den Leserinnen eine Vielzahl an Anregungen und Übungen an, um sich – je nach Typ eher kopflastig oder kreativ – mit den tagtäglichen Fragen und Gefühlen auseinanderzusetzen. Das Buch ist in die drei großen Etappen einer Krebserkrankung eingeteilt: um die Diagnose herum, Behandlungszeit, Neustart.
Mir selbst begegnete das Buch erst gegen Ende meiner Akuttherapie und ich las das meiste erst, als ich schon wieder zurück im Alltag war. Aber das war für mich genau der richtige Zeitpunkt. Im Rückblick nochmal über den Moment der Diagnose und den Beginn der Akuttherapie nachzudenken, war sehr hilfreich und hatte heilsamen Charakter. Da die Autorin genauso wie ich auch momentan noch Tamoxifen einnimmt, traf sie vor allem auch im dritten Buchteil voll hinein in meine eigene Gedankenwelt.
In einem persönlichen Zoom-Gespräch und einer Online-Lesung (zu der außer mir fast keine der angemeldeten Teilnehmerinnen erschienen ist – Leute, ihr habt was verpasst!) erzählte Antje Antje mir von ihrer dreijähriger Recherchearbeit und der Entstehung ihres etwas anderen Krebsbuches. Das war sehr spannend, danke liebe Antje für deine Offenheit!
- Mutlöwin-Journal
Shila Driesch war selbst an triple-negativem Brustkrebs erkrankt. Sie schrieb ein Buch darüber, warum sie durch ihre Diagnose ihr Leben umgekrempelte und wie sie sich von einer Angsthäsin zu einer Mutlöwin mauserte. Sie kündigte ihren alten Job und ist mittlerweile als Autorin und Coach tätig und sehr aktiv auf Instagramm.
Ich las ihr Buch „Die Mutlöwin – das Streben nach Glück“ während meiner Erkrankung und kann nur sagen: Ich habe mich in vielem wiedererkannt, was sie geschrieben hat (Meine erste Nachricht an Shila begann deshalb auch in etwa mit dem Satz „Hast du eigentlich ein Buch über mich geschrieben?“). Ich finde ihre Herangehensweise an die Diagnose, an das Leben an sich und ihre Schlussfolgerungen für ihr Nach-Krebs-Leben 2.0 genial. Ich lege das Buch wirklich jeder/m Blogbesucher/in ans Herz .
Brandneu kam nun noch das „Mutlöwin-Journal“ heraus. Es ist ein Buch zum Selbstausfüllen für den Start in ein bewussteres Leben – für jede und jeden, unabhängig von einer (Krebs-) Erkrankung. Es bietet viele Anregungen für einen Neustart im alten Lebenstrott – wobei es nicht zwangsläufig etwas Radikales wie eine Kündigung, eine Ernährungsumstellung oder eine Trennung sein muss, ein Kaffee-Detox-Tag wie bei mir ist doch auch schon ein mutlöwinnenmäßiger Anfang oder?
In einem Workbook-Teil die Möglichkeit, sich mit der Ist-Situation auseinanderzusetzen: Wo befindest du dich aktuell in deinem Leben? Im Anschluss daran geht es darum herauszufinden, wo es hingehen soll. Dann kommt ein 90-Tage-Journal, das dabei helfen soll, den Plan zur Veränderungen umzusetzen und ihn reflektiert zu begleiten.
Für mich passte das Journal wie die Faust aufs Auge zum Start in meine Anschlusstherapienachkrebsreisezeit und ich nutze es ein paar Wochen lang sehr fleißig. Es half mir meinen Alltag zu strukturieren, in dem es plötzlich wieder ganz viele Termine gab, die nicht nur mit Arztpraxen oder Klinikambulanzen zu tun hatten. Das Journal bot mir die Möglichkeit, mich nicht in der wieder verstärkt vorgegebenen Struktur zu verlieren. Es unterstützte mich dabei, mich und meine Psyche dennoch nicht aus den Augen zu verlieren. Es bot mir Platz, ganz klar Entspannungsmomente zu benennen und sie niederzuschreiben.
Ich empfehle instagramaffinen Leserinnen und Lesern, Shila auf ihrem Account zu folgen (@die_mutloewin). Ihre Stories bieten oftmals geniale Tipps, um den jeweiligen Tag zu einem besseren zu machen oder an ihn als Startpunkt für eine Änderung im aktuellen Leben zu nehmen.
Ich selbst liebäugelte im Sommer mit Shilas täglichem Sprung in einen eiskalten Gartenteich und auch sonst habe ich schon die ein oder andere durch Shila angeregte Änderung vorgenommen. Nicht zuletzt hob ich schon die ein oder andere Freundin mit einer von Shilas Karten und den schönen Armbändern in den Mutlöwinnenstatus. Zu ihrem Chai Latte anstelle meines geliebten Kaffees konnte ich mich allerdings noch nicht durchringen.
- 6-Minuten-Tagebuch
Eine sehr gute Freundin, die mir nicht nur ein herziges Kissen genäht hat, als meine Brustoperation anstand, schenkte mir dieses wundervolle Büchlein zu meinem ersten Nach-Krebs-Geburtstag (Danke, danke, danke, liebe N.!).
Seit dem Neujahrstag nehme ich mir nun täglich sechs Minuten Zeit, handschriftlich meinen Tag Revue passieren zu lassen. Ziel dabei ist es, mir Augen zur führen, wofür ich in meinem Leben dankbar bin, was ich am jeweiligen Tag Schönes erlebt habe, wo ich gut zu jemand anderem war und mir zu überlegen, was ich am Folgetag besser machen könnte. Zudem gibt es begleitende Fragen für die Woche und Impulse zur Reflexion am Ende eines Monats.
Dieses schöne, in Leinen eingebundene Büchlein, ist für mich eine konsequente Fortführung des von Engeln angeregten Weges der positiven Gedankensteuerung. Da ich mittlerweile wieder recht gefestigt in meinem Alltag stehe, möchte ich meinen Fokus weg von Terminen, Erfolge und meinen Leistungen lenken und vielmehr meine Gewohnheiten und Einstellungen im Blick haben. Ich möchte die Demut und Dankbarkeit für das Pure, das Einfache, das Wichtige, die mich mein Krebs gelehrt haben, nicht verlernen. Deshalb möchte ich meinen Fokus auf das lenken, was vorhanden ist und passt und nicht auf das, was fehlt.
Denn das ist doch eigentlich mehr als genug, wenn ich es genau betrachte. Ich stehe ein halbes Jahr nach dem Ende der Akuttherapie wieder gut im Alltag, ich kann von mir behaupten, mich fit zu fühlen, ich habe drei gesunde Kinder, einen tollen Ehemann, ein wunderschönes Haus, Eltern, Schwestern und Schwiegereltern, die mich in Liebe halten, lebe in einem wunderschönen Landstrich Deutschlands, darf einen Beruf ausüben, den ich liebe, habe eine schreiberische Begabung, mit der ich Geld verdienen kann, einen Blog, der von anderen Menschen gelesen wird und noch viele andere himmlisch-positive Dinge. Mehr kann ein Mensch sich doch gar nicht wünschen, oder?