Erleichterung vs. Belastung
Den Krebs aussitzen: Psychoonkologie, Selbsthilfegruppen und die Online-Brustkrebs-Community
An und für sich ist eine Krebserkrankung ja körperlicher Natur. Der Tumor sitzt im Kopf, dem Darm, der Brust oder einem anderen Organ. Die Seele einer Patientin oder eines Patienten wird ebenfalls stark in Mitleidenschaft gezogen. Aber anders als der Termin beim CT oder im Strahleninstitut haben die Adressen von Selbsthilfegruppen oder Termine bei einer Therapeutin oder einem Therapeuten leider nicht die oberste Priorität im Behandlungsplan vieler Patientinnen und Patienten. In diesem Blogtext erzähle ich ein bisschen über die Psychoonkologie, über Selbsthilfe im Internet und im echten Leben und warum ich es so wichtig finde, dass wir Krebslerinnen und Krebsler unsere Sorgen, Nöte und Ängste irgendwo abladen können. Dabei spielen Sitzmöbel eine erstaunlich große Rolle.
Therapeutische Hilfe ist ein Geschenk
Die Diagnose „Krebs“ bringt ganz abrupt übergroße Veränderungen in das Leben eines Menschen und löst viele starke Gefühle aus: Angst, Traurigkeit, Ohnmacht, Hoffnungslosigkeit, Wut und auch Schuldgefühle sind möglich. Viele Erkrankte zeigen Symptome einer Depression oder Angststörung, haben Panikattacken oder sind in einer spirituellen Krise („Wie kann ein Gott mir so etwas nur antun?“).
Zum Glück muss keiner von uns alleine damit klarkommen. Dennoch hat so manche Patientin oder mancher Patient Hemmungen, sich Hilfe für seine Psyche und Seele zu suchen. Ich finde: Wir Krebslerinnen und Krebsler haben alles Recht der Welt dazu, uns psychologisch unterstützen zu lassen und brauchen uns dessen nicht zu schämen. Keiner von uns muss heimlich, still und leise und möglichst vermummt in einer Praxis vorstellig werden!
Ich bin froh, dass wir Patientinnen und Patienten heutzutage durchaus von unseren betreuenden Ärztinnen und Ärzten dazu ermutigt werden, uns psychologische Unterstützung zu holen. So erhielt ich schon beim Diagnosegespräch den Hinweis auf das Recht auf psychoonkologische Unterstützung und wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch der Göttergatten und die drei Goldschätze therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen können. Ich hatte kurz nach meiner Operation meine erste Sitzung bei einer Psychoonkologin und lud dort einen Teil meiner Aufregung, Hilflosigkeit und Angst der ersten Wochen mit meinem “kleinen Brustkrebs” ab.
Psychoonkologie: Sie ist zwischen Psychologie und Onkologie angesiedelt und beschäftigt sich mit den psychischen Belastungen, die eine Patientin oder ein Patient sowie deren Angehörige infolge einer Krebsdiagnose haben. Seit den 1970er Jahren ist sie ein eigenes Fach innerhalb der Klinischen Psychologie. Sie stellt eine fachkundige Begleitung aller seelischen Belastungsmomente nach einer Krebsdiagnose dar: während der Therapiezeit und der Nachsorge sowie der Reintegration in den häuslichen und beruflichen Alltag von geheilten oder der Betreuung der palliativen Lebenslage von metastasierten Krebspatientinnen und –patienten und nicht zuletzt dem finalen Lebensabschnitt.
Psychosozialer Distress: So nennt man alle psychischen, sozialen, spirituellen und somatischen Belastungen, die für die Patientin oder den Patienten und die Angehörigen infolge der Diagnose „Krebs“ auftreten und das Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinträchtigen und die Krankheitsverarbeitung beeinflussen.
Du, liebe Betroffene oder lieber Betroffener, fragst dich, was dir die Hilfe einer Therapeutin oder eines Therapeuten bringen soll und zweifelst am Nutzen? Vielleicht schreckst du auch davor zurück, weil du dann zwischen deinen vielen Terminen in Arztpraxen, der Chemoambulanz und Strahlenklinik, bei der Physiotherapie usw. noch ein weiteres Zeitfenster für eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeuten einplanen müsstest. Ich bin der Meinung: Das lohnt sich definitiv!
Selbstverständlich kann sie oder er dir deinen Krebs nicht nehmen, für dich die Strapazen der Chemotherapie ertragen oder deine Narben infolge deiner Operation oder auch Mastektomie auf ihren oder seinen Körper zeichnen oder deine körperlichen Schmerzen an deiner Stelle ertragen. Dennoch belegen Studienergebnisse eindeutig, dass sich bei Krebspatientinnen und -patienten
- die Lebensqualität verbessert.
- Nebenwirkungen und Folgen wie Fatigue abschwächen.
- Ängste, Sorgen und Stress eindeutig reduzieren.
- Probleme in der Paarbeziehung verringern.
(z.B. Faller, H.e.a., Effects of psycho-oncologic interventions on emotional distress and quality of life in adult with cancer: systematic review and meta-analysis. Jclin Oncol 31, 2013.)
Deinen Angehörigen solltest du die Möglichkeit einer psychologischen/psychotherapeutischen Unterstützung auf jeden Fall auch vorstellen. Es kann sehr hilfreich sein, wenn sie einen Ort finden, an dem sie – ohne, dass du es hörst – ganz frei über ihre eigene Sorgen und Ängste, vielleicht auch über ihre Wut und ihren Ärger angesichts deiner Erkrankung und der damit verbundenen Änderungen im Familienalltag und auch der Beziehung sprechen können.
Aber selbstverständlich bleibt der Gang zur Therapeutin oder zum Therapeuten in deinem eigenen und auch im Falle deiner Partnerin oder deines Partners oder deines/r Kinder freiwillig!
Vielleicht scheust du dich, gleich eine „richtige” Therapeutin oder einen „richtigen” Therapeuten zu konsultieren? Im ersten Schritt könntest du auch ein kostenfreies psychoonkologisches oder psychosoziales Beratungsangebot in einem Krankenhaus (oder einer Reha-Klinik) wahrnehmen oder zu einer Krebsberatungsstelle gehen, die es in vielen Städten gibt. Dort beraten dich ganz unverbindlich und Experten verschiedener Fachrichtungen, darunter Sozialarbeiterinnen oder Sozialarbeiter ebenso wie Psychologinnen und Psychologen oder auch Pädagoginnen und Pädagogen.
Andernfalls machst du dich auf die Suche nach einer psychotherapeutisch geschulten Person, die dann in Einzelsitzungen mit dir (oder auch deinen Angehörigen oder im Rahmen einer Familientherapie mit euch zusammen) arbeitet. Dabei musst du dir eine psychoonkologische Betreuung nicht wie eine klassische Therapie vorstellen, bei der du einen „kompletten Seelenstriptease machen“ und tief in deine Vergangenheit hinein gehen musst. Vielmehr ist sie ein Gesprächsangebot, bei dem es darum geht, deine belastende Situation zu entschärfen und nicht darum, eine psychische Störung zu behandeln. Du kannst durch psychotherapeutische Unterstützung aber verhindern, dass sich eine solche Störung entwickelt (z.B. eine Depression oder Angstzustände oder auch Verlustängste bei deinem/n Kind/ern).
Ich selbst hatte keinerlei Berührungsängste, was psychotherapeutische Unterstützung anbelangt. Vor ein paar Jahren habe ich schon mal eine Gesprächstherapie gemacht, als ich zwischen Burnout, Trauerbewältigung (Ich grüße dich, liebes Bruderherz!) und partnerschaftlichem Stress alleine keinen roten Faden mehr fand. Das tat mir mehr als gut, brachte mir Erkenntnisse über mich und veränderte meine Lebenseinstellung. Mir war klar, dass ich im Umgang mit meinem krebsigen Anhängsel jetzt durchaus wieder auf Hilfe beim Fadenfinden oder vielmehr Fadenentwirren angewiesen sein würde und es auch weiterhin bin.
Manche Patientinnen oder Patienten gehen nur ein paar Mal zu einer Beratungssitzung, in denen sie von ihren Problemen erzählen und Tipps bekommen, wie sie mit ihrer Situation umgehen können. Andere suchen sich eine feste Therapeutin oder einen festen Therapeuten, zu dem während der Akuttherapie ganz regelmäßig gehen. Viele nehmen therapeutische Hilfe aber auch noch in der Nachsorgezeit in Anspruch– oder starten erst dann damit. Bist du metastasierte/r Patient/in oder im palliativen Stadium, dann ist eine längerfristige Therapie auf jeden Fall empfehlenswert.
Ich selbst bemerke, dass ich gerade jetzt – nach der erfolgreich abgeschlossenen Akuttherapie und am Anfang meines Nach-Krebslebens 2.0 – Hilfe brauche, um trotz des potentiellen Risikos eines Rezidivs oder einer erneuten Krebserkrankung ein relativ entspanntes und zukunftsorientiertes Leben hinzubekommen. Ich habe das Gefühl, dass sich mein Gedankenkarussell nach jeder Sitzung etwas langsamer dreht und ich mit einem leichteren Sorgenrucksack wieder nach Hause komme, da ich jedes Mal einige Gepäckstücke bei meiner Therapeutin lassen kann.
Du musst dich übrigens nicht dazu verpflichtet fühlen, in regelmäßigen Abständen, etwa alle zwei Wochen, zur Psychotherapie zu gehen. Mache die Termine abhängig von deiner momentanen Bedürfnislage, von deiner aktuellen Krisenlage und nicht zuletzt von deinen zeitlichen Ressourcen. Die Therapie soll dir gut tun, soll dich stärken und dir helfen und dich nicht belasten oder gar stressen. Aufgrund der Termindichte ist es aber empfehlenswert, dass du am Ende einer Sitzung den Termin für die nächste vereinbarst. Einen Termin abzusagen, ist leichter möglich als spontan einen zu bekommen, weil bei dir ganz plötzlich ein großer Seelenschmerz da ist und du schnellstmöglich Hilfe brauchst.
Wie finde ich eine passende Praxis?
Ich hatte Glück und erhielt von meiner behandelnden Ärztin den Flyer einer Psychoonkologiepraxis. Vielleicht hast du ähnliches Glück und bekommst direkt von deiner Onkologin oder deinem Onkologen Kontaktdaten oder du siehst in deiner Chemoambulanz oder bei der Strahlentherapie einen Aushang oder entdeckst einen Flyer. Andernfalls kommst du über deine Hausärztin oder deinen Hausarzt oder auch durch direkte Nachfrage bei deiner Krankenkasse auf jeden Fall an entsprechende Adressen heran. Nicht zuletzt kann dir auch eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Sozialdienstes in der Klinik behilflich sein. Unter https://www.krebsinformationsdienst.de/service/adressen/psychoonkologen.php findest du außerdem eine Suchmaschine für psychoonkologische Praxen.
Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für eine Psychotherapie, sofern die gewählte Praxis über eine Kassenzulassung verfügt und es sich bei der Therapieform um ein anerkanntes Verfahren handelt. Bist du Privatpatientin oder Privatpatient, dann werden die ersten fünf Sitzungen (probatorische Sitzungen) ohne vorherige Bewilligung bezahlt. Danach muss deine Therapeutin oder dein Therapeut einen Antrag auf Kostenübernahme stellen.
Meiner Meinung nach ist es eigentlich nicht zwingend notwendig, dass du bei einer Psychoonkologin oder einem Psychonkologen landest. Auch eine psychologische Psychotherapeutin oder ein psychologischer Psychotherapeut, eine Psychiaterin oder ein Psychiater, eine Heilpraktikerin oder ein Heilpraktiker mit psychotherapeutischer Ausbildung, ein Familientherapeut oder eine Familientherapeutin oder eine sonstwie psychologisch geschulte Fachkraft ohne spezielle psychoonkologische Qualifizierung kann durchaus das Rüstzeug dazu haben, dich gut zu begleiten.
Grundlage für eine funktionierende Therapie ist definitiv, dass du dich wohl fühlst und Vertrauen zu deiner Therapeutin oder deinem Therapeuten hast und nicht ihre oder seine exakte Berufsbezeichnung. Aber sicherlich ist es von Vorteil, wenn eine psychoonkologische Zusatzqualifikation vorliegt, da die Therapeutin oder der Therapeut deine Ängste dann nachvollziehen und deine (neuen) Verhaltensweisen besser verstehen kann.
Am besten vereinbarst du einen Termin für ein Erstgespräch und entscheidest dann im Anschluss, ob du dir vorstellen kannst, längerfristig dorthin zu gehen.So wechselte ich nach zwei Sitzungen bei einer Psychoonkologin zu einer Therapeutin, die auf Supervision und Coaching spezialisiert ist, weil ich mit der ersten Dame nicht richtig warm wurde. Bei ihr fühle ich mich sehr gut aufgehoben. Und das liegt nicht nur am äußerst bequemen und durchaus stylishen Stuhl, auf dem ich sitzen darf.
Tadaa! Wie eingangs schon angekündigt, tritt hier zum ersten Mal ein Sitzmöbelstück in Erscheinung. Die aus Filmen bekannte Szene mit der Couch, auf dem die gestresste Hauptdarstellerin liegt und ihrem Therapeuten ihre Seele bloßlegt oder alternativ mit demSessel, in den der lädierte Hauptdarsteller versinkt, während seine Therapeutin ihm Fragen stellt, spielt sich tatsächlich im wahren Leben auch so ab. Wohlfühltatmosphäre in psychotherapeutischen Praxen muss schließlich sein!
Worauf solltest du – von schönen Sitzmöbeln abgesehen – bei der Wahl einer Therapeutin oder eines Therapeuten achten?
- Ist dir die Therapeutin/der Therapeut am Telefon und im Erstgespräch sympathisch? Nimm den ersten Eindruck und dein Bauchgefühl hierbei ganz ernst!
- Fühlst du dich wertgeschätzt behandelt?
- Erkundige dich danach, ob die Therapeutin/der Therapeut Erfahrung im Umgang mit Menschen mit ernsthaften (lebensbedrohlichen) Erkrankungen hat.
- Hat die Therapeutin/der Therapeut dir ihre/seine Vorgehensweise für den Ablauf einer Sitzung vorgestellt?
- Bietet sie/er dir an, Entspannungstechniken zu lernen oder ggf. auch im Rahmen der Therapie solche durchzuführen (z.B. Fantasiereisen, Atemübungen)?
- Hat die Therapeutin/der Therapeut nachgefragt, was du dir von den Sitzungen bei ihr/ihm erwartest, was dir wichtig ist und vor allem auch, was du möglicherweise nicht möchtest?
Therapie im Internetzeitalter
Falls du keine Praxis in deiner unmittelbaren Nähe findest oder mit langen Wartezeiten zu rechnen hast, du aufgrund deiner Erkrankung zu schwach bist, das Haus zu verlassen oder dich scheust, in Livekontakt mit anderen zu treten, dann gibt es mittlerweile auch die Möglichkeit, dir online therapeutische Hilfe zu suchen.
Ich habe über Instagram Gabriele Schwede, eine Familientherapeutin und Supervisorin, entdeckt. Sie bietet Beratungen über Zoom-Gespräche an. Aus eigener Brustkrebserfahrung heraus weiß sie, dass „Krisen [nicht fragen] ob es gerade passt. Ihnen auch Wartelisten bei Therapeuten egal [sind].“ Manchmal ist die Krise ganz plötzlich ganz akut ganz schlimm. Deshalb verspricht sie dir, liebe Brustkrebspatientin oder liebe/r Angehörige einer solchen, die/der du jetzt Unterstützung brauchst, „ein Erstgespräch innerhalb von 24 Stunden“ (https://es-ist-brustkrebs.de/persoenliche-unterstuetzung/). Das ist doch ein vielversprechendes und sehr beruhigendes Angebot, würde ich sagen!
Ebenfalls über Zoom läuft die telemedizinische Hilfe des Neuropsychatrischen Zentrums in Hamburg ab (https://www.gesundheit-adhoc.de/psychische-unterstuetzung-fuer-krebspatientinnen-digitale-gesundheitsanwendung-staerkt-fuer.html). Ich bin im Internet über dieses tolle Angebot gestolpert, hatte Kontakt mit einer Psychologin und weise an dieser Stelle sehr gerne auf diese tolle Möglichkeit einer “Therapie im eigenen Wohnzimmer” hin. Unter https://www.instagram.com/salute-online.de/ kannst du dich für eine digitalepsychoonkologische Therapieanwendung anmelden. Du bearbeitest selbständig psychotherapeutische Online-Module. Eine dir persönlich zugewiesene Psychologin oder ein Psychologe betreut dich in etwa zweiwöchigem Rhythmus in Video-Telefonaten. Derzeit ist das Angebot im Rahmen einer Studie für Brustkrebspatientinnen kostenlos. Die Teilnehmerzahl ist allerdings begrenzt. Für andere Krebsarten sind die Kosten für privat Versicherte schon jetzt anrechnungsfähig, zukünftig ist dies auch für gesetzliche Kassen möglich.
Möglicherweise stellst du fest, dass dir Therapiegespräche (live oder per Zoom) nicht helfen oder du eigentlich gar nicht über deine Erkrankung reden möchtest, dass du aber dennoch Hilfe für den Umgang mit deiner Erkrankung benötigst. Dann erkundige dich doch nach einem alternativen Therapieangebot wie z.B. einer Musik-, Tanz- oder Kunsttherapie. Diese Art der Auseinandersetzung kann eine psychoonkologische Betreuung nicht ersetzen, deinen Weg als komplementäre Therapie aber durchaus heilsam unterstützen (
Psychoonkologie ist wirklich spannend
Wenn du dich etwas genauer mit dem Thema „Psychoonkologie“ beschäftigen möchtest, dann ist das Interview mit Anja Mehnert Theuerkauf empfehlenswert: https://menschen-mit-krebs.de/3400-podcast-psychoonkologie-wissenswertes. Sie ist Direktorin des Instituts für medizinische Psychologie und medizinische Soziologie an der Uniklinik in Leipzig, dessen Schwerpunkt die Psychoonkologie ist.
Ganz toll ist außerdem die Folge „Psychoonkologie x Krebs“ aus der Podcastreihe „Let´s talk about Krebs Baby“: https://kurvenkratzer.podigee.io/3-alf-von-kries. Hier interviewt Martina Hagspiel, Chefin der Kurvenkratzer den Diplom-Psychologen Alf von Kries, der seit 1989 Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen begleitet. Wäre seine Praxis (http://www.praxis-wegbegleitung.de/) nicht mehrere hundert Kilometer weit weg von meinem Wohnort, würde ich definitiv einmal zu einer Sitzung dorthin gehen. Er war mir beim Anhören sehr sympathisch. Vielleicht buche ich sogar mal eine Online-Sitzung mit ihm?
Unbedingt erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Videos unter der Überschrift „Ein Fenster in die Psychoonkologie“ die Alf von Kries in Zusammenarbeit mit den Kurvenkratzern hergestellt hat. Dort finden sich Gespräche/Calls von/mit Menschen mit der Erfahrung „Krebs“. Hineinschauen lohnt sich unbedingt: https://www.youtube.com/watch?v=_IqKDbhjiFs&list=PLMorvbl4S0yszR3nCmYMoRazFU7OkjTsq
Nicht zuletzt möchte ich noch auf die Broschüre der Deutschen Krebshilfe hinweisen, die du unter https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Patientenleitlinien/Psychoonkologie_Patientenleitlinie_DeutscheKrebshilfe.pdf finden kannst und die alle wichtigen Informationen rund um deine psychoonkologische Betreuung enthält.
Selbsthilfe online – alles andere als unpersönlich
Ich durchlebte meinen Krebs-Wahnsinn mitten in der Corona-Pandemie und sämtliche Selbsthilfegruppen waren „out of order“. Es entstand zwar ein loser Emailkontakt mit der Verantwortlichen für die Frauenselbsthilfe nach Krebs für meine Gegend. Aber echten Kontakt zu anderen Krebsbetroffenen hatte ich – vom sich-Zunicken und kurzem Smalltalk in der Chemo-oder Strahlenambulanz abgesehen – nicht. Mit Mundschutz und großem Abstand schließt man nicht so leicht Freundschaften. Zoom-Treffen wie es sie andernorts gab, wurden hier bei uns nicht angeboten.
Zwar halfen mir das Schreiben hier auf dem Blog, der Sport und das Lesen krebsiger Erfahrungsberichte und sonstiger Krebsliteratur (Dazu gibt´s demnächst mal einen eigenen Blogpost!), dennoch wollte ich irgendwie in Kontakt mit anderen Krebspatientinnen und –patienten treten.
Im Internet traf ich auf eine Vielfalt an Möglichkeiten für den Erfahrungsaustausch: offene und geschlossene Foren, Chats, Gruppen in sozialen Netzwerken, virtuelle Selbsthilfegruppen. Zunächst überforderte mich das alles etwas. Aber da ich ja chemobedingt sehr wenig schlief, hatte ich viel Zeit, mich in der Dunkelheit hier und da hineinzuschauen, da und dort still mitzulesen, jener und jenem zu folgen, diese und diesen zu kontaktieren. Mit der Zeit kristallisierten sich dann meine Favoriten und passenden Anlaufstellen heraus.
Viele Patientinnen gehen auf Instagram oder Facebook in ihren Krebsblogs sehr offen mit ihrer Erkrankung um und posten Bilder, erzählen regelmäßig von sich. Lange Zeit war ich lediglich stille Mitleserin. Mit der Zeit nahm ich dann aber zu der ein oder anderen Krebslerin auch direkten Kontakt auf. Auch hinterließ ich ab und zu Kommentare und veröffentlichte selbst immer wieder Instagram-Posts. Das alles tat gut und tut es weiterhin
Nicht zuletzt sind Podcasts eine ganz tolle Möglichkeit, um die Geschichten anderer Betroffener, ihre Leidenswege, aber auch den gelungenen Wiedereinstieg in das Berufsleben, einfach Ausschnitte aus krebseigen Lebensenwürfen kennenzulernen. Ich fühlte und fühle mich mit meinen Chemo-Zipperlein, den Nebenwirkungen der Anti-Hormontherapie, meinen Ängsten und Sorgen und den ganz alltäglichen Alltagsquerelen einer Krebserkrankten verstanden und herrlich normal, auch wenn mein Umfeld das nicht immer so wahrnahm oder wahrnimmt.
Mich begleitete der Podcast von „2 Frauen 2 Brüste“, zwei ehemalige Brustkrebspatientinnen, die ich dann auch auf Instagram fand (@kickcancerchick und @paulinapaulette) durch so manche Chemonacht und tut es heute noch auf längeren Autofahrten. Außerdem hörte ich mir viele Interviews von Karen Abel mit Krebspatientinnen und Krebspatienten auf „Leben mit Krebs – Let´s talk about cancer“ (@Leben mit Krebs_Podcast) an- zwischenzeitlich habe ich mit der lieben Karen in einer Folge über meine eigene Krebsreise gesprochen. Auch toll ist der Podcast von und mit Kendra Zwiefka (@kendrazwiefka): „Krebs als zweite Chance – Der Mutmacher Podcast“.
Vielleicht möchtest auch du, liebe Leserin und lieber Leser, dich online auf die Suche nach anderen Krebslerinnen und Krebslern machen, weil es vor Ort keine Selbsthilfegruppe gibt, weil du dich aufgrund der Infektgefahr infolge deiner Chemotherapie nicht in Livekontakte begeben möchtest oder schlicht und ergreifend, weil du lieber im Schutz der Internet-Anonymität aktiv werden möchtest? Dann checke mal die Hasthags #brustkrebs, #fuckcaner, #breastcaner, #cancersurvivor!
Hier noch ein paar Tipps für dich, um dich recht schnell zurechtzufinden im riesigen Online-Krebs-Dschungel:
- Lies erst einmal eine Weile still in einem Forum mit, bevor du dich registrierst und selbst aktiv wirst.
- Beobachte, welche Reaktionen auf bestimmte Aussagen erfolgen und ob der Ton mitunter „ruppig“ wird, wenn eine Schreiberin oder ein Schreiber eine „unpassende“ Frage hat oder „andere“ Meinung vertritt.
- Sei wachsam, wenn bestimmte Produkte angepriesen werden. Dann sind die Forenbetreiber möglicherweise nicht neutral, sondern wirtschaftlich motiviert. Mitunter kann es dann auch vorkommen, dass sich Fake-User als Verbraucher im Forum tummeln.
- Du solltest vorsichtig sein, wenn medizinische Aussagen getroffen werden. Diese können falsch, veraltet oder durch die subjektive Erfahrung einseitig dargestellt werden.
- Gib öffentlich nicht zu viele private Details preis. Möchtest du eine Userin oder einen User näher kennenlernen oder hast du konkrete Fragen an sie oder ihn, dann kontaktiere sie oder ihn über private Nachrichten.
Ich rate dir, zum Einstieg in die Online-Selbsthilfe mal einen Besuch auf diesen beiden Homepages zu machen:
https://www.netzwerkstattkrebs.de/ (Mit einer Suchmaschine für eine Selbsthilfegruppe in deiner Nähe, einem Online-Selbsthilfegruppenangebot, vielfältigen Informationen.)
https://forum.frauenselbsthilfe.de/ (Möglichkeit zum stillen Mitlesen oder – nach Anmeldung – Fragen stellen, Sorgen schildern, Dinge loswerden).
Ebenfalls empfehlen kann ich zwei Apps, um sich mit anderen Krebslerinnen und Krebslern zu vernetzen. Beide erhältlich im Google Playstore oder Apple Store.
FSH-Krebs-App: Hier bietet die Frauenselbsthilfe Krebs qualitätsgesicherte Informationen rund um das Thema Krebs oder relevante Ansprechpartner. Mit einem Touch auf den Screen des Handys können dann auch direkt telefonische Kontakte hergestellt werden.
Yes!App: Hierbei handelt es sich um eine digitale Online-Selbsthilfegruppe mit rund 13 000 Mitgliederinnen und Mitgliedern. Es gibt Gruppen zu verschiedenen Themen und Krebsarten. Außerdem kann man nach Betroffenen in seinem Postleitzahlengebiet suchen. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich mit Fragen an Yes!Coaches wenden und hat in sogenannten Call-Ins die Möglichkeit live Fragen zu speziellen Themen an Expertinnen und Experten zu stellen. Ich selbst tausche mich über diese App mit ein paar anderen Brustskrebslis (wie sie sich hier nennen) aus und habe zudem Kontakte zu Expertinnen und Experten geknüpft.
Eine tolle Sache sind außerdem die „Tittie-Talks“, die während der Corona-Zeit von Rhea und Lena, zwei Brustkrebspatientinnen, die sich auf Instagram kennenlernten, entstanden sind. Hier kannst du, liebe Brustkrebserkrankte, dich via Bildschirm mit anderen Frauen in einer virtuellen Wohnung treffen. In jedem Raum wird ein anderes Thema besprochen (nicht zu vergessen die Küche, in der es ja bekanntlich die besten Partys gibt). Die nächsten Termine und Themen gibt es vorab bei @dasbuusenkollektiv oder auf der Homepage https://www.dasbuusenkollektiv.de/.
Wundervolle Unterstützung per Zoom und im virtuellen Kontakt mit anderen Erkrankten findest du auch bei Lebensheldin e.V. (https://lebensheldin.de). Dort kannst du beispielsweise jeden 2. Donnerstag im Monat von 18-19 Uhr gemeinsam mit anderen Brustkrebspatientinnen per Zoom eine “Herzenszeit” erleben:und auch sonst viele wertvolle Hilfsangebote für dein Leben mit und nach Brustkrebs entdecken. So gibt es sogar ein Angebot, in dem erneut ein Sitzmöbelstück eine wichtige Rolle spielt, das “Sofa-Retreat”, eine Art Selbsthilfe-Modul.
Eine Selbsthilfegruppe im echten Leben
Nach einem Zeitungsartikel über mich rief die Leiterin einer Selbsthilfegruppe hier in einem Ort um die Ecke mich an (Danke, liebe V. für dieses wunderbare Gespräch!), die auch ein paar Texte auf meinem Blog gelesen hatte und fragen wollte, ob ich mir eine Mitarbeit in der Krebshilfe vorstellen könnte.
Hm, ganz kurz waren da vorurteilsbehaftete Gedanke an einen Stuhlkreis, an eine deprimierende Stimmung, an traurige Geschichten, an vorrangig ältere Leute und an Todesnachrichten von Menschen, die den Krebs nicht überlebt haben. Aber dann dachte ich mir: „Warum nicht?“. Schließlich war es mir im Laufe meiner Krebserkrankung mehr und mehr ein Anliegen geworden, über Krebs zu sprechen, ihn laut zu machen, ihm in der Gesellschaft ein Gesicht zu geben. Außerdem bin ich doch selbst einer dieser Menschen, die diese todesbedrohliche Krankheit hat und vielleicht ab und zu eine traurige Geschichte erzählen und Sorgen bei anderen Krebspatientinnen oder –patienten abladen möchte.
Zwar habe ich einen tollen Partner, dem ich vieles erzähle. Aber dieser kann so manchen meiner Gedankengänge nicht mitgehen, manche meiner (neuen) Verhaltensweisen nicht immer verstehen oder meine Ängste nur bedingt nachvollziehen. In einer Selbsthilfegruppe würde ich auf „meinesgleichen“ stoßen. Dort würde man meine Sorgen verstehen und fände meine Fragen bestimmt nicht komisch, weil die eine oder der andere sich genau dieselben auch schon gestellt hat. Das würde mir sicherlich guttun und helfen und nicht zuletzt auch meinen Partner entlasten. Denn ich würde – wie auch bei meiner Therapeutin – im Rahmen der Selbsthilfegruppe meinen Krebs zum Thema machen, ihm seinen Raum geben und ihn dann für eine Weile wieder in seine Schranken verweisen und mein Leben (zumindest für ein paar Tage oder auch Wochen) wieder „normal” und angstfrei (oder zumindest angstbefreiter) weitergehen lassen.
Kurze Zeit später setzten V. und ich uns mit einem anderen Krebsler in meinem Alter auf unserer Terrasse zusammen. Da die Belegschaft der schon bestehenden Selbsthilfegruppe 60+ war, entstand die Idee, eine Gruppe für jüngere Betroffene auf die Beine zu stellen. Die Fragen, die sich Krebslerinnen und Krebslern in der Mitte ihres Lebens stellen, sind nun mal einfach andere als solche für Betroffene im Rentenalter (Wie ist das mit dem Kinderwunsch nach einer Krebserkrankung? Wie manage ich eine Chemo mit zwei Kleinkindern? Wie schaffe ich nach der Akut-Therapie den Wiedereinstieg ins Berufsleben? Welche Nebenwirkungen schränken mich möglicherweise noch lange Zeit ein? Wie kann ich wieder unbeschwerter in meine Zukunft blicken?)
Ich kontaktierte die Zeitung, die einen Artikel über unsere Idee brachte (Vielen Dank, liebe Frau W. für ihre sofortige Zusage und den tollen Text!). Mein Mitstreiter organisierte einen Raum, führte Telefonate mit den entsprechenden zuständigen Ämtern und setzte sich sogar mit Bürgermeistern umliegender Gemeinden in Verbindung (Vielen herzlichen Dank, lieber M., dass du so tatkräftig und forsch vorangehst und bisher alle Präsenz-Termine ohne mich wahrgenommen hast!). Wir setzten einen Termin fest und inserierten in den Gemeindeblättern in den Schwarzwaldnestern rings um uns herum.
Selbsthilfegruppe: Regelmäßiges Zusammentreffen (virtuell oder physisch) von Menschen mit derselben Diagnose (Krebs, Alkoholabhängigkeit), ähnlicher psychischer Bedürfnislage (z.B. depressive Verstimmungen( der denselben Lebensherausforderungen (z.B. ein Kind mit einer Besonderheit) zum Austausch über ihre Betroffenheit und Erfahrungen.
Bei unserem ersten Treffen wurden wir zwar nicht von Teilnehmerinnen und Teilnehmern überrannt, aber wir blieben auch nicht ganz unter uns. Der Austausch an diesem Abend war sehr angenehm und ich baue auf die Mund-zu-Mund-Propaganda, die uns bestimmt noch die eine oder den anderen Teilnehmerin oder Teilnehmer für unsere Gruppe bringen wird.
Vielleicht entwickelt sich das Ganze ganz wunderbar und wir werden so eine coole Truppe wie die Teilnehmerinnen der Krebs-Selbsthilfegruppe aus Andrea Ulmers Roman „Überleben ist ein guter Anfang“, deren Mutter selbst an Brustkrebs gestorben ist. Darin begegnet man der krebskranken Anja, die dieselben Vorurteile gegen Selbsthilfegruppen hat wie ich. Nachdem ihr Mann ihr zigfach diesen „Blick“ zugeworfen hat, mit dem er sie ansieht, seit sie die Diagnose „metastasierten Brustkrebs“ erhalten hat, macht sie sich widerwillig doch zum Treffen der Gruppe „Gemeinsam stark gegen Krebs“ auf, die sich im Gemeindehaus trifft. Sie erkennt, dass eine Selbsthilfegruppe kein Zusammentreffen permanent weinender Menschen ist, die keine Träume mehr haben. Stattdessen nehmen die fünf Frauen den Rest ihres Lebens ganz bewusst in Angriff und unternehmen gemeinsam eine fünfwöchige Reise auf fünf Kontinenten. Es wird gelacht, humorvoll und sarkastisch mit der krebsigen Situation umgegangen.
Das macht Lust auf Selbsthilfe, das macht Lust auf den Austausch mit anderen Betroffenen, das macht Lust auf gemeinsame Aktionen, das macht Lust auf gemeinsame Freude und überhaupt auf ein gemeinsames Stück Lebensweg (auch wenn die eine oder der andere vielleicht nur ein kürzeres Stück mit dabei sein kann).
Nachtrag vom Juli 2022:
Ich kann euch sagen, dass sich bei uns in der Selbsthilfegruppe tatsächlich alles ganz wunderbar entwickelt hat. Wir sind mittlerweile netter Kreis von über zehn Frauen und Männer, der sich einmal im Monat trifft. Wir reden, erzählen, motzen und weinen. Wir lachen aber auch und feiern die schönen Dinge des Lebens bei Grillfesten oder auch mal einem Treffen im Freibad.
Auf der Suche nach einer Selbsthilfegruppe
Auch du, liebe Krebslerin oder lieber Krebsler, möchtest dich einer Selbsthilfegruppe anschließen? Unter https://www.nakos.de/adressen/ oder https://www.netzwerkstattkrebs.de/home/mitmachen/selbsthilfe/suchen-finden/ findest du die Kontaktdaten von Selbsthilfekontaktstellen und bestimmt auch eine in deiner Region.
Vielleicht ist es schwierig, eine für dich geeignete Gruppe zu finden: Vielleicht ist die nächste recht weit entfernt, zu groß oder das Alter passt nicht. Vielleicht gibt es aber auch eine Gruppe in deiner Nähe, mit einer moderaten Teilnehmerzahl und dennoch fühlst du dich dort nicht richtig wohl. Ich rate dir in jedem Fall, der Gruppe zunächst eine Chance zu geben, indem du zwei, drei Mal dort vorbei schaust und dich dann zu fragen, ob die Mitgliedschaft dir tatsächlich Hilfe bringt oder ob die Teilnahme für dich eher zeitraubend, anstrengend oder gar unangenehm ist. Woran erkennst du eine gute Selbsthilfegruppe?
- Du wirst nicht gezwungen, etwas zu erzählen, sondern darfst auch still und beobachtend an den Sitzungen teilnehmen.
- Du triffst auf Personen, die dieselbe Diagnose und/oder einen ähnlichen therapeutischen Weg gehen oder hinter sich haben, so dass du für dich passende Tipps und Tricks erhältst.
- Dir ist mindestens eine Person sympathisch oder du findest sie interessant.
- Du kannst deine Partnerin oder deinen Partner mitbringen, wenn dir das lieber ist.
- Deine Sorgen und Ängste werden ernstgenommen und nicht belächelt.
- Die Gruppe unternimmt ab und zu gemeinsam etwas, das nichts mit der Erkrankung zu tun hat (z.B. ein gemeinsamer Ausflug).
- Du kannst gemeinsam mit der Gruppe ab und zu lachen.
- Es besteht die Möglichkeit, gemeinsam Vorträge zu besuchen oder auch mal eine Expertin oder einen Expertin zu Gast in einer Sitzung zu haben.
Möglicherweise stellst du fest, dass die Schicksale der anderen Patientinnen und Patienten in der Gruppe für dich eine zusätzliche Belastung zu deiner eigenen Situation darstellen. Dann sprich das offen an und verlasse die Selbsthilfegruppe wieder. Vielleicht merkst du dann zu einem späteren Zeitpunkt, dass du dich gefestigter fühlst und gerne in Kontakt mit anderen Betroffenen treten möchtest. Dann scheu dich nicht, ein weiteres Mal zu einem Treffen dazuzustoßen. Anders als in einem Verein ist in solchen Gruppe ein Wechsel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Mal zu Mal normal.
Ach ja: Bevor es hier zu psychoedeprilastig wird, habe ich noch etwas zum Schmunzeln für euch. Haltet euch fest: M. und ich haben doch tatsächlich den ominösen Stuhlkreis als Sitzordnung für unser Selbsthilfegruppentreffen gewählt. Man sieht sich so einfach am besten, kann den Corona-Abstand einhalten und dennoch nicht zu unpersönlich getrennt sitzen und hat außerdem die Möglichkeit durch eine Kerze in der Mitte des Kreises eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Schon komisch, wie sich Vorurteile manchmal einfach in Luft auflösen und wie wichtig Sitzmöbelstücke im Rahmen der psychischen Heilung sind, oder?
Wer noch immer keine Lust verspürt, einmal in eine Selbsthilfegruppenstuhlkreis Platz zu nehmen, dem empfehle ich die Folge „Selbsthilfe” aus der Kurvenkratzer-Podcastreihe “Let´s talk about Krebs, Baby” spricht Martina Hagspiel mit Carsten Witte (https://kurvenkratzer.podigee.io/14-neue-episode), dem es ähnlich ging wie M. und mir: Jung an Krebs erkrankt und keine passende Selbsthilfegruppe vor Ort. Er gründete den Verein “Jung und Krebs”, der drei Selbsthilfegruppen in meinem Studiumstädtchen Freiburg hat plus eine weitere Gruppe in Rheinfelden. Dazu kommen tolle Aktionen wie z.B. der DreisamFlow, eine Laufaktion oder Wunscherfüllungen für schwerkranke Patientinnen und Patienten, Workshops und und und. Es macht Spaß, Carsten zuzuhören (oder Emails von ihm zu lesen) und seine Begeisterung und Überzeugung für die Wichtigkeit und vor allem Wirksamkeit der Selbsthilfe zu spüren.
Nachtrag vom Juli 2022:
Das Leben geht doch manchmal seltsame Wege… Markus und ich sind mit unserer Gruppe mittlerweile ein Teil der coolen Truppe von Jung&Krebs in Freiburg. Wir bilden das Team Wutachtal. Carsten aus dem Podcast kennen wir nun persönlich, er ist im Real Life ein wahnsinnig beeindruckender Kerl. Ich bin sehr glücklich, ihn kennengelernt zu haben und nun für Aufklärung und Selbsthilfe im Schwarzwald zu sorgen.
Ein Gedankenimpuls zum Schluss
Egal, ob im Livekontakt oder in einer virtuellen Gruppe, egal, ob in der Praxis einer Therapeutin oder eines Therapeuten oder durch Gespräche mit einem Seelsorger – der Austausch mit anderen Betroffenen oder mit einer geschulten Person, die in keiner persönlichen Beziehung zu uns Krebspatientinnen und -Patienten steht, ist immens wichtig. Das alles wird dich – und mich – stärken für die Belastungen durch deine Erkrankung und dir helfen, Rückschläge geistig gefasster hinnehmen zu können und dir schlicht und ergreifend immer wieder die Möglichkeit geben, über deine krebsige Misere lachen und auch weinen zu können bei Menschen, die ich verstehen und unterstützen. Wie Anja aus dem Roman von Andrea Ulmer habe ich erkannt, dass Selbsthilfe nichts ist, “das man alleine macht”. Vielmehr ist es doch so: “Man half sich nicht selbst, sondern gegenseitig.“ Deshalb rate ich allen betroffenen Leserinnen und Lesern, unbedingt dazu, sich Unterstützung für die krebsig belastete Seele zu holen
Schön wäre es, wenn wir Krebslerinnen und Krebsler es durch den Austausch mit Psychoonkologinnen und –onkologen, anderen Betroffenen im Internet oder in der Selbsthilfegruppe schaffen würden, einen guten Zugang zu unserer Krebserkrankung zu finden. Alf von Kries, der „Podcast-Psychoonkologe“ schickte mir hierzu einen wundervollen Gedankenimpuls, den ich euch zum Abschluss mit auf den Weg geben möchte.