Erleichterung vs. Belastung
4. Kapitel: Corona-Jahre
Weiterhin fühlte ich mich fit, sobald ich ausgeschlafen hatte. Das Schlafen war wichtig geworden und durchaus ein Hochgenuss. Ich hatte beobachtet, dass der einzige Vorbote der Tumorentwicklung 2013 und 2016 eine plötzlich einsetzende Müdigkeit am späteren Nachmittag oder am Abend war. Das war gleichzeitig mit der Operation verschwunden.
Mein Mann hatte sich von seiner Überarbeitung erholt und eine Teilzeittätigkeit angenommen, die uns genügend Zeit lies für unsere gemeinsamen Unternehmungen. Unterbrochen durch Corona machten wir Wanderungen im nahegelegenen Wald, begannen abends Dokumentationen von Musikern, Live-Mitschnitte von Konzerten und Opern übers Fernsehen anzusehen. Langweilig wurde es nicht. Ich hatte die Strickleidenschaft wiederentdeckt und jedem aus der Familie einen Pullover gestrickt, dem Enkelkind natürlich mehrere.
Im April 2021 – 5 Jahre nach der letzten Operation – kamen die Müdigkeits-Symptome zurück und ich tastete einen Knoten in der rechten Brust. Die Bösartigkeit bestätigte sich bei der Stanze und wurde operativ „im Guten“ entfernt.
Drei Monate später zeigten sich Hautveränderungen, die ich zunächst als Mückenstiche deutete, weil es Sommer war. Später war klar, dass es Hautmetastasen waren.
Die rechte Brust fühlte sich fremd an, immer wieder Stiche an verschiedenen Stellen und schließlich auch Knötchen tastbar. In der MRT-Untersuchung im Oktober 2021 konnte man erkennen, dass die ganze Brust befallen war.
Psychisch hatte ich natürlich erneut das Gefühl, dass mein Leben nun bald zu Ende geht – vielleicht war es schon Gewohnheit, dass mir diese Vorstellung keine Angst mehr machte. Ich fühlte nur Dankbarkeit für mein Leben ohne Kriege, ohne Hungersnot, ohne erlebte und mich beeinträchtigende Unwetter, dankbar eine wunderbare Familie zu haben, insgesamt ein erfülltes und glückliches Leben. Es gibt insgesamt auf der Welt sicher wenige Menschen, die das von sich sagen können.
Meine Geschichte ging aber weiter.
Die rechte Brust wurde im Oktober 2021 entfernt, die Müdigkeit war wieder weg, im CT waren keine Metastasen erkennbar.
Nach der Tumorkonferenz wurde mir empfohlen, mich erneut einer Chemotherapie zu unterziehen. Mein Gefühl sagte mir, dass ich das ablehnen möchte, vor Allem, weil ich mich auf ein kürzeres Überleben eingestellt hatte nach der Häufung der Ereignisse und ich diese Zeit ohne Einschränkung leben wollte mit uneingeschränkten Besuchen des Enkelkindes, das doch ständig erkältet war und ich während der Chemotherapie anfälliger für Infekte werden würde.
Dieses Ereignis kam 4 Jahre nach der Aufgabe meines Berufes, die ich bis auf die kurzen Krankenhausaufenthalte uneingeschränkt genießen konnte – welch ein Glück