Erleichterung vs. Belastung
Chemo and the Brain
Seit dem 2. Chemozyklus habe ich mich bisher noch nicht so viel gemeldet, zumindest nicht mit langen Blog-Postings.
Grund dafür: ich nenn es mal „Chemo-brain“. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass leider auch einige Gehirnzellen mit der Chemo abgetötet werden. Ich habe ziemliche Probleme mich zu konzentrieren – dieser Blog-Eintrag ist deshalb auch schon länger in der Mache:
15.03.2022
So, jetzt bin ich seit fast zwei Wochen wieder im Krankenhaus für den 2. Chemozyklus – ich muss ehrlich sagen, die letzten Tage hatte ich körperlich, aber tatsächlich auch geistig nicht die Kraft, viel mehr zu tun als schlafen, vegetieren, ein bisschen Hörbuch hören und den ein oder anderen Kranich zu falten…
Ich war ein bisschen in einer „egal“-Stimmung – und hab hauptsächlich geschlafen.
….und während ich diesen Blog schreibe, geht es wieder los, die Müdigkeit/Leere/Fatigue/Kraftlosigkeit/Antriebslosigkeit……Konzentrieren, klare Gedanken fassen wird schwierig. Vielleicht wird das ein Blog-Eintrag, der über mehrere Tage (Nachtrag: Wochen!!!) entsteht – ich versuche, die „wachen“ Stunden (oder eher Minuten?!) zu nutzen, in denen ich meine „alte“ Energie wieder habe. Und dazwischen bleibt mir nichts anderes übrig, als meinem Körper und Geist das zu geben, was er wohl braucht: Ruhe. Nichts tun. Möglichst wenig denken. Als Akademikerin nicht einfach zu akzeptieren.
21.03.2022
Tatsächlich waren die letzten vier Tage auch so „egal“-Stimmungs-Tage. Probleme mit Magen-Darm und Übelkeit haben die Gesamtstimmung nicht unbedingt verbessert.
Was ich aus diesen Tagen jetzt gelernt habe:1) keine festen Pläne machen – beziehungsweise Termine nur mit Vorbehalt ausmachen und ggfs dann ohne schlechtes Gewissen (leichter gesagt als getan…) absagen, auch wenn es kurzfristig ist! Gerade wenn Übelkeit mit im Spiel ist, kann der Wechsel von „alles gut, lass uns was zusammen machen/arbeiten/quatschen“ zu „Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen.“ extrem schnell verlaufen……
2) die Tage so nehmen, wie sie sind. Die schlechten Tage eben einfach schlechte Tage sein lassen – und zu dem nutzten, wozu sie taugen: Ausruhen. Schlafen. Heulen. Leiden.
3) sich über die guten Tage freuen und das Beste aus ihnen rausholen – wenn man will.
Auch in der Zeit zu Hause nach dem 2. Zyklus, wo es mir (zumindest erstmal…) körperlich besser ging, war es schwierig mit der Konzentration. Beispiel: Passwörter – ich war noch nie gut darin, die mir zu merken, aber aktuell ist da bei mir sofort absolute Leere im Kopf, es steigt fast schon Panik auf, endet meist erstmal in einem Tränenausbruch. Nach einer Weile kommt es meist dann wieder. Aber vor allem, wenn ich Information auf Knopfdruck abrufen soll, kann ich das aktuell nicht. Auch wenn ich mich mit meinem Mann unterhalte und wir dann zum Beispiel ausschweifen und er fachlich weiterdiskutieren will passiert es mir oft, dass ich -zack- wieder diese Leere im Kopf habe und mich einfach auch nicht mehr Konzentrieren kann und das Gespräch dann abbrechen muss.
Das ist ziemlich frustrierend und macht auch ein bisschen Angst – Denken ist ja quasi meine höchste Qualifikation! Ohne die bin ich einfach nicht ich – als Mensch, privat und beruflich. Ich HOFFE das wird wieder besser. Ich hatte immer gedacht, dass ich mit meiner Ausbildung als Apothekerin und den damit verbundenen vielfältigen Job-Möglichkeiten ganz gut vor einer Arbeitsunfähigkeit geschützt bin, aktuell bin mir da nicht mehr so sicher….aber das hat – zum Glück- ja eh alles erstmal noch Zeit! Finanziell bin ich zumindest für die nächsten 1,5 Jahre erstmal (einigermaßen) abgedeckt – solange gibt es Krankengeld von der Krankenkasse. Zum Überleben reicht das zwar bei Weitem nicht, aber so kann ich doch zumindest etwas beisteuern in die Familienkasse und komme mir so nicht ganz so nutzlos und irgendwie fast schon schmarotzend vor. Das ist schonmal beruhigend. Also: Erstmal Konsoliderungs-Chemotherapien, dann hoffentlich die Stammzelltransplantation mit anschließender Behandlung, die voraussichtlich auch 6-12 Monate dauert. Step by step. Auch wenn es aktuell leichter gesagt als getan ist: Think Positive: vielleicht ist bis dahin alles wieder beim Alten – und wer weiß, was dann ist und was ich dann tatsächlich mache(n will). Gut, dass ich meine Fähigkeit Denken zu können schon ausreichend unter Beweis stellen konnte und die Trophäen (Promotionsurkunde, Deutscher Studienpreis der Körber- Stiftung) sicher im Schrank stehen – ich hoffe, das wird dann kein „Sammelsurium: damals…..“, dem ich dann nachtrauere, sondern dass ich mich einfach gerne an diese Zeit zurück erinnern kann und aber auch zufrieden sein kann, was dann in der Zukunft mein Leben ist.
Ihr merkt sicher: gerade hadere ich doch ein bisschen – 100% positiv eingestellt zu sein gelingt mir aktuell nicht – und ich denke, das ist auch okay so. Alles andere wäre wohl utopisch. Aber ich kämpfe darum, dass mir die grundsätzlich positive Einstellung nicht verloren geht!!!!