Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Brustlos – kein Thema der Weiblichkeit

Immer wieder werde ich gefragt ob ich mich, mit der Erkrankung, oder gar ohne Brüste, noch “als Frau” fühlen würde. Es scheint gesellschaftlicher Konsens zu sein, dass Frau ohne Brüste an Selbstbewusstsein verliert und sich mit sich und ihrem Körper weniger wohl fühlt.

 

Ich muss sicher nicht erklären, dass ich mich nicht besonders wohl fühle in meinem Körper. Mein Übergewicht war schon vor meiner Erkrankung ein Problem und ist mit der Erkrankung weiter schlimmer geworden. Dazu kommen die riesigen Narben, die verbrannte Haut, die Glatze und während der Chemotherapie das, vom Kortison, aufgequollene Gesicht.

 

Aber fühle ich mich deswegen irgendwie in meiner Weiblichkeit beeinträchtigt?

 

Für mich ist das eine ganz seltsame Frage. Ich habe mich noch nie in meinem Leben “als Frau” oder irgendwie “weiblich” gefühlt.

Das ist einfach kein Teil meiner Gefühlswelt.

Für viele Brustkrebspatientinnen scheint das ein großes, für manche das größte, Thema zu sein. Für mich ist es keines. Zumindest keines gewesen, bevor es eine der oft gestellten Fragen in meinem Leben wurde.

 

Was bedeutet überhaupt “sich weiblich fühlen” oder “sich als Frau fühlen”?

 

Ich habe mich schon als Teenager nicht über typische Geschlechterrollen definiert.

Meine erste Periode war für mich kein “großer Schritt”. Ich freute mich nicht “endlich eine Frau” zu sein. Ich sah es schon damals sehr nüchtern und rational. Schwanger werden wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht und der weibliche Zyklus hatte über die Möglichkeit schwanger zu werden hinaus für mich keinen Vorteil.

 

Wegen starker Menstruationsbeschwerden bekam ich schon sehr früh die Pille verschrieben. Schon bald setzte ich sie nicht mehr für die obligatorische Abbruchblutung ab.

Argumente diese pausenlose Einnahme der Pille sei ungesund prallten von mir ab. Dass manche Frauen den eigenen Zyklus zelebrieren und als etwas ganz besonderes, dass ein wichtiger Teil “ihrer Weiblichkeit” ist wahrnehmen, war mir schon damals fremd.

 

Meine Brüste empfand ich stets als störend. Auch wenn ich Brüste durchaus gewissermaßen schön finde und meine gerne wieder hätte, wenn ich frei wählen könnte, so hing ich doch nie an ihnen.

Beim Treppen laufen schmerzten sie, beim Sport störten sie, beim auf dem Bauch liegen waren sie im Weg und BHs und ich wurden sowieso nie Freunde.

 

Zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben habe ich mich auch nur im entferntesten über meine Brüste definiert, aber noch viel weniger würde ich auf die Idee kommen meine “Weiblichkeit” von Äußerlichkeiten wie meinen Brüsten abhängig zu machen.

 

Ich Stelle meine Weiblichkeit nicht in Frage. Ich bin eine Frau und das ist auch gut so, aber ich muss in kein Frauenbild passen. Nicht in dass irgendwelcher Frauen und schon gar nicht in das irgendwelcher Männer.

 

Also hört auf mich zu Fragen ob ich unter dem “Verlust meiner Weiblichkeit” leide, ob ich mich “noch oder wieder als Frau fühle” und auch ob ich mich ohne Brüste nicht mehr “Attraktiv” fühle.

 

Ich definiere mich so grundsätzlich über andere Eigenschaften, dass diese Gedankengänge für mich keinen Raum haben. Und auch wenn vermutlich viele Menschen Frauen ohne Brüste irgendwie weniger attraktiv finden ist das für mich vollkommen irrelevant, weil ich das so nicht sehe, ich von Menschen die das so sehen nicht attraktiv gefunden werden will und weil ich einen wunderbaren Mann habe, der mich schätzt und liebt für meinen Humor und meine Klugheit, für mein Hilfsbereitschaft und meine Klugscheißerei, eben für das was ich bin, für meinen Charakter. Der mich, als der Mensch der ich bin liebt, ganz egal ob ich Brüste und Haare habe oder nicht.

Jetzt teilen