Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 26.03.2020: Letzter Zyklus, leckeres Essen und Lottogewinne
Es ist soweit. Der letzte Chemotherapiezyklus startet. Ganz gemütlich machen wir uns fertig, ich vertilge zum Frühstück die Reste von allem, was die Mädels nicht aufessen würden (primär der Fleischsalat) und dann geht es los. In unserem Bus, den wir gestern dann auch noch auf den Namen „Frank Busmann“ getauft haben, warten schon meine Getränkevorräte. Ich habe ein paar Säfte gehamstert, weil ich ja nicht weiß, wann die Besuchssperre in der Klinik wieder aufgehoben wird. Da ist mir ein kleiner Vorrat schon ganz lieb. Generell hamstern wir aber nicht – weder Klopapier, noch Nudeln oder Sterilium. Ein paar Masken habe ich zuhause, zugegeben. Aber ich hab ja auch Bedarf. Ich hoffe für die Bunkerer, dass sie das gehamsterte Zeug nicht zusammen verwenden. Eine Penne an Hakle-Sterilium-Pesto finde ich nur bedingt lecker. Aber knallt wahrscheinlich gut.
In der Klinik angekommen hole ich erstmal im MVZ Onkologie meine neue Krankmeldung. Danach zur Anmeldung, Wartemarke ziehen, in der Zwischenzeit WLAN-Voucher am Infopoint abholen, danach anmelden, All-Inclusive-Bändchen anlegen lassen und Checkin-Unterlagen abgreifen.
Danach geht es hoch auf die 3B – Onkologie. Mittlerweile kenne ich wohl das ganze Team und das ganze Team mich. Alle freuen sich immer mich zu sehen. Keine Ahnung, ob es an meinen schlechten Witzen, den dummen Sprüchen oder einfach an der Tüte mit Süßigkeiten liegt, die das Stationspersonal zu Beginn jeden Zyklusses als Dank für deinen wertvollen Dienst und mir gegenüber jederzeit freundlichen Umgang von mir bekommt.
Als erstes der Aufnahme-Check. Dieses Mal etwas im Umfang erweitert. Ich muss ein paar Fragen beantworten:
- Ob ich Kurzatmig wäre? Bin ich. Seit dem ersten Zyklus ist meine Lunge zeitweise etwas blockiert.
- Ob ich Fieber habe? Nein.
- Durchfall? Auch nicht. Zumindest nicht mehr als sonst auch.
- Husten? Nur wenn ich mal wieder zu blöd bin und mich an meiner eigenen Sabber verschlucke.
- Schmerzen? Nur wenn ich zuhause auf rumliegendes Playmobil trete.
- Halsschmerzen? Seit ein paar Tagen etwas Halskratzen… Oh Oh!?
- Kopfweh? Nur nach einem Fahrradsturz oder wenn ich zu tief ins Glas geschaut habe… mach ich ja aber während der Chemo nicht – also Fahrrad fahren. Nein, Quatsch! Umgekehrt.
- Schupfen? Meine Nase läuft ab und zu, speziell wenn ich vom Kalten ins Warme komme. Nochmal Oh Oh!?
Alles in allem reichen die zwei „Oh Oh“ aber nicht für einen Coronaverdacht. Wie auch, ich trinke ja keinen Alkohol unter der Chemo . Da verpufft er, der Traum vom Einzelzimmer. Ja ich weiß, ist makaber. Aber hey: ICH gehöre zur Risikogruppe. ICH darf Witze darüber machen. Zum Schluss: Port anstechen, Blut abnehmen, Port spülen.
Danach geht es für mich in meine Suite. Suite 19 dieses Mal. Das erste oder letzte Zimmer im Bereich der 3B. Je nachdem in welcher Richtung man anfängt. Bin dann jetzt wohl am untersten Ende der Fahnenstange angekommen. Angefangen bei Suite 36 im November zur Diangnostik, dann Suite 30 für Zyklus I, Suite 24 im II. Zyklus, Suite 29 (auf eigenen Wunsch) in Zyklus III und jetzt Suite 19. Ich nennen Suite 19 liebevoll „die indische Suite“. Warum? Nee, nicht weil es hier nach Curry riecht oder Raj meinen Rechner repariert. Viel profaner. Suite 19 liegt am Ende des Ganges von Station 3B. Verstanden? Am Ende des Ganges!? Ganges?! Fluss in Indien !!
Bevor dann für mich chemotherapeutisch der Tag der höchsten Planerfüllung ansteht, statte ich dem Bäcker im EG noch einen Besuch ab. Ein bisschen Grundlage schaffen für die 4 Beutel Chemo die Da kommen. Es gibt das Standardgedeck. Schlemmertasche und Kakao. Das sind die kleinen Freuden, die meinen inneren Gönnjamin glücklich machen.
Danach geht es los. Schlag auf Schlag. Die erste Buddel Cyclophosphamid 2813 mg. Ulf, mein Chemobeutelhalter hat gut zu tragen.
Danach kommt eine Portion Dexorubicin 79 mg. Wie der Name erahnen lässt (rubi) ist das das rote Zeug. Und auch das ekeligste. Davon wird mir immer direkt etwas schwummerig und die Nasenschleimhaut wird ziemlich gereizt und trocken. Dadurch wird das Atmen ziemlich „scharf“.
Anschließend gibt es noch eine Ladung Etoposid 450 mg und danach wird mit einem Liter Jonosteril gespült. Vor den Beuteln, 4 Stunden danach und Abends gibt es dann nochmal eine Ladung Mesna, dass prophylaktisch gegen die Übelkeit helfen soll.
Zwischendurch ist viel trinken angesagt. Mein Körper scheint sich daran auch mittlerweile gewöhnt zu haben. In den ersten zwei Zyklen habe ich gefühlt mehr Zeit mit meinen Freunden Villeroy & Boch verbracht als in meinem eigentlichen Krankenzimmer. Das Trinken klappt in der Klinik auch sehr gut, weil überall kleine 0,5 l Flaschen Wasser stehen. Darauf sind immer teils informative, teils unterhaltsame Texte aufgedruckt. Gestern stand folgendes auf einer meiner Flaschen:
Am Abend kommen die Mädels noch kurz vorbei und geben mir vor der Tür eine kleine Stärkung mit auf den Weg. Eine Scheibe Brot zu Abend macht einen Bären wie mich halt nicht satt.
Danach bastel ich noch an einem Gastbeitrag für das Krebsnetzwerk „Cancer Unites“ zum Thema „Finanzen und Krebs“. Das ist dann schon mein zweiter Beitrag. Ich werde sie später gesondert in eine eigene Kategorie stellen.
Am Ende des Tages bin ich erstaunlich fit. Die Nebenwirkungen lassen sich ertragen und bis ich dann gegen Mitternacht schlafen gehe, zeigt sich keine Spur von Übelkeit, so dass ich auf die bedarfsweise Gabe einer zusätzlichen Antiübelpille verzichten kann. Nachts brauche ich sie aber dann doch, denn gegen 3:00 Uhr werde ich wach und muss gegen ein paar Schübe aufsteigenden Nahrungsbrei ankämpfen. Aber ich gewinne und alles bleibt drin. Aber gegen das Übelkeitsgefühl nehme ich proforma die Pille und schlafe noch knapp 3,5 Stunden.