Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 24.02.2020: Rosenmontag, Ruhe in Frieden Mia de Vries und Rückenschmerzen.
Heute ist Rosenmontag. Ich hab beschlossen, mich als Krebspatient zu verkleiden. Ich bekomme von zuhause Bilder der Mädels geschickt. Maxima, wie ihr am Namen erraten könnt, meine große Tochter geht als HipHop-Mädel und Lara, meine jüngste als Indianerin. Bin gespannt, ob das Theater gibt, wegen Diskriminierung von Minderheiten und so. Ist ja leider so heutzutage. Auf jeden Fall fasst mich heute alles irgendwie an und ich bin tief emotional. Chemokoller würde ich es vielleicht am ehesten nennen. Aber hey, sind ja nur noch 3 Tage, dann ist erstmal eine Woche Ruhe. Die Bilder bringen mich auf jeden Fall das erste mal heute zum heulen. Weil ich nicht bei ihnen sein kann, wenn sie sich verkleiden, schminken, schick machen.
Heute Nacht hatte ich Rückenschmerzen. Nierenschmerzen, um genauer zu sein. Das hatte ich im ersten Zyklus auch. Zwischen dem neunten und zehnten Tag scheinen die abgestorbenen Zellen alle ausgespült zu werden. Das geht auf die Nieren. Aber in diesem Zyklus ist es wenigsten soweit erträglich, dass ich keine Schmerzmittel brauche. Das ist doch positiv!
Frühstück das übliche. Brötchen, Aufschnitt, Marmelade, Nutella, Joghurt, Tee.
Wenig später lese ich bei t-online, dass Mia des Vries, wahrscheinlich Deutschlands bekannteste Krebsbloggerin, nach über 3 Jahren in der Nacht auf den 23.02.2020 den Kampf verloren hat und verstorben ist. Ich heule das zweite mal heute wie ein Schlosshund. Ich kannte Mia nicht persönlich, aber ich kann nachvollziehen, wie es ihrer Familie geht. Und ich frage mich, für welche Seite es schwerer sein muss. Für die Seite die geht, also für Mia, die sich von ihrem kleinen Sohn verabschieden muss, mit dem Wissen nicht mitzuerleben, wie er eingeschult wird, was er zu Karneval als Kostüm wählen wird und ihm nicht bei den Hausaufgaben helfen zu können, oder für die Seite, die verliert, also für ihren Mann, ihren Sohn, ihre Familie. Ich kondoliere Mia‘s Mann über die sozialen Medien und bestärke ihn, weiterzukämpfen. Es ist mir ein Bedürfnis, das zum Ausdruck zu bringen. Ich bin halt gerade irgendwie sentimental.
Das Mittagessen ist auch eher wenig spektakulär: eine Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree.
Nach dem Mittag bekomme ich den allmontäglichen Besuch meiner ältesten Schwester! Das hilft mir immer. Wir gehen einmal um den großen Pudding, also den etwas größeren Radius ums Klinikum und quatschen über alles mögliche. Unter anderem auch über all das, was ich oben schon beschrieb.
Um 15:30 Uhr stehen meine Mädels auf der Matte. Lara ist immer noch als Indianermädchen verkleidet – so süß. Wir kuscheln und quatschen, lachen und amüsieren uns. Um kurz vor 17:00 müssen wir uns dann leider wieder trennen.
Für mich gibt es heute nur noch Abendessen und Filme. Ich werd mir mal die Neuverfilmung von Stephen King‘s „Es“ antun. Mal sehen, wie der so ist.
Bis morgen, liebes Tagebuch!