Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 18.02.2020: Einmal durch einen Hai schwimmen, Rumpelstilzchen, Interims-Ausbilder für angehende Mediziner und happy Birthday Enzo!
Der Tag beginnt mal wieder mit einer unruhigen Nacht. Um 00:48 Uhr werde ich wach – Palaver auf dem Flur. Im Zimmer nebenan ist ein recht alter Patient untergebracht. Er scheint auch an Demenz erkrankt zu sein. Bereits in den vergangenen Nächten habe ich da schon meine Erfahrungen mit dem rastlosen kleinen Mann gemacht. Immer mal wieder ging nachts die Tür zu meinem Zimmer auf und da stand er dann da, wie Rumpelstilzchen im Zwielicht zwischen dem Dunkel meines Zimmers und dem stadionhell erleuchteten Flur und starrte in mein Zimmer. Der Spuk ging immer nur ein paar Sekunden, danach trollte er sich wieder in seine eigene Kammer zurück – meine Pforte lies er bei seiner Weiterreise aber stets offen. Also, raus aus den Federn zur Tür , Tür zu machen und versuchen weiterzupennen. Heute Nacht reichte ihm das aber anscheinend nicht aus und er durchstreifte den gesamten Korridor unseres Flügels. Die nachtwachende Schwester bemerkte das Schauspiel zwar ziemlich schnell, hatte aber Probleme zu dem Herrn durchzudringen und so entspann es sich, das Palaver auf dem Flur. Mit einer Geduld, auf die ich stolz wäre, hätte ich auch nur 10% davon, versuchte die Schwester, den Patienten zur Rückkehr in sein Zimmer zu bekehren. Dabei nutzte sie den beliebten „kaputte-Schallplatte-Trick“. Den nehme ich eigentlich immer nur, wenn die Kids im Supermarkt das achthunderfünfundneunzigtrilliardentste Süßigkeitenstück in den Wagen legen wollen.
„Herr Sch., bitte gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.“
„Aber ich muss doch…“
Herr Sch., bitte gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.“
„Aber ich muss doch das und das!“
Herr Sch., bitte gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.“
„Ich will aber nicht auf mein Zimmer, ich will bliblablubb*“
„Herr Sch., bitte gehen Sie wieder in Ihr Zimmer.“
Und so geht das weiter und weiter und weiter. Und nach und nach werden immer mehr Patienten wach. Nur Herr Sch. sieht leider nicht ein, nachzugeben. Die Schwester ist leider weitestgehend machtlos, da sie alleine ist. Nichtmal die Androhung die Polizei zu rufen fruchtet. Und bei sowas soll man genesen. Irgendwann holt sie einen Pfleger der Nachbarstation zu Hilfe und es kehrt langsam Ruhe ein. Auch ich schlafe irgendwann wieder ein. Dafür kommen jetzt wieder die wirren Träume. Wieder pünktlich in der Nacht vom vierten auf den fünften Tag. Ich hab nachgeschaut und es mit dem ersten Zyklus verglichen. Ihr erinnert euch: die Geschichte mit der Abmahnung, dem geheimen unterirdischen Autohaus, Mark Forster, Til Schweiger und Heidi Klum?! Ansonsten nochmal den Eintrag vom 28.01.2020 nachlesen. Dieses Mal träume ich aber nicht von der deutschen Prominenz. Ich scheine meine Lungenproblemchen zu verarbeiten. Der Inhalt meines Traums: ich schwimme in einem See. Plötzlich: eine Röhre. Mal rein da, schauen, wo sie hinführt. Ins Dunkle. Plötzlich wird aus dem Dunklen muffiges Dunkles. Links und rechts neben mir Rippen… Grooooooße Rippen. Weiterschwimmen. Auf einmal Zähne. Viele. Und auch groß. Ich schwimme durch einen Hai! Total bekloppt. Irgendwann ist das Abenteuer dann aber auch zu Ende. Verrücktes Zeug. Jetzt ist es 06:57 Uhr und ich warte darauf, dass der Tag richtig beginnt. Gespannt darauf, was heute wieder tolles passiert. Wir werden es erleben.
Dann erstmal Frühstück. Mein Zimmergenosse Klaus tauscht mit mir seine zwei Scheiben Edamer gegen eine Erdbeerkonfitüre. Ist ja wie auf dem Basar hier. Aber ein gutes Geschäft für mich.
Wenig später kommt dann auch ein Pflegeschüler oder Medizinstudent im letzten Ausbildungsjahr und möchte Blut aus meinem Portkatheter abnehmen. Er fragt mich, ob die Spritze einfach so an den Anschluss der Nadel angesetzt wird, oder ob dafür Adapter nötig sind… Bin ich der (angehende) Mediziner oder er!? Ich erkläre es ihm trotzdem. „Einfach dran damit! Aber vorher desinfizieren, dann erstmal spülen, Blut anziehen, dann die Röhrchen dran, Blut abnehmen, wieder spülen, fertig!“.
Also dann, er führt alles so durch, wie ich es ihm gesagt habe. Beim Blut ziehen ist er etwas verwundert: „Kommt ja gar nix.“. Ich sag: „Die Schlauchklemme ist ja auch noch verriegelt!“. Menschen sind halt auch nur Autos. Wenn da die Handbremse angezogen ist, dann geht’s halt nicht so richtig los. Also dann, Schlauchsperre frei und Wasser, bzw. Blut marsch! Wahnsinn, was ich hier selbst alles schon gelernt habe und nun an die künftigen Lebensretter weitergeben darf – Interims-Ausbilder… Uhrzeitlicher Zwischenstand: 09:05 Uhr.
Ansonsten weiß ich immer noch nicht so recht, ob ich beim Horoskop jetzt noch bei Stier oder bei Krebs lesen muss. Mein Stier-Horoskop hat auf jeden Fall Humor. So liest sich doch am heutigen Tage folgendes:
Job/Geld: „Wenn es darum geht, die Kollegen zu motivieren, sind sie heute unschlagbar.“ – gut, dass ich momentan nicht arbeite.
Aber mein Favorit ist folgende Passage.
Liebe: „Sie lassen sich auf die Liebe mit Haut und Haaren ein.“
Ansonsten ging es nachmittags mit den Mädels noch mal schnell zum Famila, ein bisschen was zu trinken kaufen, kleinere Snacks für zwischendurch und dann ist der Tag auch schon wieder gelaufen.
Aber bevor ich es noch vergesse:
Happy Birthday, Enzo.
Der frühere Rennfahrer, Gründer von Ferrari und offensichtlich auch Erstplatzierter im Mesut-Özil-Lookalike-Contest (noch vor Mesut Özil, der Platz 3 belegt), wäre heute 122 Jahre alt geworden.
Frappierende Ähnlichkeit: Links Enzo Ferrari, rechts Mesut Özil. Spooky: Ferrari starb ziemlich genau 2 Monate und 1 Tag bevor Mesut Özil das Licht der Welt erblickte.
Mittlerweile ist es 20:40 Uhr und ich werde müde. Die Nacht gestern hängt mir noch in den Knochen. Also werde ich jetzt meine Innenseiten der Augenlieder mal auf Unversehrtheit kontrollieren (zu gut deutsch: Augen zu machen!). Bis morgen, liebe Liebenden! Hold the ears stiff!