Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 09.03.2020: Gute Blutwerte, Schlechter Schlaf und der beste Besuch.
Es ist mittlerweile der 10.03.2020 04:19 Uhr. Seit bestimmt zwei Stunden liege ich wach. Der Grund? So vieles. Ungewissheit, Paniktendenzen, ein alter Mann, mit dem ich mir mein Zimmer teile und der nachts vor sich hinstöhnt, als müsse er einen Eiche-massiv-Schrank verrücken. Verrücken… da ist doch das Adjektiv „verrückt“?! Das werde ich hier auch bald, wenn das so weitergeht. Und dabei muss ich mich fragen, warum ein Patient, mit dem die Ärzte in der Visite immer nur über seinen Herzinfarkt reden, auf der Onkologie liegt. Ich bin ja, glaub ich, echt geduldig, aber irgendwann nervt es auch mich. Aber da muss ich halt jetzt auch durch. Generell scheine ich mir ja die „beschissenste“ Zeit ausgesucht zu haben, um gegen den Bastard Krebs anzutreten. Corona hier, Corona da, nur nicht mehr im Kühlschrank. Aber das ist mir auch ziemlich schnuppe, ich soll ja Alkohol eh meiden. Schaff ich auch. Um Klopapier muss ich mir zum Glück auch keine Sorgen machen, aber anscheinend wirklich um Nudeln und Reis. Reis gab es seit letzten Donnerstag nicht einmal. Bei Nudeln bin ich mir auch nicht mehr so sicher. Dafür Kartoffelstampf dass es einem zu den Ohren rauskommen kann. Sorgen mache ich mir auch um Mundschutzmasken. Die Schwester sagte gestern zu mir, dass die Belieferung schwierig ist und dass derzeit nur auf die Vorräte und Reserven zurückgegriffen werden kann/muss. Aber hey! Ist ja nicht so schlimm. Hauptsache da draußen bunkern mental verstorbene aber sich bester Gesundheit erfreuender Panikschafe Sterilium, Mundmasken, Nudeln oder Reis. Mundmasken, die sie benutzen können, WENN sie sich Corona aufgehalst haben, um andere NICHT anzustecken. Nicht, um sich davor zu schützen. Denn die Fetzen schützen nicht großartig vor Infektionen von außen. Sagt man zumindest. Ich bin ja kein Diplom-Maskologe. Kauft doch lieber Kartoffelpüree (Begründung: siehe oben!) Ich hoffe nur, dass es noch genügend von den Mundmasken gibt, wenn mein Blutbild demnächst erwartungsgemäß nach unten rauscht und das Pflegepersonal die Umkehrisolation verhängt. Die Börsen spielen auch verrückt. Mal hoch, mal runter. Wäre die Börse eine Wippe, jedes Kindergartenkind hätte seine blanke Freude. Das einzige, was stabil zu bleiben scheint, ist der Dönerpreis. Und damit schließe ich meine Nörgelvorstellung und leite in bester Gottschalk’scher Manier über zu den Good News of Life! Ja, meine lieben Leser jüngeren Baujahres als 1988, Gottschalk, mit Vornamen Thomas, war mal ein Fernsehmoderator. Ist er vielleicht immer noch, man sieht aber nicht mehr viel von ihm. Ab und an schawänzelt er mal bei Germany‘s next Kleiderständer rum. Kurz gesagt: Thomas Gottschalk ist der Joko Winterscheid der 80er und 90er Jahre. Nur mit mehr Haaren auf dem Kopf, dafür weniger im Gesicht. Aber zurück zum Döner – die wichtigen Themen halt -. Meine Süße und unsere Kinder sind heute aus dem für mich ausgefallenen Allgäu-Urlaub zurückgekommen und haben mich natürlich direkt besucht. Mit einem Döner. Lecker. Ich hätte auch zwei verdrücken können, weil das Mittagessen eher suboptimal war. Eine Scheibe Leberkäse und Überraschung: Kartoffelpüree! Keine coole Kombination mit dem Cortison-Dauerkohldampf. Die Mädels haben mir aufgeregt von ihren Urlaubsabenteuern erzählt. Meine Jüngste hat ein neues Zahlwort erfunden. Die unbestimmte Menge an Personen im Zahlenraum zwischen 2 und 3. „Da nimmt man sich einen Reifen, geht zur Rutsche und dann kann man da zu zwitt rutschen!“. Zu zwitt… ich liebe es. Und sie. Zu zwitt. Das werde ich jetzt etablieren. So wie „drölfzig“. Leider waren sowohl die Mädels von der Fahrt, als auch ich von den letzten Chemotagen groggy, so dass wir uns nicht so lange Gesellschaft leisten konnten, wie wir es gern gewollt hätten. Aber morgen – vielmehr heute – ist ja auch noch ein Tag.
Na, wer entdeckt mein kleines Superhelden-Geheimnis?
Ansonsten gibt es glaub ich nicht mehr so viel zu sagen zum 09.03.2020. Ich versuche jetzt um 05:00 Uhr noch etwas zu schlafen. Achso: morgen (nein! Heute) Nacht ist Vollmond mit höchster Strahlkraft. Ich hoffe aus den Coronanten werden dann keine Zombies. Wenn ich die Geräusche höre, die nachts aus meinem Zimmerbeiliger kommen, befürchte ich das aber schon. Ich wüsste nicht, wo ich so schnell so ein Anti-Zombie-Outfit herbekomme, wie Milla Jovovich es in Resident Evil trägt (schreibt man das so? Oder doch Milla Jowowitsch?), herrje, ich Google das jetzt. Hach, war doch im ersten Anlauf richtig! In diesem Sinne: Gute (Rest-)Nacht!