Erleichterung vs. Belastung
(B)LOGBUCHEINTRAG VOM 06.03.2020: Austausch, Bulette, Coole Musik
Der Tag startet durchwachsen. Oder sollte ich sagen durchwacht? Gefühlt war ich die halbe Nacht wach. Effektiv aber „nur“ von 1:30 bis 5:00 Uhr. Dennoch werde ich tagsüber nicht so richtig müde. Nach dem Frühstück gibt es wieder die Chemomedikamente. Aber seit der positiven Nachricht aus dem CT macht mir das nichts mehr aus. Es ist ja jetzt alles absehbar. Auf dem Plan stehen heute auch nur zwei Flüssigmedikamente, von denen eines auch nur Wirkstoff hat und das andere nur meine Hardware, also den Port, durchspült. Das Medikament ist Etoposid und läuft innerhalb einer halben Stunde durch. Danach kommt die Spülung mit Jonosteril. Das dauert knapp über eine Stunde.
Das nächste Highlight ist dann das Mittagessen, je nachdem, wie man es sieht. Es gibt Bulette mit Kartoffelpüree. Nachmittag kommen dann meine Eltern wieder zu Besuch. Ich freue mich immer sehr, wenn sie kommen. Immerhin machen sie sich 250 km auf den Weg aus dem Süden Niedersachsens, kehren bei meiner Schwester in der Nähe von Buxtehude ein und von dort aus geht es mit der S-Bahn nach Hamburg. Vielen Dank an euch alle, dass ihr da für mich so toll zusammenhaltet. Das bedeutet mir viel. Nachdem meine Eltern sich dann gegen späten Nachmittag wieder auf die Rückreise zu meiner Schwester machen, begebe ich mich wieder in unsere Hodgkin-WG zu Christian. Christian ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Er wird aber wohl am Sonntag entlassen. Ich kann nur hoffen, einen einigermaßen erträglichen Zimmergenossen zu kriegen. Aber wir werden sehen. Ach ja, meine Eltern haben mir wieder Leckereien aus dem Eichsfeld mitgebracht. So bunkere ich jetzt lecker Stracke und frisches Bäckerbrot in meinem Schrank. Sieht schon fast aus wie die Hamsterkäufe, von denen man jetzt überall hört. Also muss ich mich wohl outen. Ja, ich hamstere. Hoffentlich kann ich die Tage noch Mundschutzmasken abstauben, dann ist alles perfekt.
Klassischer Fall von Hamsteritis acutis. Ich hoffe, dafür gibt es morgen ein passendes Breitbandantiidiotikum…
Ansonsten befinde ich mich im regen Austausch mit anderen Krebspatienten. Egal ob face 2 face oder digital via facebook oder instagram. Ich bemerke, wie ich scheinbar immer mehr Menschen mit meiner lockeren und positiven Art erreiche. Und auch von Freunden bekomme ich immer wieder Feedback. Ein Freund schrieb mir, dass er sich meinen Rat zu Herzen genommen hat und nun vermehrt von Weißwein auf Rotwein umsteigt, weil Rotwein mehr krebshemmende Wirkstoffe enthält, als weißer. Schon allein dafür hat es sich für mich gelohnt. Aber auch der Austausch mit anderen Krebskämpfern tut gut. Man kan man selbst sein. Man muss sich nicht verstellen, nicht immer stark sein. Man kann einfach alles so sagen, wie es ist.
Ein weiterer wertvoller Austausch entsteht immer wieder zwischen dem ärztlichen Personal und den Schwestern und Pflegern. Christian und ich scheinen eine derart entspannte und entspannende Art zu haben, dass alle gern in unsere Hodgkin-WG kommen um zu plaudern.
Ausserdem übertrage ich noch meine älteren Blogeinträge auf diese Plattform, die es sich zum Ziel gemacht hat, Krebsblogger aus dem deutschsprachigen Raum zu vernetzen um die Krebsawareness zu steigern – und ich freue mich ein Teil dieses Projekts sein zu dürfen. Als ich fertig bin ist es auch kurz vor Mitternacht. Ein langer Tag geht zuende. Heute habe ich mir mal eine Schlaftablette geben lassen, die ich gleich einnehmen werde. Vielleicht klappt es dann mal wieder mit dem Durchschlafen. Denn seit Tag 1 des ersten Zyklusses bin ich nachts mindestens 2 Stunden wach.
In diesem Sinne: Gute Nacht, Welt! Bis morgen.