Erleichterung vs. Belastung
Blind Date mit der Liebe meines Lebens?! Die STAMMZELLTRANSPLANTATION
RÜCKSCHAU
Ich glaube nicht an Zufälle im Leben. Vielmehr denke ich, dass jede*r die Aufgabe im Leben gestellt bekommt, die er*sie bewältigen kann und die Chancen bringt zu wachsen, neuen Menschen zu begegnen und das eigene Leben zu verändern. Auch zwei Menschen begegnen sich nicht einfach ohne Grund, schon gar nicht Stammzellspender*in und Empfänger*in.
In gerade einmal vier Wochen konnte mir mein Arzt 2021 bereits mitteilen, dass sie den “perfekten Match” für mich gefunden hätten. Eine Fremdspenderin aus Deutschland, die in allen genetischen Merkmalen mit mir übereinstimmt. Da läuft einem schon mal die Gänsehaut den Rücken hinunter. Eine weitere der wenigen Informationen, die mir über dich mitgeteilt werden ist dein Jahrgang: 1994! UNSER Jahrgang.
Während also mein eigen Fleisch und Blut, meine Geschwister, trotz Verwandtschaftsgrades bis auf eine Schwester nur halbident mit meinen Merkmalen waren, gab es nicht allzu weit entfernt einen perfekten genetischen Zwilling, der mir die eine Heilungschance gewähren konnte, die ich habe. In diesem Moment war unser Bündnis also “besiegelt”, wir würden am Tag 0 blutsverwandt, nein sogar blutsIDENT werden.
Im 3. Versuch zur neuen Chance
Es mussten leider einige Umwege auf meinem Krankheitsweg passieren, bis unsere Leben zueinander finden und für immer miteinander verbunden werden konnten. Was hab ich mir nur für Gedanken gemacht, als ich dann auch noch akute Leukämie bekommen habe und meine Stammzelltransplantation erneut abgesagt wurde. Bist du sauer? Denkst du dir, ich habe keinen Bock darauf? Wie wurde dir das überhaupt so mitgeteilt, dass es gleich zweimal in unserem Fall nichts wird mit der Transplantation? Hast du dir Gedanken oder gar Sorgen um mich gemacht? Eines Tages erkläre ich dir alles bei einem Glas Aperol (das mich auch immer an die Farbe meiner ersten Chemo erinnern wird) und wir lachen gemeinsam darüber auf welchem Weg das Schicksal unsere Leben miteinander verbunden hat und vor allem was bei mir daran doch so lange gedauert hat.
Tag 0 -Stammzelltransplantation
Meine erste Erleichterung machte sich breit, als mir mitgeteilt wurde, dass die Zellen bereits abgeholt wurden und im Haus sind. Puuh keine Gedankenkreise über tollpatschige Medizintransporte, die meinen Beutel voll Zellen runterfallen lassen und alles verschütten oder ein Unfall meiner Spenderin, weswegen sie nicht spenden kann….zig Szenarien konnte ich also mal aus meinen Gedanken vertreiben. Der Tag auf den ich nun seit bald 2 Jahren gewartet hatte war gekommen und meine Lebensretterin hat mich auch beim 3. Versuch nicht aufgegeben.
Mit welchem Gefühl bist du zu deiner Spende gegangen? Hast du vielleicht zuvor die Superheldinnenpose eingenommen? Warst du aufgeregt und hast dir ausgemalt, wer die Person ist, in dessen Körper deine Zellen da bald hineintropfen werden?
Es war der 26.05.2023 und über meinem Kopf hing der heilige Beutel mit dieser orange-rötlichen Flüssigkeit darin. Die Beschreibung eines Arztes passt gut: “Sieht aus wie ein Päckchen Thrombozyten (diese sind gelblich trüb und erscheinen zäh) in das jemand hineingeblutet hat.” Während dieser Vorgang selbst sehr unspektakulär ist und von einem Pfleger, den ich im Sinne der Wiedergeburt als meinen “Geburtshelfer” hier bezeichne, begleitet wird, durchflutet mich innerlich Dankbarkeit und tiefe Verbundenheit zu einem Menschen, den ich nicht kenne.
Ich habe die Chance auf eine Zukunft, Träume und ein krebsfreies Leben, was es alles ohne dich vielleicht gar nicht gegeben hätte.
An alle Lebensretter*innen und damit Held*innen da draußen
Ich möchte diesen Beitrag allen Lebensretter*innen, aber auch jenen widmen, die sich entschieden haben Stammzellspender*innen zu werden. Das Leben ist das größte Geschenk und die Chance darauf es in Gesundheit krebsfrei leben zu können und wieder Pläne für die Zukunft schmieden zu können, ist das was ihr mit eurer Spende gebt. Ich hoffe, dass dies auch meine Spenderin einmal liest und in ihr ein Heldinnengefühl entfacht. Wer kann immerhin im Laufe seines Lebens schon “Habe ein Leben gerettet” von seiner Bucketlist streichen? Wahrscheinlich nicht viele, aber mit einer Stammzellspende ginge es so leicht.
Lasst euch typisieren oder geht Blut spenden, denn davon brauchen wir auch ganz schön viel im Laufe unserer Behandlungen.
Ich habe meine Chance bekommen und bin nun am Weg durch dieses Tal von Auf und Abs mit einem gelöschten Immunsystem und einem neuen Blutsystem, das noch in den Kinderschühchen steckt. Es gibt gute und schlechte Tage, aber dank dir durfte ich die Entscheidung diesen Kampf aufzunehmen überhaupt machen und kann diesen Krebsassi hoffentlich bald für immer über Bord werfen.