Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Aufgetaucht

Eine Weile war es still hier. Es ist immer das Gleiche – wenn ich selbst nicht weiß wie es weiter geht, weiß ich auch nicht was ich schreiben soll.

Nach meiner OP überschlugen sich die Informationen. Vieles wurde mitgeteilt und dann doch revidiert. Vieles wurde überlegt, diskutiert, geplant und doch wieder verworfen.

Die große Hoffnung nach der OP war, dass ein R0 Status erreicht werden könnte, die Ärzte also alles erwischt hatten.

Vier Tage nach meiner Operation wurde ich mit Drainagen nach Hause entlassen. Die ersten Tage Zuhause waren kein Spaß. Mit den Drainagen und der OP-Wunde konnte ich nicht bequem liegen. Die ersten Nächte verbrachte ich halb im Sitzen auf dem Sofa. Sechs Tage nach der OP kamen die Drainagen endlich raus. Danach ging es mir schnell besser.

Eine Woche nach der OP bekam ich einen Anruf meines behandelnden Arztes. Die Pathologen hatten keine Krebszellen in der entfernten Haut gefunden. Die Lymphknoten waren leider fast alle befallen, aber in der Brust sah es gut aus.

Es stand die Frage im Raum, wo genau die Punchbiopsie im Februar gemacht wurde. Die Pathologen sollten mit dieser Information nochmal genau überprüfen, dass da wirklich nichts mehr ist.

Zwei Tage später ging ich mit etwas geröteter Haut um die OP-Wunde und einem ordentlichen Serom in die Brustsprechstunde. Dort hieß es die Patho hätte immer noch nichts gefunden, die Chemo + Antikörpertherapie hätte wohl sehr gut gewirkt und würde höchstwahrscheinlich bald fortgesetzt werden. Was die gerötete Wunde anging bekam ich Entwarnung. Es sähe nicht wirklich auffällig aus. Trotzdem bekam ich ein Antibiotikum aufgeschrieben.

Am Tag drauf wachte ich mit nassem Shirt auf. Die Wundränder waren Stellenweise auseinandergegangen und es war offensichtlich Wundwasser ausgetreten.

Der Plan schnell in die Strahlentherapie zu starten rückte in meinem Kopf in unerreichbare Ferne.

Da es Samstag war entschied ich erstmal abzuwarten.

Am Montag drauf hatte ich sowieso einen Termin in der Frauenklinik. Die Wunde war zwar nach wie vor ein wenig offen, aber wieder trocken und nicht schlimmer gerötet als beim letzten Arzttermin.

Die Ärztin fand den Zustand zwar nicht ideal, aber auch nicht sehr schlimm. Ich war ein wenig erleichtert.

In der Onkoambulanz hatte ich einen Termin zur Besprechung des weiteren Vorgehens. Freitag Nachmittag hatte die Tumorkonferenz meinen Fall besprochen.

Völlig unvorbereitet erfuhr ich, dass die Pathologen schlussendlich doch noch Krebszellen gefunden hatten. Nicht Mal ein R0 Status blieb mir von dem so guten vorläufigen Befund.

Der gesamte untere Rand meiner OP-Wunde weist nach wie vor Krebszellen auf.

Damit war auch der Plan der Wiederaufnahme der Chemotherapie vom Tisch. Jetzt soll so schnell wie möglich die Strahlentherapie starten und anschließend die, von mir schon vor Monaten geplante und erbetene, Therapie mit Sacituzumab Govitecan starten.

Nicht ganz klar wurde mir, warum man nicht zeitnah erneut operiert und versucht den R0 Status noch zu erreichen.

Um alle offenen Fragen zu klären musste mal wieder ein Oberarzt anrücken. Die Zeitverzögerung durch eine weitere Operation hielt er für zu riskant.

Mehr als der R1 Befund erschreckte mich allerdings die Empfehlung der Tumorkonferenz eine MRT von meiner Wirbelsäule zu machen um den Metastasenverdacht im LWK2 abzuklären. Man war sich so sehr einig geworden, dass man von einer Metastasierung in der Wirbelsäule ausgeht, dass sogar von einer lokalen Therapie der Metastase, aufgrund meines ausgedehnten Befundes, abgeraten wurde.

Ich ging mit der Überzeugung nach Hause ab sofort im metastasierten und damit im unheilbaren Stadium meiner Erkrankung zu sein. Ich war bereit den Kampf aufzunehmen und auf ein Wunder zu hoffen.

Ein paar Tage später hatte ich mein Aufklärungsgespräch in der Strahlenklinik. Ich unterschrieb für die Bestrahlung meiner Brust und für die Bestrahlung meiner Wirbelsäule.

Ich ging zum Zahnarzt und ließ mir bestätigen, dass meine Zähne gut sind, damit ich zeitnah in eine Therapie mit Denosumab (zur Stabilisierung der Knochen und zur Vermeidung weiterer Knochenmetastasen) starten kann.

Letzten Dienstag hatte ich meine Planungs-CT für die Bestrahlung. Es wurden Aufnahmen von meiner Brust und von meiner Wirbelsäule gemacht.

Direkt im Anschluss hatte ich meine Wirbelsäulen-MRT. Ich hoffte so so sehr, dass sie zumindest keine weiteren Metastasen finden würden.

Am Mittwoch rief ich im Krankenhaus an und ließ mich mit einer Ärztin verbinden. Ich hatte unglaublich Angst vor dem Ergebnis der MRT. Ich musste es einfach wissen.

Aber da ist nichts. Keine Metastase.

Eine unauffällige Verdichtung des Knochens. Kein verdächtiger Befund.

In diesem Moment wurde ich viele Kilo leichter. Es war, als sei ich aufgetaucht. Als sei ich Tage-, Wochenlang unter Wasser gewesen. Alles etwas weiter weg, alles etwas gedämpft… Auf einmal bin ich wieder über Wasser und ich sehe die Welt scharf und deutlich und die Töne klingen wieder klar.

Mit dem ausgedehnten Restbefund in der rechten Brust, mit 8 befallenen von 9 entnommenen Lymphknoten ist meine Prognose immer noch ziemlich schlecht, aber ich kann wieder atmen.

Ich gehe jetzt mit neuem Mut in die Stralentherapie. Noch hat der Krebs meine Organe nicht eingenommen und noch sind meine Knochen frei von Metastasen. Vielleicht bleibt das so.

Meine Bestrahlung beginnt nächsten Dienstag.

Schön wird es nicht. Meine Wunde ist wieder offen. Es wird vermutlich eine Tortur.

Aber ich weiß wo ich hin will und ich gehe diesen nächsten Schritt mit Hoffnung und Zuversicht.

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