Erleichterung vs. Belastung
Auch Männer können Brustkrebs kriegen
Eigentlich habe ich zu diesem Thema nichts zu sagen. Ich kenne keinen an Brustkrebs erkrankten Mann. Dennoch wollte ich es einmal zum Thema machen. Ca einer von 100 Brustkrebsbetroffenen ist ein Mann.
In Deutschland erkranken pro Jahr ungefähr 70.000 Frauen und ungefähr 700 Männer an Brustkrebs. Damit ist Brustkrebs bei Männern recht selten und unwahrscheinlich und wird deshalb oft spät diagnostiziert, was die Heilungschancen beeinträchtigt.
Das Durchschnittsalter bei Männern zum Zeitpunkt der Diagnose liegt bei 72 Jahren und damit deutlich über dem der Frauen (64 Jahre).
Grundsätzlich kann aber auch ein Mann in jedem Alter an Brustkrebs erkranken.
Für diese Männer muss die Diagnose ganz besonders hart sein. Auf einmal sind sie Dauergast bei Gynäkologen, gehen in Brustsprechstunden ein und aus. Sie sind Spezialfälle und das merken sie auch.
Bei meiner Diagnose bin ich im Mammographiezentrum einem älteren Herrn begegnet. Ich kann keine Gedanken lesen, aber alles an ihm schrie förmlich wie unwohl er sich fühlte. Diese Praxis, voll von stilisierten Frauenkörpern, alles Pink. An einer Wand ein Plakat das zur Brustkrebsvorsorge aufruft, hinterlegt mit dem Foto einer halbnackten Frau, die ihre Brüste mit den Händen dürftig bedeckt. Auf dem Tisch Frauenzeitschriften, an der Wand Flyer für junge Mütter mit Brustkrebs, Informationen zur Brustkrebsvorsorge und mit Erklärungen der einzelnen Diagnoseverfahren. Alles auf Frau gemünzt.
Jeder Zentimeter dieser Praxis war auf Frauen ausgelegt.
Sicher ist das Personal für diese Problematik sensibel und gibt sich alle Mühe die Situation für die vereinzelten Männer, die bei ihnen aufschlagen, so wenig unangenehm wie möglich zu gestalten und dennoch braucht es mit Sicherheit sehr viel Selbstbewusstsein das als Mann mit erhobenem Kopf zu ertragen.
Wie ist es wohl für die betroffene Männer, wenn sie nach ihrer Erkrankung gefragt werden?
Bei einem meiner unzähligen Besuche in der gynäkologischen Ambulanz begegnete ich Mal einem jungen Mann. Er war vielleicht Mitte 30.
Es war außerhalb der regulären Sprechzeiten und dementsprechend nichts los. Ich saß auf dem Gang und wartete auf eine Ärztin, als er aus dem Treppenhaus kam.
Er schaute sich um und ich überlegte mir, ob ich ihn ansprechen sollte.
Im Krankenhaus kenne ich mich inzwischen gut aus, insbesondere im gynäkologischen Bereich. Die meisten Männer, die dort vorbeikommen, suchen den Kreißsaal, oder die Wöchnerinnenstation.
Ich sprach ihn nicht an. Irgendwas sagte mir, dass er nicht zu seiner Frau oder Freundin wollte und ich wollte ihn nicht in die Situation bringen mir erklären zu müssen warum er dort war.
Er stand eine Weile unschlüssig herum und sprach dann die erste Person an, die an ihm vorbeilief und offensichtlich im Krankenhaus arbeitete. Er fragte sie leise und höflich, ob sie ihm sagen könne wo die gynäkologische Ambulanz ist. Statt ebenfalls die Stimme zu senken ließ sie jedes Feingefühl beiseite und antworte sehr laut, dass er bereits in der gynäkologischen Ambulanz sei, aber ob er sich denn sicher sei, dass er richtig sei? Das seien Frauenärzte die hier arbeiten. Ob er was für seine Freundin abholen wolle, fragte sie ihn.
Ich wäre gerne nicht in diesem Gang gewesen. Ich hätte ihm das Gefühl Zuhörer zu haben gerne erspart. Zum Glück war sonst niemand in Sicht- oder Hörweite.
Er versicherte er sei richtig. Er sei bereits den halben Tag von Arzt zu Arzt geschickt worden und jetzt in die gynäkologische Ambulanz geschickt worden.
Die Dame fragte ob sie die Überweisung sehen könne und er gab sie ihr. Sie war sichtlich irritiert und gab sie ihm zurück. Helfen tat sie ihm nicht.
Als sie weg war stand er immer noch im Flur, unsicher was er jetzt tun sollte.
Außerhalb der Sprechzeiten ist die Anmeldung nicht besetzt und wenn man keine Informationen bekommt wie man sich verhalten soll steht man schnell dumm da.
Ich sprach ihn dann doch an. Ich sagte ihm, dass die Ärztin gleich käme und er sich einfach hinsetzen und warten könne. Das tat er auch. Er lächelte mir zu und nickte. Er sprach kein Wort mit mir.
Ich habe keine Ahnung weshalb er dort war. Es gibt einige mögliche Erklärungen. Sicher ist, dass die Situation furchtbar unangenehm war. Er wirkte auf mich sehr selbstbewusst. Ein anderer Mann hätte vermutlich die Flucht ergriffen.
Über das Verhalten der Dame konnte ich mich nur ärgern. Ich muss allerdings erwähnen, dass er kein besonders glückliches Händchen bei der Wahl der Befragten hatte. Sie gehörte nicht zum medizinischen Personal, sondern verteilt auf Station das Essen. Für die Situation eines Mannes in der Gynäkologie war sie offensichtlich nicht sensibilisiert.
Ich muss ehrlich sagen ich hätte lieber Krebs an einem Körperteil, dass gesellschaftlich weniger mit Scham belegt und Tabubehaftet ist, aber wenn schon Brustkrebs, dann doch als Frau.
Allen männlichen Lesern, sollte ich welche haben, empfehle ich bei Sorgen bezüglich Brustkrebs, oder bei Veränderungen des Brustgewebes den Hausarzt anzusprechen. Lasst euch nicht einreden Brustkrebs sei eine reine Frauenkrankheit und nehmt körperliche Anzeichen ernst.
Sollte sich unter meinen Lesern ein Brustkrebsbetroffener befinden, würde ich mich sehr über einen Erfahrungsbericht aus männlicher Perspektive freuen.