Erleichterung vs. Belastung
Annette fragt… Yvonne Grzib
Kennt ihr die Yes-App? Das ist quasi eine Dating-App für den virtuellen Austausch mit anderen Krebspatientinnen und -patienten, über die ich mit der lieben Yvonne gekommen bin. Angeregt von meinen Blogtext zum Sport während meiner Krebserkrankung hab ich sie tatsächlich aus einem Sporttief während ihrer eigenen Krankenzeit herausgeholt. Das finde ich immer noch genial!
Yvonne ist Mutter eines Sohnes, Hundebesitzerin, 1972 in Hamburg geboren, lebt in Spanien, ist freiheitsliebend und nennt sich selbst eine “unverbesserliche Optimistin”. Herrlich, oder? Sie erhielt im Juli 2020 die Diagnose „Brustkrebs“, durchlief eine Chemotherapie, hatte eine einseitige Mastektomie mit Wiederaufbau und befindet sich in der Antihormontherapie.
Sie ist ganzheitliche Ernährungsberaterin und auf die Arbeit mit Brustkrebspatientinnen spezialisiert. Bisher werkelt sie meist im stillen Kämmerlein und zeigt recht wenig Internetpräsenz. Umso mehr freue mich, dass sie heute ein wenig aus ihrem Familien-Nähkästchen und ihrer gesunden Küche plaudern wird.
Annette: Liebe Yvonne, auch du hattest Brustkrebs. Gib uns doch kurz einen Einblick in deine Therapiezeit und berichte, wie es dir heute geht.
Yvonne: Bei mir wurde der Krebs im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung entdeckt. Leider habe ich die Ärztin nie wieder gesehen, denn ich würde mich wirklich gern bei ihr bedanken. Ich war eigentlich in einem Mammografierhythmus von 2 Jahren. Mein Brustgewebe ist sehr dicht, so dass sie mich anschließend immer zum Ultraschall gerufen haben. Die Ärztin sagte: „Es ist alles in Ordnung, aber ich möchte, dass du die nächsten 2 Jahre alle 6 Monate kommst. Dein Brustgewebe ist einfach sehr typisch „Risikopatientin“.
Als ich dann 6 Monate später zum Ultraschall kam, haben sie die Auffälligkeit entdeckt. Wie es wohl ausgegangen wäre, wenn ich erst nach zwei Jahren wiedergekommen wäre….
Der Tumor war noch recht klein, daher sollte eigentlich brusterhaltend operiert werden. Die Routineuntersuchung eines anderen Knotens, den ich schon seit 10 Jahren in der Brust hatte (und der all die Jahre nicht einen Milimeter gewachsen war) hatte ergeben, dass es sich auch hier um einen bösartigen Tumor handelt. Daher wurde mir die Mastektomie nahegelegt.
Die Sozialversicherung in Spanien funktioniert sehr gut. Ich fühlte mich sehr „an die Hand genommen“. In der Zeit nach der Diagnose war ich eigentlich hauptberuflich Managerin meiner Krankheit. Ich war mindestens dreimal die Woche im Krankenhaus zu irgendwelchen Untersuchungen, „second looks“ und Proben. So busy zu sein hat mir gut getan. Aber irgendwann waren alle Untersuchungen durch und alle Proben gemacht…und es begann die zermürbende Zeit des Wartens auf die OP.
Die ganze Familie hat diese Etappe eigentlich als die schwierigste Zeit in Erinnerung.
Die Stanzbiopsie war im Juli 2020, Diagnose im August, aber operiert wurde ich erst am 29.9.2020. Hier in Spanien rufen sie dich Mittwoch oder Donnerstag an, WENN du die Woche drauf operiert wirst. Ich bin also Woche für Woche um mein Telefon getigert, keiner durfte mich anrufen, damit die Leitung frei bleibt und am Donnerstag abend dann immer die Ernüchterung „Nächste Woche auch nicht“…
Die OP lief dann aber sehr gut. Die Wächterlymphknoten wurden entnommen und waren frei! Das war eine grosse Erleichterung. Freie Lymphknoten bedeutete keine Bestrahlung der Axelhöhle. Keine Bestrahlung bedeutete der Wiederaufbau konnte im selben Rutsch begonnen werden, so dass gleich ein Expander eingesetzt werden konnte.
Die Heilung verlief gut, auch wenn es schon eine ganze Weile dauert, bis ich wieder eingermaßen „normal“ schlafen konnte. Ich hatte einen riesigen Berg an Kissen in verschiedenen Grßen und Stärken in meinem Bett, um mir die Rückenlage bequem zu machen und so.
Nach der Schockdiagnose Krebs bin ich bei allen Untersuchungen recht gut davon gekommen, denn der Tumor war hormonsensitiv, relativ langsam wachsend, hatte eine moderate Mutierung und freie Lymphknoten. Als Sara, meine Onkologin, mir dann sagte, dass ich nach der OP Chemo bekommen werde, bin ich deshalb aus allen Wolken gefallen.
Ich hatte damals große Angst, da ich mir nicht recht vorstellen konnte, was auf mich zukommt. Gern hätte ich bei jemandem „hinter die Kulissen geschaut“ und mich belesen, wie die Chemo so empfunden wurde. Natürlich ist der Verlauf bei jedem anders, aber mir hätte es geholfen. Aus diesem Grund habe ich auf meiner Webseite mein „Chemotagebuch“ veröffentlicht. Falls es jemand nachlesen mag , bist du herzlich eingeladen: https://yvonnegrzib.com/mein-chemo-tagebuch.
Ich habe vier Sessionen Chemotherapie erhalten (Ciclofosfamida und Doxetaxel).
Die Chemo habe ich eigentlich recht gut weggesteckt, auch wenn es natürlich kein Spaziergang war. Ich war froh, als nach diesen vier Sessionen Schluss war, denn mein Körper hat schon von Mal zu Mal mehr abgebaut. Ich war sehr schnell aus der Puste und Bauchschmerzen kamen dann auch dazu.
Wichtig war mir, die ganze Zeit in Bewegung zu bleiben. Ich bin jeden Tag spaziert. Wenn es möglich war 5-6 Kilometer am Tag. An den Tagen, an denen ich wackelig auf den Beinen war, dann eben nur 1 km und mein Mann ist mitgekommen, aber immer raus an die Luft und bewegen. Ich glaube fest daran, dass die Bewegung eine der Gründe war, warum ich recht gut durch die Chemo geschlittert bin.
Im März 2021 wurde dann der Expander gegen das Silikonimplantat ausgetauscht und im April diesen Jahres habe ich eine Brustwarze bekommen. Nun fehlt mir nur noch die Tätowierung des Warzenhofes und dann ist der Wiederaufbau abgeschlossen.
Inzwischen habe ich schon drei Nachsorgeuntersuchungen gehabt, die alle gut gelaufen sind. Mit jedem Mal gewinnt man wieder mehr Sicherheit. Natürlich bin ich vor den Untersuchungen aufgeregt. Aber inzwischen überwiegt mein „es-wird-schon-alles-gut-sein-Gefühl“.
Insgesamt geht es mir gut und ich hätte nie gedacht, das so schnell wieder so viel Normalität da sein wird.
Annette: Obwohl wir unsere Diagnose zu einem ähnlichen Zeitpunkt erhalten haben, hast du schon viel lälngere Haare als ich. Wie ich mittlerweile weiß, hast du auf die Glatzenzeit verzichtet und eine Kühlkappe benutzt. Spannend! Erzähl doch mal…
Yvonne: Genau. Ich hatte mich für die Kühlkappe entschieden. Ich war am Anfang sehr skeptisch, aber meine Chemo-Krankenschwester und meine Onkologin hatten mir beide berichtet, dass sie kürzlich Patientinnen mit Kühlkappe in der Chemo hatten und alle beide keine Perücke brauchten. Also habe ich bei “Oncobel” angerufen und mich informiert. Ich weiss nicht, wie es in Deutschland funktioniert, aber hier in Spanien muss man die Behandlung komplett selber zahlen. Mit allem Drum und Dran habe ich für die 4 Sessionen 850 € bezahlt.
Ich bin irgendwie nicht der Typ für so bunte Kopftücher und für eine Perücke muss man ja mindestens diesen Betrag hinlegen. Ich hatte also nichts zu verlieren, denn Oncobel gibt eine “Geld-zurück-Garantie”. Wenn innerhalb der ersten beiden Sessionen so viele Haare ausfallen, so dass doch eine Perücke nötig ist, bekommt man sein Geld zurück. Das ist natürlich toll, aber genau das war auch so ein bisschen das Problem.
Denn du hat keine Garantie. Mir wurde gesagt: „Es funktioniert bei den meisten, aber nicht bei allen”. Also war ich die ganze Zeit über extrem unentspannt, was meine Haare anging.
Ich habe mich desöfteren gefragt, ob es für meine Nerven vielleicht besser gewesen wäre: einmal Haare weg und durch mit dem Thema. Ich glaube, die Sicherheit, dass es bei mir funktioniert, kam dann irgendwann kurz vor der vierten (meiner letzten) Chemo. Bis dahin hab ich gebibbert. Insgesamt bin ich froh, dass ich es gemacht habe, weil für mich und uns als Familie die Vorteile überwogen:
- Mein Sohn ist adoptiert und Adoptivkinder haben auch so schon sehr mit Verlustängsten zu kämpfen. Mein Mann und ich hatten uns große Sorgen gemacht, wie er mit der Diagnose klar kommt. Die Tatsache, dass ich durch die Kühlkappenbehandlung ausgesehen habe wie immer, hat geholfen.
- Ich wollte während der Diagnose- und Behandlungszeit überhaupt keine tollen, aufregenden Sachen. Was ich ganz, ganz doll wollte war “mein stinknormales Leben zurück”. Da sehe ich den grossen Vorteil der Kühlkappe. Ein, zwei Monate nach der Chemo ging es mir körperlich schon wieder recht ordentlich. Und da ich noch Haare hatte war für mich ganz schnell auch wieder Normalität da. Ich konnte viel schneller abschließen.
Dennoch gab es auch einige Nachteile:
- Die Behandlung verlängert sich um einiges, denn man muss den Kopf vor dem eigentlichen Start der Chemotherapie eine Stunde vorkühlen, erst dann kann man mit der Chemo beginnen und anschließend, nachdem der letzte Topfen intus ist, zwei Stunden nachkühlen. Bei mir hat sich die Chemobehandlung also um gut 3 Stunden verlängert.
- Man bekommt eine sehr eng anliegende “Badekappe” auf und darüber kommt eine Neoprenhaube, die mit Gurten sehr eng geschnürt wird. Erst dachte ich, ich kann so gar nicht essen, so eng war der Gurt unterm Kinn. Ging aber doch. Die Haube ist mit einem mobilen Klimagerät verbunden, welches ständig kühlt. Eine Mitarbeiterin der Firma Oncobel war die ganze Zeit da und hat sich um das Gerät gekümmert und die Zeiten im Auge behalten.
- Es ist extrem kalt. (Erinnerst du dich an das Gefühl, wenn du als Kind in einen eiskalten See gesprungen bist und man kurz Kopfschmerzen bekommen hat vor Kälte? So fühlte es sich an.) Ich dachte beim ersten Mal:„Das halte ich niemals 5 Stunden aus. Aber der Körper gewöhnt sich und zumindest bei mir waren nach einer Weile die Kopfschmerzen verschwunden. Aber es wird einem schon am ganzen Körper kalt. Ich bin immer total eingemummelt zur Chemo gekommen und hatte noch ein paar Socken und eine Vliesdecke dabei. Aber es gab Momente, da mochte ich nicht mal lesen, denn dafür hätte ich die Hand unter der Decke vorziehen müssen.
- Es fallen, auch wenn die Kappe funktioniert, viele Haare aus. Ich würde schätzen, ich habe etwa 50% meiner Haare verloren. Deshalb muss man die Haare behandeln wie rohe Eier. Möglichst nicht kämmen, oder nur ganz, ganz vorsichtig. Kein Haargummi und nur einmal die Woche, maximal zweimal pro Woche waschen. Das war für mich schwierig, denn eigentlich wasche ich meine Haare jeden Tag. Ich lief deshalb immer mit Mütze rumgelaufen, denn ich fand, meine Haare sahen schrecklich schmutzig aus. Die Haarwaschtage wurden immer zum zweischneidigen Schwert. Einerseits freute ich mich total, meine Haare waschen zu können. Aber auf der anderen Seite wusste ich, gleich sind wieder unendlich viele Haare im Ausfluss und das war immer sehr schwer zu ertragen. Ich fand meine Haare während der Zeit nicht besonders schön, aber Personen, die mich nicht so oft sehen haben kaum einen Unterschied bemerkt.
Annette: Du hast dich für eine Mastektomie mit Brustaufbau entschieden. Andere Frauen bleiben nach ihrer Krebserkrankung „oben ohne“. Wie stehst du dazu?
Yvonne: Hier in der Klinik geben sie sich hier wirklich viel Mühe und meine neue Brust sieht wirklich schön aus. Inzwischen denke ich aber immer öfter „War das eigentlich nötig?“. Wäre es eine beidseitige Mastektomie gewesen würde ich inzwischen vielleicht sogar sagen „Nee, war nicht nötig. Ohne wäre auch gegangen“. Aber kurz nach der Diagnose war ich noch nicht so weit. Da stürzt so viel auf einen ein, es war damals für mich undenkbar dann einfach „ohne Brust“ zu bleiben. Ich sage das für all diejenigen, die die Entscheidung noch vor sich haben.
Lass dir Zeit mit der Entscheidung, denn man muss da erst einmal reinwachsen!
Annette: Genau wie ich nimmst du Tamoxifen. Wie sieht es bei dir mit Nebenwirkungen aus?
Yvonne: Seit Februar 2021 nehme ich jetzt Tamoxifen und komme recht gut damit klar. Am Anfang hatte ich viele Hitzewallungen und Schweißausbrüche und mi taten jeden Morgen die Schultern weh. Allerdings war der Zeit coronabedingt das Hallenbad noch zu. Seit ich jedoch wieder regelmäßig schwimme, sind die Gelenkschmerzen vollständig verschwunden. Aber ich bilde mir ein: um so besser (cleaner) ich esse, um so weniger Schweißausbrüche habe ich. Ich möchte also allen, die unter Nebenwirkungen der Antihormontherapie leiden, Mut machen. Ihr könnt was tun!
Annette: Du warst lange Zeit in der Hotelbranche tätig, hast dann umgesattelt und dich zur Ernährungsberaterin ausbilden lassen. Sehr spannend. Wie kam das?
Yvonne: Ich habe meine Ausbildung zur Hotelfachfrau im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten absolviert und war, glaube ich, die eifrigste Auszubildende. Ich fand das alles einfach nur toll. Aber irgendwann kam dann doch die Ernüchterung. Vielleicht lag es auch daran, dass das Vier Jahreszeiten sehr konservativ war und ich immer mehr das Gefühl hatte, mich zu verbiegen.
Mein Mann (er ist Patissier) und ich sind aber immer schon gern durch die Welt gereist sind, ich habe in den USA gelebt und wir gemeinsam in Südafrika. Deshalb war die Hotelbranche einfach immer ein Jobgarant, denn in Hotels findet man auf der ganzen Welt immer Arbeit.
Mit der Zeit wurde aber der Wunsch, etwas zu machen, was mir wirklich entspricht, immer größer. Ich habe lange gezögert und mich nicht so recht getraut, aber 2016 kam dann unser Sohn (gebürtig aus Burkina Faso) zu uns und damit war mehr Freiheit im Beruf einfach wichtiger. Ich habe dann einen Laden (und Onlineshop) für gesunde Ernährung eröffnet und eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin gemacht. Mit der Zeit habe ich immer mehr Gefallen am ganzheitlichen, naturheilkundlichen Konzept gefunden, so dass ich mich zu einer Zusatzausbildung als „Fachkraft für holistische Gesundheit“ an der Akademie für Naturheilkunde entschlossen habe. Das klingt sehr esoterisch, ist es aber nicht. Esoterik und Hokuspokus ist überhaupt nicht meine Welt. Ich bin eher der bodenständige, realistische Typ. Aber ich glaube fest an die Macht einer gesunden Ernährung.
Dann kam die Krebsdiagnose. Meinen Laden hatte ich vorübergehend geschlossen, aber meinen Abschluss konnte ich trotz Krankheit schaffen.
Vor etwa einem Jahr habe ich meinen Laden wieder eröffnt, aber mein Fokus hat sich verändert. Ich hatte mich verändert. Ich gab Beratungen und fand es irgendwie ziemlich langweilig, mir die immer wiederkehrende Leier von einem zu hohen Cholesterinspiegel und so anzuhören. Wenn eine Frau da war, die Krebs hatte, fühlte es sich plötzlich gar nicht mehr nach Arbeit an. Ich hatte eher das Gefühl, es war eine Freundin da und wir haben uns ausgetauscht über das, was uns so passiert. Deshalb habe ich dieses Jahr den Entschluss gefasst, mich auf die Arbeit mit Frauen, die eine Krebsdiagnose erhalten haben, zu fokusieren. Den Onlineshop habe ich geschlossen, der Laden wird in Kürze folgen.
Annette: Nach deiner Erkrankung hast du dich auf die Arbeit mit Brustkrebspatientinnen spezialisiert. Wie möchtest du ihnen helfen?
Yvonne: Ich hatte selbst Krebs. Ich befinde mich also auf derselben Reise wie meine Klientinnen und möchte jede mitnehmen, die mitgehen mag. Ich arbeite ganzheitlich, das bedeutet, dass nicht die Symptome, sondern die Ursache des Problems gesucht und behandelt wird.
Ich glaube wirklich ganz fest an die Macht einer gesunden Ernährung und bin überzeugt davon, ass wir durch unsere Ernährung eine riesen Möglichkeit haben, unseren Körper zu stärken.
Ich habe sehr viel Respekt vor dem Wunderwerk „Mensch“. Der Körper hat so unendlich viele Regelsysteme. Wir kennen nur die offensichtlichen: wenn es heiß wird, schwitzen wir, wenn zu wenig Wasser da ist, bekommen wir Durst. Der Körper hat jedoch unzählig mehr Regelsysteme, mit denen er immer selber versuchen wird, alles wieder ins Lot zu bringen.
Wenn wir unseren Körper optimal mit Nährstoffen versorgen und von ihm fernhalten, was ihm schadet, können wir unglaublich viel erreichen. Erhöhter Cholesterinspiegel, zu hoher Blutdruck, beginnende Insulinresistenz- in den meisten Fällen könnte unser Körper sich von allein daraus befreien, wenn wir ihn gut behandeln.
Leider geht die Entwicklung der modernen Ernährung in die genau entgegengesetzte Richtung. Es wird immer schwerer für unseren Körper.
Ich möchte den Frauen einfach zeigen, wie einfach (und wie lecker!) es ist, sich gesund zu ernähren.
Es ist keine Entscheidung im Sinne von „entweder lecker ODER gesund“. („Uff, muss ich mich jetzt wirklich die Seite der drögen Vollkornfraktion begeben ??“)
Es kann soo lecker und auch so simpel sein, sich gesund zu ernähren. Das möche ich den den Frauen beibringen. Dafür brenne ich, das Thema fesselt mich und ich möchte gern alle mitreißen, diesen Weg mit Begeisterung einzuschlagen. Denn es muss Begeisterung dabei sein, mit Verzicht funktioniert es nicht.
Annette: Ähnlich wie in einer Schwangerschaft ist während einer Chemotherapie vieles ernährungstechnisch ändern. Mir schmeckte z.B. der Kaffee nicht mehr richtig, ich konnte bei den EC-Chemos sehr schlecht Wasser trinken, gegen Ende der Chemos verlor ich den Geschmack… Wie war das bei dir?
Yvonne: Die Chemos sind zum Glück recht glimpflich an mir vorbeigegangen.
Ich befinde mich eher im unteren Gewichtsbereich, 54 kg bei 1.68 m Körpergröße. Wenn mich etwas stresst oder Sorgen bereitet, mag ich nicht essen. Ich verliere tendenzhiell schneller Gewicht als zuzunehmen. Meine Sorge bei der Chemo war also, dass ich zu sehr abnehmen würde. Zum Glück war das nicht der Fall. Im Gegenteil, an Chemotagen hatte ich immer einen „gesegneten Appetit“.
5-6 Tage nach der Chemo war immer mein persönliches Körpertief. Mir war schwummering und komisch und der Geschmack war entweder weg oder metallern. Zu der Zeit hat Essen einfach keinen Spaß gemacht. Es gab dann immer Leibgerichte, damit ich was essen konnte. Komischerweise ging Hühnersuppe immer, obwohl ich eigentlich überhaupt nicht der Hühnersuppentyp bin. Seit der Chemo habe ich keine einzige mehr gegessen.
Annette: „Krebszellen lieben Zucker.“ „Krebszellen hassen Himbeeren“. Während und nach einer Krebserkrankung wird Betroffenen viel über „Antikrebs-Lebensmittel“ erzählt. Wie stehst du zum Ausdruck „Krebsdiät“ und welche Dinge sollten Patientinnen hinsichtlich ihrer Ernährung tatsächlich überdenken?
Yvonne: Der Ausdruck Diät verträgt sich überhaupt nicht mit der ganzheitlichen Denkweise, denn sie löst das Problem nicht. Genauso, wie eine Diät zur Gewichtsreduzierung nichts hilft, wenn man anschließend wieder so isst wie vorher.
Es gibt Nahrungsmittel mit einem beachtlichen „Anti-Krebs-Potential“ aber ich spreche eigentlich sehr wenig drüber. Denn wenn man sich im Alltag ungesund ernährt, können es Himbeeren und Co auch nicht rausreißen.
Ich möchte einfach nicht, dass da eine falsche Vorstellung entsteht.
Im Kurs „Einfach gesund essen“ bespreche ich mit den Frauen gerade die Lebensmittel mit Anti-Krebs-Potential, aber nur, weil wir uns alles andere bereits angeguckt haben. Sie wissen jetzt, wie sie sich im Alltag gesund ernähren, die Anti-Krebs-Lebensmittel sind jetzt die „Cherry on top“.
Für mich dreht es sich eher um das Milieu. Wenn wir uns vorstellen, dass der Mikrotumor ein Samenkorn ist, dann entscheidet das Millieu, ob eine Pflanze draus wächst. Essen wir viele industriell hochverarbeitete Lebensmittel, gezuckerte Speisen und Lebensmittelzusatzstoffe, schaffen wir den perfekten Nährboden, damit sich ein Mikrotumor zu einem Tumor mausern kann. Essen wir möglichste naturbelassene, unverarbeitete und vitalstoffreiche Lebensmittel, befindet sich der Mikrotumor in einem Millieu, in dem er es schwer hat zu wachsen.
Bei meiner klassischen Ernährungspyramide ist dieses „Milieu“ die Basis. Wir müssen uns im Alltag so ernähren, dass der Körper gesund und kräftig ist. Was den Körper gesund macht, schmeckt dem Krebs nicht gut- das ist doch toll!
Bei mir dreht sich alles um eine Ernährung, die möglichst naturbelassen und vitalstoffreich, ballaststoffreich, arm an tierischen Proteinen, Zucker und Milchprodukten und reich an gesunden Fetten ist. Es geht mir vor allem darum, vorzuleben, dass dieser Lebensstil Spaß macht.
Annette: Ich hab deinen Online-Kurs „Sorglos naschen“ leise mitverfolgt und fand es toll, dass du die Teilnehmerinnen da nicht von Tag 1 an radikal t auf „komplett zuckerfrei“ gesetzt hast, sondern dass man langsam in eine zuckerfreie Welt hinübersliden konnte. Hast du ein paar einfache Tricks, wie man den eigenen Zuckerkonsum in den Blick nehmen und ab sofort etwas reduzieren kann?
Yvonne: Danke, es freut mich, dass dir der Kurs gefallen hat! Ja, radikal ist nicht so mein Ding. Ich habe bei mir selbst festgestellt, dass man nichts erzwingen kann. Nur wenn man Gefallen findet und „mehr will“ funktioniert es wirklich.
Bei Zucker kann jeder ganz viel selber tun. Ich mag also „Zuckerdetektive“ ausbilden, die Etiketten lesen können und sich nichts mehr unterschummeln lassen. Wenn man sich nichts mehr unterjubeln lässt, ist schon ganz viel gewonnen. Auch wird Geschmack oft mit Gewohnheit verwechselt.
In allen industriell hergestellten Lebensmitteln steckt Zucker, daher ist unser Süßempfinden schon ziemlich verfälscht. Das kann man aber recht schnell wieder ändern! Wenn jemand zwei Löffel Zucker in den Kaffee macht, schmeckt der Kaffee mit nur einem Löffel fad. Würde er sich aber nur mal eine Woche oder 10 Tage durchbeißen und keinen Zucker in den Kaffee tun – Ich verspreche es dir! – , wenn er dann einen Löffel in den Kaffee tut, wird es ihm sehr süß, wahrscheinlich sogar zu süß, schmecken. Probier es einfach aus. Da kommt man schneller von runter, als man denkt. Dein Körper wird es dir danken!
Annette: Ich wage zu behaupten, mich gesund zu ernähren, bin Vegetarierin, verzichte auf Kohlenhydrate und trinke nur selten Alkohol. Aber: Meine Schokolade brauche ich dennoch regelmäßig. Hand aufs Herz: Hast du nie einen Ausrutscher und isst Schokolade, trinkst ein Glas Rotwein oder holst dir ein Eis?
Yvonne: Doch! Ich nenne es aber nicht Ausrutscher sondern Genuss. Ich habe für mich festgestellt: Wenn es sich nach Verzicht anfühlt, funktioniert es nicht.
Wenn ich mich dazu zwinge, etwas nicht zu essen, bin ich sehr unglücklich. Bei mir funktioniert es nur, wenn ich mich gesund ernähre und Gefallen daran finde. Dann will ich automatisch diesen Weg stärker einschlagen und bin glücklich damit.
Wenn wir Freunde zu Besuch haben trinke ich Bier (aber nicht mehr drei wie früher) und ich esse auch Fleisch vom Grill. Das genieße ich dann auch. Aber ich habe auch ganz viele andere Sachen vorbereitet, so dass der Grillabend nicht mehr nur aus Bier und Wurst besteht. Es gibt auch Salate, Gemüse vom Grill, veganen Grillkäse und Ofenkartoffeln. Das finde ich inzwischen viel leckerer.
Annette: Auf deiner Homepage findet man „5 Tipps zur natürlichen Krebsabwehr“, die einen dabei unterstützen können, einen Rückfall zu bekommen. Kannst du uns die hier kurz erläutern?
Yvonne: Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch, und wenn ich mir irgendetwas angucke, möchte ich am liebsten immer sofort loslegen. Aus diesem Grund habe ich fünf Tipps zur natürlichen Krebsabwehr entwickelt (Gratis-Download hier: https://yvonnegrzib.com/5-tipps-fur-die-naturliche-krebsabwehr/). Damit meine Leserinnen direkt eintauchen und ein gesundes Leben beginnen können. Es ging mir dabei nicht um Vollständigkeit, sondern darum, dass man einfach mal austesten und gesunde Gewohnheiten in den Alltag integrieren kann.
Wer die fünf Tipps umsetzt, hat seinem Körper sehr viel Gutes getan. Es soll aber wirklich nur ein Vorgeschmack auf einen gesunden Lebensstil sein. Es ist definitiv keine Anti-Krebs-Pille! Denn leider ist Krebs heimtückisch. Man kann alles richtig machen und trotzdem kommt er zurück.
Am Anfang hatte ich damit sehr zu kämpfen, denn es kam immer wieder eine „Und wozu das Ganze dann?-Stimme“ hoch. Aber die habe ich inzwischen zum Schweigen gebracht. Sich gesund zu ernähren, macht den Körper stark. Das ist nie umsonst.
Ich werde dieses Jahr 50, in meinem Bekanntenkreis gehen also die Zipperlein los, die gern als „Alterserscheinungen“ angesehen werden. Ich sehe das etwas anders und denke an unseren Körper mit all seinen Regelsystemen. Wenn ich meinen Körper gut behandle, helfe ich ihm stark und gesund bleiben zu können.
Außerdem merke ich auch, dass mein Antrieb inzwischen eher die Energie ist. Ich bin ein „Energiejunkie“ geworden. Diese Art zu essen gibt mir so viel mehr Energie – davon will ich immer mehr.
Annette: Was möchtest du Frauen, die gerade ihre Diagnose bekommen haben und voller Angst auf Ihrem Sofa sitzen, mit auf Ihren Weg geben.
Yvonne: Ich erinnere mich noch: Im Monat der Diagnose saß ich auf dem Sofa und habe Angst bekommen und mir gesagt: „Nun ist die Angst da und sie wird für immer bleiben.“
Damit hatte ich mich aber zum Glück geirrt. Die Angst bleibt izwar mmer in der neighborhood, damit sie nie weit weg ist und immer mal wieder bei mir reinschneien kann (natürlich ohne anzuklopfen). Aber eigentlich weiß sie inzwischen, dass sie bei mir nicht willkommen ist und hält sich – so gut es ihr möglich ist- von mir fern. Auch ich habe Zugeständnisse gemacht. Sie ist mir nicht mehr so unsympathisch. Sie hilft mir auch, immer mal wieder zu überprüfen, ob ich auch genug Acht gebe auf mich selber. Deshalb: Achtet gut auf euch, nehmt eure Symptome ernst, aber lasst euch vom Krebs nicht völlig vereinnahmen!
Annette: Liebe Yvonne, ich bedanke mich für deine offenen und ausführlichen Antworten. Da ist sicherlich für viele Leserinnen und Leser einiges Nutzwertige dabei!
Wer noch etwas mehr über Yvonne erfahren möchte, der sollte unbedingt mal auf Ihrer Homepage https://yvonnegrzib.com vorbeisurfen.
Dort findest du ihre aktuellen Programmangebote. Im Moment bietet sie drei feste Kurse an. Dabei lernst du
- den richtigen Umgang mit Süßigkeiten.
- die Grundzüge der gesunden Ernährung kennen.
- den Körper nach der Chemo möglichst schnell wieder fit zu machen.
In Bälde wird es dort auch Infos zu ihren geplanten Workshops zum Thema „Darmgesundheit“ und „Osteoporose“ geben.
Dort kannst du dich auch für ihren Newsletter anmelden. Alle 14 Tage verschickt Yvonne Tipps für einen gesunden Lifestyle. Außerdem plant sie eine Challenge.
Es wird auf jeden Fall nicht langweilig, denn Yvonne hat ständig neue Ideen!
Hier findet ihr außerdem ein Video, das Yvonne zusammen mit mir aufgenommen hat. Darin sprechen wir über unsere Krebserkrankung: https://vimeo.com/636978259/84769f7c77
Hier geht’s zu den anderen Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”.