Unter dem Motto „talk about cancer“ beschäftigen wir uns mit den vielen Facetten einer Krebserkrankung.hello@kurvenkratzer.at

Annette fragt… Sabrina

Eine Krebsdiagnose wirbelt das Leben komplett durcheinander. Krebs ändert alles.
Ist die Akuttherapie vorbei und man darf krebsfrei weiterleben, dann wollen die einen am liebsten wieder in ihr altes Leben zurück und die anderen erschaffen sich ein neues Leben.
Bei Sabrina, meiner aktuellen Interviewpartnerin von „Annette fragt“ war es wohl ein bisschen von beidem und am Ende doch ein radikaler beruflicher und privater Schnitt.
Freut euch auf ein Interview, in dem es um Veränderung, um Mut und um Dankbarkeit, aber auch um Angst und vor allem um unser aller höchstes Gut, die Gesundheit, geht. Nicht zuletzt ist sogar ein bisschen Jung und Krebs e.V. mit dabei

Annette: Liebe Sabrina, schön, dass du bereit bist, deine Geschichte mit der Welt zu teilen. Stell´dich doch bitte erstmal kurz vor.

Sabrina: Ich wohne in Endingen am wunderschönen Kaiserstuhl und hab mich gerade vollselbständig gemacht als Karrierecoach für Frauen und HR-Beraterin für mittelständische Unternehmen.

Annette: Im November 2018 änderte sich dein Leben. Du erhieltest eine Krebsdiagnose. Wie kam es dazu, wieso warst du beim/bei der Ärztin/Arzt?

Sabrina: Ich war im Oktober 2018 zum normalen Checkup bei meiner Frauenärztin, da war die Welt noch in Ordnung.

Einen Monat später hab# ich dann beim Duschen was gespürt – und bin direkt wieder zur Frauenärztin. Sie meinte, es wäre eine Entzündung und hat mir erstmal Antibiotika verschrieben. Aber nachdem auch das 2. Antibiotika nichts gebracht hat, wurde ich mammographiert und biopsiert und dann war auch schon das schlimme Ergebnis da.

Annette: Welche Therapien hast du gemacht? Und… Wie geht es dir heute? Hast du noch mit Nachwirkungen zu tun?

Sabrina: Ich habe aufgrund meines damals zu jungen Alters die volle Breitseite an Therapien bekommen: Zunächst Kryokonservierung. Port wurde gesetzt. Lymphknoten entnommen. Chemotherapien, Tumor operativ entfernt, Bestrahlung. Zoladex (der Horror). Tamoxifen bis heute.

2x Reha (Bitte, bitte liebe Leute, macht das, es tut euch sooo gut!!!).

Leider hatte ich auch eine frozen shoulder (eine Bewegungseinschränkung der Schulter) dazwischen und dementsprechend neben Lymphdrainage auch Physiotherapie.

Und ich war auch beim Psychoonkologen, was ich ebenfalls jedem ans Herz legen kann! Das war sehr unterstützend für mich!

Mit Nachwirkungen habe ich auch noch zu tun. Durch die Entfernung von Lymphknoten in der Achsel kann ich meinen rechten Arm nicht zu 100% bewegen. Das schränkt mich aber im Alltag eigentlich kaum ein.

Durch die Chemo hatte ich ein Chemobrain – durch die Reha hab ich das wieder gut trainieren können, merke aber bis heute Einschränkungen. Mir fallen einfach keine Namen mehr ein, das war davor nicht so.

Annette: Hui, da sind wir Partners in crime, meine liebe Sabrina. Das ist bei mir genauso. Manchmal schau ich eine/n Schüler*in an und mir will der Name des lieben Kindes einfach nicht einfallen. Aber nun wieder zu dir…

Sabrina: Ja, also… Ansonsten muss ich ja noch das Tamoxifen nehmen und bin daher in den künstlichen Wechseljahren, hab also nie oder unregelmäßig meine Tage und kann diese auch nicht mehr vorhersagen.

Verhütung ist nun logischerweise auch nochmal ein weiteres Thema, weil ich keine Pille nehmen kann.

Vermutlich durch das Tamoxifen verursacht, habe ich ab und zu das Problem, dass mir meine Nägel der Länge nach brechen, das habe ich mit Zink aber gut im Griff.

Annette: Spannend, spannend. Das ist mir – Tatsache! – gerade bei zwei Fußnägeln auch wieder passiert. Hast du sonst noch Beschwerden?

Sabrina: Anfangs hatte ich auch schlimmste Hitzewallungen – da hab ich aber den Tipp von einer Apothekerin bekommen, die Tamoxifentablette abends vorm Schlafengehen zu nehmen und seither hatte ich das nicht mehr. Das war wohl einer der besten Tipps.

Und ja klar, das merken andere nicht, aber ich merke wohl, dass ich nicht mehr so leistungsfähig bin wie vor der Erkrankung.

Auch mache ich mir selbst Jahre danach regelmäßig Gedanken und will zur Nachsorgeuntersuchung, um die „Gewissheit“ zu haben, dass ich gesund bin. Also das Psychische ist bis heute anstrengend, aber auch deutlich besser.

Annette: Ich selbst war vor meiner Erkrankung Lehrerin und Autorin und bin es auch danach. Manche verändern ihr Leben komplett, beenden ihre Partnerschaft, wechseln den Job, werden selbständig oder begeben sich auf Weltreise. Wie war das bei dir? „Neuanfang“ oder „zurück zum Alten“?

Sabrina: Uff, das ist ehrlich gesagt die spannendste Frage: Ich hatte mir vorgenommen, mein Leben zu ändern, damit ich „nie wieder krank werde und nun alles richtig mache“ – Tja, letztendlich wollte ich rückwirkend betrachtet nur eins: ein stinknormales Leben haben, so wie es es alle anderen auch haben.

Ich konnte meine Wiedereingliederung kaum abwarten und dann kam der Schock: Am 2. Tag hab‘ ich gemerkt, dass ich diesen Job nicht mehr machen möchte. Puh, damit hatte ich nicht gerechnet.

Ich hab‘ mir dann ein paar Wochen Zeit gelassen, aber es hat sich bestätigt und ich hab‘ dann ein paar Monate später tatsächlich den Job gewechselt.

Und jetzt kommt das große Aber: Erst nach weiteren 2,5 Jahren bin ich „aufgewacht“ und hab‘ festgestellt, dass ich gar kein anderes, neues, besseres Leben habe.

Da hat es erst angefangen, dass ich verstanden habe, dass ich zurück in die Normalität bin und eben gar nichts wirklich umgestellt habe. Das war eine sehr schlimme Zeit für mich.

Was ich aber definitiv und tatsächlich geändert habe: Ich habe meine komplette Ernährung umgestellt und insgesamt 15 Kilogramm abgenommen. Ich hab‘ mich so unwohl in meinem Körper gefühlt durch die OPs, den Haarverlust, die zusätzlichen Kilos. Ich wollte wieder „ich“ sein und das ist mir auch gelungen. Fühle mich heute wohl in mir!

Letztendlich habe ich dann meinen festen, sicheren Job gekündigt und mir erstmal eine Auszeit von 6 Monaten gönnen wollen. Reisen, Sprachen lernen, tanzen, Leben genießen usw. Daraus wurde dann über 1 Jahr.

Und als ich dann bereit war, neu durchzustarten beruflich, bin ich grad nochmal in ein Loch gefallen, weil ich nicht wusste, was das genau bedeutete.

Das war tatsächlich auch erst vor wenigen Monaten.

Und nun baue ich mir meine eigene Selbständigkeit auf, um mir meine Wünsche und Träume zu erfüllen und eben „mein“ Leben zu leben. Endlich.

Dieser krasse berufliche Schnitt bedeutete aber leider auch das Ende meiner 22jährigen Beziehung.

Annette: Wow, da ist ja einiges anders bei dir oder fast schon „nichts mehr, wie es mal war.“ Sabrina, ich ziehe wirklich meinen Hut vor dir und deinem Mut, so einen radikal krassen Schritt im Beruflichen wie Privaten zu ziehen. Wow.

Würdest du sagen, dass diese Entscheidung auch mit deiner Krebserkrankung zu tun hatte, die dir aufgezeigt hat, dass das Leben endlich ist? Welche Learnings im Blick aufs Leben hast du für dich herausgezogen?

Sabrina: Ja, ich wäre diese Schritte ansonsten nie gegangen und hätte heute noch das gleiche Leben wie 2018.

Es war für mich schlimm daran zu denken, dass ich ja vielleicht diese Welt früher als erwartet verlassen muss und das Leben endlich ist. Und meine Patenkinder beispielsweise nicht aufwachsen zu sehen. Oder selbst nichts auf dieser Welt hinterlassen zu haben, also letztendlich vergessen zu werden.

Die Erkrankung hat mich außerdem dazu gebracht, nach 17 Jahren Funkstille zwischen mir und meinen Eltern den Kontakt wieder herzustellen, weil ich nicht ohne eine versuchte Kontaktaufnahme von dieser Welt gehen wollte. Und ja, wir haben wieder Kontakt.

  1. Mein Learning ist also, dass sich auch tolle Sachen durch meine Krebserkrankung ergeben haben. Manche Schritte wäre ich nie gegangen. Vielleicht nicht witzig, aber hey, ich trage keine langen Haare mehr und habe lernen dürfen, dass mir kürzere Haare viel besser stehen, hahaha.

Ich habe auch gelernt, welche tollen Menschen ich überhaupt um mich herum habe. Wie sehr ich mich auf wirklich alle verlassen kann. Das war toll. Und ich bin dafür sehr dankbar!

Annette: Danke, liebe Sabrina, dass du diese persönlichen Einblicke mit mir und den Leser*innen von “Annette fragt” teilst.

Ich blogge seit meiner Erkrankung und bin in der Selbsthilfe aktiv. Außerdem mache ich diese Interviewreihe hier ;). Der Krebs spielt also weiterhin eine Rolle in meinem Leben. Wie ist es bei dir? Beschäftigt dich die Erkrankung noch oder hast du weitestgehend damit abgeschlossen?

Sabrina: Mich beschäftigt es insofern, als dass mein Körper nicht so funktioniert wie bei anderen Frauen meines Alters und ich zu Nachsorgeuntersuchungen muss, die andere nicht  haben.

Plus, dass ich wohl Angst davor habe, jemals nochmal so etwas Schlimmes durchleben zu müssen.

Und dass wirklich regelmäßig zur Vorsorge gehe, um wieder Sicherheit zu erlangen.

Ansonsten ist es eher so, dass ich durch meine eigenen Erfahrungen nun im HR-Bereich, sei es im Führungskräftecoaching, bei der Beratung von Unternehmen oder wenn Bewerbende eine Lücke im Lebenslauf haben, da viel besser drauf eingehen und unterstützen kann, indem ich meine eigenen Erfahrungen teile.

Ich möchte aber auch nicht damit hausieren, weil ich Bedenken habe, in eine Schublade gesteckt zu werden, als „die Kranke“ –  die ich ja zum Glück nicht mehr bin.

Annette: Von außen betrachtet wirkt dein Leben wirkt sehr schnell, sehr voll, sehr getaktet. Wir Beide wissen aus unserer Krebserfahrung heraus, dass es zum Gesundbleiben Momente der Ruhe, der Pause, der Achtsamkeit braucht.

Verrätst du uns, wie oder womit oder auch mit wem du auftanken, zur Ruhe und Entspannung kommen kannst?

Sabrina: Das stimmt, und das war auch schon vor der Erkrankung so. Ich bin tatsächlich nicht so gut im Ruhen und Pausen nehmen.

Ich ziehe meinen Ausgleich eher aus sozialen Kontakten, aus dem Tanzen, dem Ausgehen mit Freund*innen und indem ich Sport mache.

Annette: Ach ja, Sport ist auch mein Ausgleich. Schon immer gewesen und seit der Erkrankung noch mehr. Ich jogge, bike und schwimme. Du tanzt wie ich in wunderschönen Videos auf Instagram sehen konnte. Ein ganz wundervolles Hobby, liebe Sabrina.

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Foto @Sabrina

Annette: Vor diesem Interview kannten wir beide uns nicht. Unser Berührungspunkt war die Selbsthilfe, genauer gesagt der Verein Jung und Krebs e.V. aus Freiburg. Wie bist du auf diesen gestoßen? 

Sabrina: Ich komme ja auch aus der Freiburger Umgebung, insofern habe ich schnell von der Selbsthilfegruppe erfahren. Außerdem hab’ ich die Bestrahlung da gemacht, wo Carsten Witte (der Gründer von Jung und Krebs) arbeitet. Ich finde die Initiative von Jung und Krebs einfach toll. Der Verein bietet Unterstützung für Betroffene und sensibilisiert für das Thema “Krebs”.

Annette: Hast du dir während der Akuttherapie noch anderweitig Hilfe und Unterstützung geholt?

Sabrina: Ja, ich habe ein Schminktraining von der DKMS gemacht. Das hat mir damals sehr gut getan.

Annette: Zum Schluss wird es jetzt noch kreativ und das wird dir sicherlich nicht schwerfallen, so wie ich dich in deine Reels auf Instagram erlebe.

Was fällt dir aus dem Bauch heraus und ganz spontan zu diesen Stichworten ein:

Mut…. Meine Güte, den hatte und habe ich. Ich war noch nie so mutig wie in der Zeit, in der ich erkrankt warund bin es bis heute. Und das ist gut so, auch wenn mir regelmäßig das Herz in die Hose rutscht. Aber es ist es wert!!!

Gesundheit… Ich sage immer, das ist das wichtigste Gut, muss mich aber selbst oft an die eigene Nase fassen bzw. mich von meinen Freund*innen wieder darauf aufmerksam machen lassen.

Aber oder gerade deshalb: Ich ernähre mich so gut wie noch nie in meinem Leben und das mit absoluter Freude und tollen Gerichten. Ich mache so viel Sport wie noch nie und genieße auch das – weil ich nie wieder krank sein möchte! Das gebe ich auch in meinen Coachings weiter.

Angst… Gehört leider dazu und habe ich heute immer noch. Versuche mich aber, davon nie unterkriegen zu lassen, sondern dann ganz explizit etwas dagegen zu unternehmen. Also z.B. wenn ich das Bedürfnis habe, zur Frauenärztin zu gehen, weil ich denke, dass was nicht in Ordnung ist. Dann gehe ich sofort hin oder rufe an anstatt zu warten, um nicht wochenlang depressiv in irgendwelchen Angstzuständen zu verharren.

Dankbarkeit… Ich bin dankbar, dass ich gesund bin und leben darf!

Annette: Sabrina, du hast mir erzählt, dass viele in deinem Umfeld und vorallem auch die Leute, mit denen du geschäftlich zu tun hast, bisher nichts von deiner Diagnose wussten. Hier bei mir teilst du diese Erfahrung nun ganz offen. Ich fühle mich geehrt.
Was ist deine Intention dahinter? 

Sabrina: Ja, ich teile hier zum ersten Mal die Gedanken aus der dunkelsten Zeit meines Lebens, als nicht klar war, ob ich weiterleben werde und unter welchen Bedingungen.

Ich dachte, es ist an der Zeit, anderen Mut zu machen und zu zeigen, dass es weitergeht. Deshalb habe ich mich bei dir gemeldet.

Annette: Liebe Sabrina, ich danke dir, dass du dich bei mir gemeldet hast, um bei „Annette fragt“ mitzumachen und mir deine Zeit für dieses Interview geschenkt hast. Ich bin mir sicher, dass du mit deiner Geschichte vielen Betroffenen da draußen Mut machst, denn es zeigt, dass ein Leben nach Krebs möglich ist. Und sogar noch besser werden kann als das Leben davor es schon war.

 Alles Gute für dich!

Sabrina: Ich danke dir für diesen Interview und deinen behutsamen Umgang mit dem Thema

Mehr über Sabrina erfahrt ihr hier:

Sabrina auf Instagram

Sabrinas Homepage

Sabrinas zweite Website “Sun and Sparks”

Sabrinas Podcast fempowher

 

Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”

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Sabrina hat die Lebensfreude nicht verloren

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