Tauschgeschäft
Annette fragt… Kathrin Gläser
Wir alle erinnern uns: Die Coronazeit war anstrengend. Homeoffice. Homeschooling. Lagerkoller. In der Coronazeit schwerkrank zu sein, war hardcore. Viele Schritte waren allein zu gehen, viele Gespräche allein zu führen, viele Ängste allein zu durchleben.
Das habe ich selbst erlebt. Und genau das erlebte auch meine aktuelle Interviewpartnerin.
Kathrin Gläser erhielt im April 2020 mitten im Pandemie-Chaos eine Leukämiediagnose. Diese wirbelte ihr Leben komplett durcheinander. Dank Stammzellentranspantation kann sie ihr ohnehin schon stürmisches Leben als alleinerziehende Zwillingsmama weiterleben.
Freut euch auf ein Interview mit einer reiselustigen Hundefreundin, die im Leben nach Krebs schon den ein oder anderen Sturm erlebt hat, aber immer wieder aufgestanden ist.
Annette: Liebe Kathrin, im April 2020 mitten im Corona-Chaos bekamst du deine Leukämiediagnose. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte es wohl kaum geben können. Denn bis überhaupt klar war, was du hattest, lagst du bereits viele Tage mit Fieber und starkem Schmerzen herum, ohne dass du einen Arzt zu Gesicht bekommen hast.
Erzähl doch bitte mal etwas genauer, was damals los war.
Kathrin: Genau, die Coronazeit hatte gerade angefangen und ich bekam Magenschmerzen, Fieber, Schmerzen an der Milz und mein Zahnfleisch war entzündet. Erst dachte ich, ich bin einfach krank. Corona hatte ich eigentlich ausgeschlossen, da wir schon eine Weile in Isolierung waren, weil meine Tochter aufgrund ihrer Behinderung zur Risikogruppe gehörte.
Als das Fieber und die Schmerzen aber schlimmer wurden, wusste ich: „Irgendetwas stimmt da nicht.” Ich konnte nicht mal mehr zum Essen an den Tisch, sondern war eigentlich dauerhaft an die Couch gefesselt und total schwach.
Zum Hausarzt durfte ich nicht, da ich coronatypische Symptome hatte. Also versuchte ich, die Corona- Hotline zu erreichen. Das war tagelang unmöglich war, weil gefühlt jeder dort anrief.
Irgendwann hatte ich Erfolg und es wurde mir ein Arzt vorbeigeschickt.
Dieser kam im Schutzanzug, nahm einen Abstrich und stellte eine vergrößerte Milz fest.
Plötzlich überkam mich ein Gefühl, dass ich die Nacht nicht überleben werde, wenn ich nicht sofort handeln würde. Da dachte ich aber eher an einen Milzriss. Also packte ich eine Kliniktasche, verabschiedete mich von meiner Familie und wenig später stand ich am Corona-Container vor der Klinik.
Allerdings wollte man mich dort nicht untersuchen, da ich alle möglichen Symptome von Covid 19 hatte.
Irgendwann brach ich in Tränen aus und sagte, dass es mir jetzt länger nicht gut gehe, ich keine Hilfe bekomme und meine Familie mich noch brauche. Die Ärztin hatte dann wohl Mitleid und willigte einer Untersuchung ein.
Sie tastete meine Milz ab und meinte, sie sei sehr groß, ich solle am nächsten Tag in ihre Praxis kommen, dann würde sie nochmal genauer schauen. Meine Frage war, ob die Milz diese Nacht durchhalten würde. Ihre Antwort: „Das kann ich Ihnen nicht sagen!“
Meine Angst war groß, dass es in der Nacht zu Komplikationen kommen könnte, also ließ ich mich in die Notaufnahme einweisen.
Dort herrschte pures Chaos. Total überfüllt, alles hustete und erbrach sich. Die Mehrheit dort hatte Corona. Und ich war mittendrin…
Es vergingen Stunden, bis endlich etwas passierte. Blut wurde abgenommen.
Mittlerweile war es schon etwa 23 Uhr, als meine Milz untersucht werden sollte. Doch zu der Untersuchung kam es dann nicht. Die Ärztin wurde gerufen und stand wenig später mit der Aussage in der Tür, dass mit meinem Blut etwas nicht stimme und sie mich jetzt isolieren müssen und sie deshalb nun nun die Tür schließen würden.
Da lag ich dann. Komplett alleine. Und wartete.
Ich dachte an eine Autoimmunerkrankung. An irgendetwas, was man medikamentös einstellen kann.
Gegen Mitternacht brachten sie mich aus der Notaufnahme raus in ein abgelegenes Arztzimmer. Dort war ich dann wieder lange Zeit auf mich alleine gestellt.
Eine Schwester schaute kurz ins Zimmer, sagte mir, ich habe Leukämie und ein Arzt käme gleich.
Alles war irgendwie so weit weg. Wie im Film. Nicht real. Aber doch so nah.
Irgendwann kam der Arzt, nahm sich viel Zeit, um mir alles zu erklären und mir Mut und Hoffnung zu machen. Er war später auch mein behandelnder Arzt.
Dann ging es für mich auf die Beobachtungsstation.
Annette: Meine Güte, ich hab’ Gänsehaut. Das hört sich an wie ein schlechter Film und noch viel schlechter. Da hast du ja den absoluten Horror hinter dir gehabt, bevor der Horror dann erst anfing. Wahnsinn!
Noch in der Nacht deiner Diagnose begann dann deine Therapie. Was genau wurde da gemacht?
Kathrin: Direkt in dieser Nacht bekam ich Chemotbletten (Syrea), um die erste lebensbedrohliche Gefahr zu mildern – das Wachstum der Krebszellen soll dadurch gehemmt werden. Was dann auch gut war, wie sich herausstellte. Denn mein Blut bestand schon zu 90% aus Krebszellen.
Annette: Puh, da hattest du wirklich Glück. Ich habe ein paar Monate meiner ersten Chemotherapie meinen Krebsblog gestartet. Instagram kam dann erst am Ender der Aktutherapie dazu. Du hast schon eine Woche nach deiner Diagnose in einem Post deine Diagnose öffentlich gemacht. Wie kam es dazu? Wie waren die Reaktionen darauf?
Kathrin: Anhand einer Knochenmarkspunktion sah man, dass die Leukämie ohne eine Stammzellentransplantation nicht geheilt werden konnte. Also nutzte ich die Reichweite des Internets, erstellte einen Beitrag zu meiner Situation und machte auf die DKMS aufmerksam und bat um Registrierung.
Zu dieser Zeit hatte ich große Bedenken, eine*n passende*n Spender*in zu finden.
Doch die Reaktionen waren überwältigend! Ich habe so viel Mut zugesprochen bekommen, es wurde geteilt, was das Zeug hielt und viele waren sogar schon registriert und die, die es noch nicht waren, haben es direkt erledigt!
Annette: Du erhieltest im Juli 2020 eine Stammzellentransplantation. Ich habe keinen Plan davon, wie so etwas abläuft. Kannst du mir und den Leser*innen deines Interviews etwas genauer erklären wie das funktioniert? Wie hast du deine Spenderin gesucht, gefunden, wie war dann das medizinische Vorgehen?
Kathrin: Um die Stammzellentransplantation durchzuführen, muss man auf eine spezielle Station. Man bekommt ein Isolationszimmer. Kein Fenster geht auf. Täglich wird alles desinfiziert. Wenn etwas auf den Boden fällt, darf man es selbst nicht aufheben. Kleidung muss mit 60 Grad gewaschen und einzeln in Plastiktüten verpackt sein. Täglich duscht man sich mit Desinfektionsschaum. Alles, was ins Zimmer mit reinkommt, wird desinfiziert. Außerdem ist auf eine keimarme Ernährung zu achten (z. B. nur geschältes Obst).
Durch eine weitere Hochdosis-Chemo und Ganzkörperbestrahlung werden die letzten bösartigen Zellen im Körper zerstört und das Immunsystem soweit geschwächt, dass das Transplantat nicht abgestoßen wird.
Sollte man sich in dieser Zeit irgendeinen Keim einfangen, kann das tödlich enden. Deshalb die strengen Vorkehrungen im Isolierzimmer.
Dann ist es soweit und man bekommt die rettende Infusion. Bei mir waren es zwei Beutel mit Stammzellen. Diese waren eingefroren und zu meinem besonderen Tag aufgetaut worden.
Die Infusionen laufen langsam in den Körper. Es ist ziemlich unspektakulär, aber dennoch so besonders.
Die neuen Stammzellen brauchen dann ein paar Tage, um es sich im Knochenmark gemütlich zu machen. D. h. warten ist angesagt, bis die neuen Stammzellen das Spenderblut produzieren. Bei mir waren nach neun Tagen die ersten neuen Zellen im Blut nachweisbar.
Dann reagiert der Körper allerdings mit einigen Abstoßungsreaktionen und um diese etwas im Zaum zu halten, bekommt man eine gewisse Zeit Immunsuppressiva.
Die Klinik ging direkt auf Spendersuche, als klar war, dass ich Stammzellen benötige. Freund*innen und Bekannte haben Plakate erstellt, sich mit der DKMS in Verbindung gesetzt und einen Verein um Unterstützung gebeten, der dann eine Typisierungsaktion gestartet hat. Dies lief alles im Hintergrund und ich habe davon nicht wirklich etwas mitbekommen.
Auch mein Bruder wurde getestet, kam aber nur im Notfall in Frage, da die Merkmale nicht zu 100 % übereinstimmten.
Meine Angst war groß, keine*n passende*n Spender*in zu finden. Aber schon nach fünf Wochen gab es die freudige Nachricht von meinem Arzt, dass es ein Match gäbe!
Annette: Ich selbst darf durch meine eigene Krebserkrankung nicht als Spenderin aktaiv werden. Aber sicherlich gibt es unter euch Leser*innen die eine oder den anderen, der gesund ist und mit einer Stammzellenspende anderen Menschen helfen kann so wie es bei Kathrin der Fall war. Deshalb hier an dieser Stelle der laute Hinweis auf die DKMS. Ruckzuck registrieren, Abstrich machen und vielleicht schon bald Spender*in sein.
Kathrin: Mittlerweile darf ich auch nicht mehr spenden. Vor meiner Leukämieerkrankung habe ich sehr lange gezweifelt und auch überlegt, ob ich mich bei der DKMS registrieren soll. Ich dachte da an eine OP und wenn dabei etwas schief geht. „Was wird dann mit meinen Kindern?” Das waren damals meine Gedanken.
Im Oktober 2019 habe ich mich dann registriert. Nichtsahnend, dass ich nur ein halbes Jahr später selbst die Hilfe der DKMS gebraucht habe…
Mittlerweile weiß ich, dass die Spende kein Zuckerschlecken ist, aber aushaltbar. Die Zellen werden überwiegend aus dem Blut gewonnen und weniger direkt aus dem Beckenkamm per OP.
Dennoch kann ich es jedem ans Herz legen – denn man kann Leben retten! Hätte es keine*n Spender*in für mich gegeben, wären meine Kinder ohne eine Mama aufgewachsen.
Annette: Ich erhielt meine Diagnose auch im Jahr 2020 und musste wegen Corona die allermeisten Wege zu Ärzt*innen, in Kliniken usw. alleine gehen. So war das höchstwahrscheinlich auch bei dir. Wie hast du dir dennoch Unterstützung geholt? Durch wen oder was hast du Begleitung erfahren?
Kathrin: Ja, durch Corona durfte keine Begleitung mit zu Arztgesprächen. Kein Besuch durfte in die Klinik kommen.
Ich hatte in der ersten Klinik Glück, denn mein Zimmer lag auf der Außenseite, so dass meine Familie und Freund*innen ans Fenster kommen konnten. Ich lag zwar im 3. Stock, aber so konnte man sich wenigstens kurz sehen . Es kam immer mal einer am Fenster vorbei, ich wurde mit Einkäufen und Selbstgekochtem versorgt, was für mich an der Klinikanmeldung abgegeben wurde.
Was mir dort noch sehr geholfen hat ,war die Klinikseelsorge, die regelmäßig zu mir aufs Zimmer kam.
Durch die Corona-Pandemie stand die Welt ein bisschen still, Konzerte usw. fanden nicht statt. Das war eigentlich mein „Glück“. Ich liebe Musicals und meine Lieblingsdarsteller*innen kamen oft auf instagram live oder es wurden kleine Konzerte gestreamt. Was es ohne Covid 19 nicht gegeben hätte. Das hat mir unheimlich viel Kraft gegeben.
Ansonsten habe ich mit Familie und Freund*innen telefoniert und geschrieben. Ich bekam Bilder von der Natur geschickt, eine Freundin hat mir jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte aufgenommen und per Video geschickt.
Es kamen ganz viele Päckchen per Post oder es wurde was für mich abgegeben. Karten, Glücksbringer, Lieblingsnaschereien, Bücher, etc.
An dem Tag, an dem ich die Stammzellen bekam, haben mich Freund*innen und Familie per Video angerufen und wir haben eine kleine „Party“ zusammen gefeiert.
Ich habe in der Zeit so viel Liebe und Unterstützung bekommen, auch wenn niemand direkt zu mir aufs Zimmer durfte.
Daran denke ich heute noch oft zurück und bin unendlich dankbar dafür!
Annette: Zwei Jahre nach einer Transplantation darf man ja seine/n Spender/in kennenlernen. Ich weiß, dass du das gemacht hast. Nimmst du uns alle, die wir hier deine Geschichte erfahren dürfen, mit in diesen sicherlich hochemotionalen Tag eures Treffens?
Kathrin: Richtig, nach zwei Jahren darf man seine*n Spender*in treffen. Wir hatten sogar vorher schon anonymen Briefkontakt. Die Briefe habe ich in der Klinik abgegeben, die sich dann um alles Weitere gekümmert hat. Es dürfen aber keine persönlichen Dinge geteilt werden, die verraten könnten, wer man ist.
Nach zwei Jahren bekommt man ein Schreiben und gibt seine Daten an, wenn man Kontakt möchte. Und so kam es dann zum Austausch mit meiner Spenderin und wir haben ein Treffen organisiert.
Endlich hatte ich ein Gesicht zu der Frau, die mir ein zweites Leben geschenkt hat!
Ich habe erfahren, dass sie gar nicht allzu weit von mir weg wohnt und wir trafen uns bei ihr in der Nähe. Als wir uns das erste Mal sahen, schlug mein Herz bis Hals, so aufgeregt war ich.
Nach einer langen Umarmung ging es dann gemütlich zum Frühstücken ins Cafè. Wir redeten über meine Klinikzeit und wie die ganze Vorgehensweise mit der dkms für meine Spenderin war.
Anschließend waren wir lange im Park spazieren und tauschten uns über alles Mögliche aus und verbrachten einen tollen Tag zusammen. Es war sehr bewegend und einzigartig.
Ich bin sehr dankbar, die Möglichkeit bekommen zu haben, meine Spenderin persönlich kennen zu lernen!
Annette: Ich hab´ Heuschnupfen. Durch die Chemotherapie war er zwei Jahre fast weg, nun kam er dieses Jahr heftigst wieder zurück. Ich habe gelesen, dass du seit deiner Stammzellentransplantation keine Allergien mehr hat. Das ist ja ein schöner Nebeneffekt, hihi. Scherz beiseite! Welche Auswirkungen hatte das Ganze sonst noch auf dich und deinen Körper?
Kathrin: Genau, es kann vorkommen, dass die eigenen Allergien durch eine Stammzellentransplantation weggehen. Vorher hatte ich Heuschnupfen, Tierhaarallergien, usw. Diese sind nun alle weg.
Auch die Blutgruppe ist anders – ich habe nun die Blutgruppe meiner Spenderin.
Durch die harten Chemos und Ganzkörperbestrahlungen bin ich schon in den Wechseljahren, was mir ziemliche Beschwerden macht.
Außerdem bin ich überhaupt nicht mehr belastbar. Alles ist anstrengend geworden, die Tage müssen gut durchgeplant sein mit vielen Pausen.
Auch das Hirn ist oft voll mit Nebel und wie ein Sieb. Vieles vergesse ich, wenn ich es mir nicht sofort aufschreibe. Und selbst das Aufschreiben vergesse ich oft.
Ich leide unter Polyneuropathie, die Gelenke und Nerven schmerzen.Arbeiten ist bisher nur ein paar wenige Stunden in der Woche möglich, da ich mich nicht lange konzentrieren kann.
Aber hey, ich lebe! Und kann die kleinen Dinge dennoch genießen!
Annette: Ach Kathrin, manche deiner Beschwerden kenne ich auch. Schmerzen in den Händen, Nebel im Kopf, Dinge vergessen, der verfrühte Wechsel. Davon kann ich auch ein Lied singen. Aber ja, unterm Strich gesehen, komme ich immer wieder zum selben Schluss wie du: Wir leben und das ist doch einfach toll, oder?
Als ich dich wegen eines Interviews ansprach, hatte ich „nur“ deine Leukämie vor Augen. Aber als ich dann mehr über dich und dein Leben erfahren durfte, wurde mein Hut, den ich vor dir zog, immer größer und mein Respekt stieg ins Unermesslich. Du bist alleinerziehende Zwillingsmama, eine deiner Töchter sitzt im Rollstuhl, du hattest eine Depression, hast die Arbeitsstelle gewechselt. Uff, das reicht eigentlich für mehrere Leben.
Dennoch lächelst du auf vielen deiner Fotos, schreibst von Dankbarkeit und glücklichen Momenten. Was sind deine Kraftquellen oder Tools, wenn die Zeiten schwierig sind oder gar noch schwieriger werden?
Kathrin: Danke Annette.
Es ist wirklich nicht einfach. Ich versuche mir Unterstützung zu holen. wo es nur geht.
Und dankbar bin ich, dass mir dieses zweite Leben geschenkt wurde. Viele Momente nimmt man intensiver war, weil man weiß, das Leben kann schnell zu Ende sein.
Ich versuche, oft in der Natur zu sein, besuche Musicals und Konzerte, fange die kleinen Momente mit meiner Kamera ein und eine weitere Kraftquelle ist auf jeden Fall das Meer.
Wichtig sind auch viele Pausen und nicht alles auf einmal erledigen zu wollen. Das fällt mir jedoch nicht ganz so leicht ;o)
Annette: Auf einigen Fotos zeigst du dich überglücklich und absolute Zufriedenheit ausstrahlend mit eurem Hund Mila. Ich weiß, dass sie eigentlich viel zu früh nach der Transplantation bei euch eingezogen ist und alles nicht ganz so nach Plan lief. Dennoch bezeichnet du sie als deinen „Seelenhund“. Magst du mir erzählen, was sie in dir, für dich und euch bewirkt?
Kathrin: Mila kam ein halbes Jahr nach meiner Stammzellentransplantation zu uns. Nun stand nicht mehr die ganze Krebsgeschichte im Vordergrund, sondern dieses kleine Hündchen!
Sie bringt uns mit ihrer witzigen Art zum Lachen, lässt uns auch bei schlechtem Wetter draußen die schönen Dinge entdecken.
Wenn es mir nicht gut geht, weicht sie mir nicht von der Seite und ist immer da – egal ob ich fröhlich oder traurig bin, gesund oder krank.
Als ich dich wegen eines Interviews ansprach, hatte ich „nur“ deine Leukämie vor Augen. Aber als ich dann mehr über dich und dein Leben erfahren durfte, wurde mein Hut, den ich vor dir zog, immer größer und mein Respekt stieg ins Unermesslich. Du bist alleinerziehende Zwillingsmama, eine deiner Töchter sitzt im Rollstuhl, du hattest eine Depression, hast die Arbeitsstelle gewechselt. Uff, das reicht eigentlich für mehrere Leben.
Dennoch lächelst du auf vielen deiner Fotos, schreibst von Dankbarkeit und glücklichen Momenten. Was sind deine Kraftquellen oder Tools, wenn die Zeiten schwierig sind oder gar noch schwieriger werden?
Kathrin: Danke Annette.
Es ist wirklich nicht einfach. Ich versuche mir Unterstützung zu holen, wo es nur geht.
Absolut dankbar bin ich, dass mir dieses zweite Leben geschenkt wurde. Viele Momente nehme ich intensiver war, weil ich weiß, dass das Leben schnell zu Ende sein kann.
Ich versuche, oft in der Natur zu sein, besuche Musicals und Konzerte, fange die kleinen Momente mit meiner Kamera ein.
Eine weitere Kraftquelle ist auf jeden Fall das Meer.
Wichtig sind auch viele Pausen und nicht alles auf einmal erledigen zu wollen. Das fällt mir jedoch nicht ganz so leicht…
Annette: Auf einigen Fotos zeigst du dich überglücklich und absolute Zufriedenheit ausstrahlend mit eurem Hund Mila. Ich weiß, dass sie eigentlich viel zu früh nach der Transplantation bei euch eingezogen ist und alles nicht ganz so nach Plan lief. Dennoch bezeichnet du sie als deinen „Seelenhund“. Magst du mir erzählen, was sie in dir, für dich und euch bewirkt?
Kathrin: Mila kam ein halbes Jahr nach meiner Stammzellentransplantation zu uns. Nun stand nicht mehr die ganze Krebsgeschichte im Vordergrund, sondern dieses kleine Hündchen!
Sie bringt uns mit ihrer witzigen Art zum Lachen, lässt uns auch bei schlechtem Wetter draußen die schönen Dinge entdecken.
Wenn es mir nicht gut geht, weicht sie mir nicht von der Seite und ist immer da – egal ob ich fröhlich oder traurig bin, gesund oder krank.
Es gibt einen Spruch, der passt sehr gut:
Als ich eine Hand brauchte, fand ich deine Pfote.
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Annette: Das Leben als alleinerziehende Mama mit einem behinderten Kind und eigener Diagnose ist alles andere als leicht und leider auch alles andere als billig. Dennoch hast du zusammen mit deiner Familie eine Reise nach Mallorca, die ich dir von ganzem Herzen gönnen. Ich weiß, dass dies über Spenden möglich wurde. Hast du an dieser Stelle einen (Link-)Tipp für Leute, die in einer ähnlichen Situation stecken und sich oder einem lieben schwerkranken Menschen einen Herzenswunsch erfüllen möchten?
Kathrin: Das stimmt allerdings. Es ist hart.
Freund*innen und Bekannte haben sich während meiner Klinikzeit an den regionalen Verein gutherzig e. V. gewendet. Dieser fragte mich nach einem Herzenswunsch und sammelte Spenden dafür.
Mein Wunsch war, Delfine in freier Wildbahn zu sehen und uns einen sorglosen Urlaub zu gönnen. Und als ich mich 2022 fit genug dafür fühlte, flog ich mit meiner Familie nach Mallorca und wir haben es uns richtig gut gehen lassen!
reSAILience e. V. kann ich auch ans Herz legen. Mit dem Verein war ich i eine Woche lang in Italien segeln. Es werden mehrere Törns im Jahr angeboten für junge Erwachsene mit Krebs und anderen schwerwiegenden Erkrankungen.
Es war eine tolle Erfahrung.
Für schwer erkrankte Kinder gibt es Herzenswünsche e. V.
Annette: An dieser Stelle lege ich euch auch noch den Verein Jung und Krebs e.V. ans Herz, für den ich selbst tätig bin. Wir haben den Punkt Wunscherfüllung in unserem Programm und und haben schon einigen Krebspatient*innen (letzte) Wünsche erfüllt. Meldet euch gerne bei mir, wenn ihr jemanden kennt, die oder der einen Lichtblick gebrauchen könnte!
….
Vielleicht etwas offtopic, aber neugierig nachgefragt: Du hast neben deinem Account, auf dem du von dir und deinem (Familien-)Leben erzählst noch einen zweiten Account. Der nennt sich „Kathrins Bilderwelt“. Dort postest du Naturfotos. Ist das Hobby, Beruf(ung) oder vielleicht auch eine Art Therapie für dich?
Kathrin: Die Fotografie mache ich hobbymäßig. Es macht mir Spaß, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und die Schönheit der Natur den Menschen durch die Fotos näher zu bringen.
Natürlich ist es auch eine Art Entfliehen aus dem Alltag und sich auf die schönen Dinge der Natur zu konzentrieren
Annette: Ich bin Autorin für pädagogische Ratgeber und schreib ganz passable Texte auf einem Krebsblog… Mit Belletristik oder gar Lyrik hab ich es überhaupt nicht. Du hingegen hast an einem eigene Lied für deine Kinder mitgeschrieben, deine Instatexte enthalten viele schöne Formulierungen und Beschreibungen des Lebens und vorallem auch der Natur.
An einer Stelle auf deinem Profil habe ich ein ganz tolles Gedicht entdeckt. Das finde ich so wunderschön, dass ich es gerne allen Leser*innen zur Verfügung stellen möchte. Ich denke, vor dem Hintergrund dessen, was du erlebt hast und welchen schicksalhaften Weg du weiterhin gehst, wird es uns alle daran erinnern, was Glück wirklich bedeutet. Ein schöneres Schlusswort für mein Interview mit dir könnte ich mir nicht vorstellen. Alles, alles Gute dir!
Kathrin: Vielen lieben Dank Annette. Auch alles Gute für dich!
Mehr über Kathrin erfahrt ihr hier:
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Kathrins Zweitaccount
Zeitungsartikel über Kathrin auf Tag 24
Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”.