Erleichterung vs. Belastung
Annette fragt… Bettina Greschner
Annette schreibt und fragt nicht nur in Sachen Krebs, sie liest auch gerne Bücher von Betroffenen. Eines davon heißt leicht provokativ „Einmal oben ohne bitte“ und stammt aus der Feder von Bettina Greschner.
Eigentlich trug diese bei ihrer Brustkrebsdiagnose 2011 nach einer suchtbelasteten Kindheit, dem Unfalltod ihres Partners kurz vor der Hochzeit, einer Wochenbettdepression und dem Aus ihres Möbelgeschäfts schon einen gut gefüllten Schicksalrucksack mit sich herum. Jede*r hätte verstanden, wenn sie nun erstmal in Mutlosigkeit, Trauer und Wut versunken wäre.
Für Bettina allerdings war Aufgeben keine Option, sondern sie sagte sich „Jetzt erst recht!“ Im Interview gibt sie euch ehrliche Einblicke in ihr Leben und hat einige spannende Impulse für euch auf Lager. Freut euch auf unser Interview, das Bettina mir in Form einer knapp einstündigen Audioaufnahme gab
Und nun übergebe ich das Wort direkt an Bettina…
Bettina: Hallihallo liebe Annette, ich stell mir vor, wir haben uns vorher schön geknuddelt und sitzen nun gemeinsam in der Sonne, trinken heißen Tee und lächeln uns an. In diese Energy beame ich mich jetzt rein und gebe dir meine Antworten auf deine Fragen…
Annette: Liebe Bettina, deine Krebserkrankung liegt schon eine Weile zurück. Nimm uns doch mal mit ins Jahr 2011. Was war damals in deinem Leben los? Wie kam es zur Diagnose? Wie geht es dir heute gesundheitlich?
Bettina: Ich hatte ein eigenes Möbelgeschäft und nach außen hin war alles gut. Aber wenn ich genau hinsah, dann ging es mir scheiße. Ich war körperlich und emotional komplett erschöpft. Ich hatte Versagens- und Existenzängste. Mein Leben bestand nur noch aus Funktionieren. Ich lächelte zwar für die Kund*innen, wenn sie den Laden betraten. Aber im Grunde war das eine Show und ich eigentlich total demotiviert und kraftlos. Dekoration, Beratung… Ich gab alles an meinen Mann ab.
Das lange Himmelfahrtswochenende 2011 wurde dann ein Schlüsselmoment für mich. Damals brach meine Maskerade zusammen. Wir hatten gute Freunde zum Essen eingeladen und obwohl mir überhaupt nicht nach Zusammensein war, machte ich gute Miene zum schlechten Spiel und hielt den Besuch aus. Als die Gäste weg waren, konnte ich nur noch weinen und es gab einen tierischen Streit mit meinem Mann.
Ich ging dann in unseren Pettersson-Findus-Gemüsegarten und zupfte ohne Handschuhe mit lackierten Nägeln Unkraut. Intuitiv wollte ich mich wohl spüren, wollte ich mir Kraft und Energie in der Erde holen. In diesem Moment fasste ich einen Entschluss: Ich konnte so nicht mehr weitermachen und würde das Geschäft nach Weihnachten schließen und eine Auszeit nehmen. Das zöge zwar Verluste nach sich, aber ansonsten würde meine Ehe, würde mein Leben den Berg hinuntergehen.
Allerdings stockte mein Leben dann schon etwas früher, als ich im Oktober die Brustkrebsdiagnose erhielt. Ich hatte Verhärtungen gespürt, war aber nicht allzu sehr beunruhigt, da ich das aus früheren Zeiten schon kannte. Meine Gynäkologin veranlasste eine Mammographie. Die blieb zwar ergebnislos, aber die Ärztin bestand auf einer Biopsie, die einen Tumor von 1,5 cm ergab. Nach zwei Operationen stellte sich heraus, dass er tennisballgroß und sehr, sehr aggressiv gewesen war.
Heute geht es mir megasuperbombastisch. Ich bin körperlich und mental gesund. Dafür habe ich viel an mir gearbeitet und viel Verzeihensarbeit geleistet. Ich habe mir und vielen Dingen und Erlebnissen in meinem Leben verziehen und mich so von Wut, Verletzung, Mobbing und negativen Ereignissen befreit. Das hat mir sehr geholfen, um zu gesunden.
Annette: Du warst früher selbständig und hattest ein Möbelgeschäft. Nun bist du als Coach tätig. Wie kam es zu diesem beruflichen Wandel?
Bettina: Mir war nach dem Entschluss, mein Möbelhaus zu schließen schon klar gewesen, dass ich nicht mehr abhängig sein wollte von Warenein- und verkauf. Und als ich dann im Krankenhaus war, setzte ein geistiger Wandel ein. Zwar war ich zu diesem Zeitpunkt hoch verschuldet und körperlich am Ende, aber irgendwie entfachte die Diagnose mein Kämpferinnenherz und ich dachte mir „Jetzt erst recht!”
Ich bemerkte, dass ich mit meiner Art, mit meiner Stimme und Energie, etwas bewirken konnte. So hatte ich eine Bettnachbarin, die leicht ins negative Drama abrutschte. Es gelang mir, sie durch meine Worte positiver zu stimmen. Wir haben unendlich viel zusammen gelacht und sie bedankte sich immer wieder dafür, dass ich sie so pushte und bestärkte. Auch die Krankenschwestern lobten mich für die positive Energie in unserem Zimmer.
Um mich selbst energetisch gesund zu halten, entschied ich mich, mein Leben fortan nur mit guten Dingen zu füllen. So aß ich z.B. nicht das Krankenhausessen, sondern lies mir selbstgekochtes Essen von meinem Mann bringen oder weigerte mich, im Rollstuhl zu den Untersuchungsräumen geschoben zu werden, ich hatte und habe ja zwei gesunde Beine. Ich vermied es (und vermeide es weiterhin), Nachrichten zu schauen, Trash-Serien interessierten mich sowieso nicht mehr.
Dass ich schlussendlich mal als Coach arbeiten würde, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht klar. Aber ich bemerkte, dass da etwas Großes in mir reifte.
Annette: Was genau machst du als Coach? Wie kann man dich kontaktieren und mit dir zusammenarbeiten?
Bettina: Ich zeige Menschen, insbesondere Frauen, auf, wie sie ihre Stärken und Potentiale für sich einsetzen können, um dauerhaft und ohne Abhängigkeit von den äußeren Umständen ein zufriedenes und erfülltes Leben zu haben. Dabei arbeite ich mit den intrinsischen Motivatoren, den sogenannten PLD®´s (Personal Life Driver) aus der REICH-Methode©. Kennt eine Person ihre PLDs, dann hat sie ihren “Lebens-Führerschein“, den sie in allen Bereichen einsetzen kann.
Ich arbeite mit Einzelpersonen, in Gruppen und coache auch Paare. Dabei steht im Fokus, ein großartiges Miteinander zweier einzigartiger Persönlichkeiten zu schaffen, bei dem keine*r versucht, den anderen zu verändern.
Ich arbeite im Langzeitcoaching. Ich biete zweimal die Woche Livecalls an. Außerdem bin ich für Fragen immer per WhatsApp erreichbar und stehe für spontane 1:1-Calls zur Verfügung, wenn’s zwischendrin mal Fragen aufpoppen oder es knirscht und ein/e Kund*in einen kurzen Impulse braucht oder ich ihre/seine Gedanken etwas zurechtrücken muss. Ich arbeite überwiegend online, stehe aber auch in Präsenz zur Verfügung.
Annette: Ich bin schreibwütig, man kann es wohl nicht anders sagen. Dich scheint allerdings beim Schreiben deines Buches auch die Schreibwut gepackt zu haben, denn du warst innerhalb von zwei Monaten damit fertig. Wie kam es denn dazu? Ich hab die Frage noch eingebaut, weil ich dein Story mit dem Datum so cool fand, die du später erzählt hast.
Bettina: Diese rasende Geschwindigkeit fand ihren Ursprung eigentlich in einem Versprecher meinerseits in meinem Podcast. Und zwar sagte ich im November 2021, dass ich es im Februar 2022 fertighaben möchte. Und weißt du, was dann geschah? Ich schrieb an meinem Geburtstag, dem 1. Dezember., das erste Kapitel -“50 und so richtig glücklich” und am 29. Januar.2021 war ich tatsächlich schon fertig damit. Sehr geil, mega.
Annette: Dein Buch nennt sich – leicht provokativ – „Einmal oben ohne, bitte“. Das ruft sicherlich bei vielen Leser*innen ein bestimmtes Bild hervor. Da ich dein Buch kenne, weiß ich aber, dass du etwas anderes damit meinst. Klär uns doch bitte auf, was du damit sagen möchtest.
Bettina: Hm, der Titel kann auf unterschiedliche Arten gelesen werden.
Zum einen möchte ich die Menschen tatsächlich damit provozieren. Denn wenn alles easy-peasy-smoothie läuft, dann hat man ja keinen Grund hinzugucken, nochmal bei sich nachzufühlen oder etwas zu verändern. Oder eben auch keinen Grund, mein Buch zu kaufen.
Außerdem soll der Titel zum Ausdruck bringen, dass ich selbst Ewigkeiten oben ohne, also ohne nachzudenken, unterwegs gewesen bin und das meiste unüberlegt gemacht habe. Ich fragte mich nie, ob es mir eigentlich guttut, was ich da tue. Stattdessen tat ich alles, um zu gefallen und funktionierte einfach. Ich hatte über die Jahre die Verbindung zu mir, zu meinen Gedanken, meinen Gefühlen und den Signalen meines Körpers und auch zu Gott verloren. Schmerzen überdeckte ich mit Aspirin. Ja, ich bin sehr böse mit mir, meinem Körper und meiner Seele umgegangen. Mein Selbstwert war im Keller.
Zudem bezieht sich der Buchtitel auf den Haarverlust durch meine Krebserkrankung.
Viele fragen mich auch, ob es im Buch darum geht, dass ich meine Brüste verloren habe. Nein, ich wurde gottseidank brusterhaltend operiert. Allerdings ist eine Seite durch die Operationen um ein Vielfaches kleiner und mein Mann nennt sie liebevoll meine “Nemo-Brust”. Ich finde mich schön so wie ich bin, auch mit der vernarbten, kleinen Brust. Ich bin mir außerdem sicher, dass ich auch ohne Brust genauso glücklich wäre.
Annette: In deinem Buch steht deine Krebsgeschichte nicht im Vordergrund, sie scheint aber der Startpunkt für einen großen Wandel in deinem Mindset gewesen zu sein.
Bettina: Das stimmt so nicht ganz. Der Wandel im Mindset setzte tatsächlich schon viel, viel früher ein. Und zwar hatte ich 2006 eine Wochenbettdepression. Eigentlich ging es uns damals wirklich bestens: Wir wohnen (und das tun wir immer noch!) wundervoll, mein Mann verdiente sehr gut, ich hatte zwei gesunde Kinder, war selbst gesund. Aber in mir war eine tiefe Traurigkeit.
Eine Situation hab ich noch genau vor Augen: Ich hatte meinen Sohn, damals etwa ein halbes Jahr alt, für einen Spaziergang fertig gemacht und er saß mit Schnuller und dickem Schneeanzug schon im Maxi Cosi. Ich saß ihm gegenüber auf der Toilette und weinte und weinte. Das war der Schlüsselmoment, der mir zeigte, dass ich etwas ändern musste. Denn ich war zuvor schon wochenlang deprimiert, antriebslos und mit schlechtem Gewissen aufgestanden.
Ich ging zu meiner Hausärztin. Die schlug mir zwei Wege vor: Erstens einen schnellen Weg mithilfe von Antidepressiva und zweitens einen langsameren Weg über ein Buch. Weil ich unbedingt sofort eine Lösung wollte, startete ich mit den Tabletten. Ich nahm die halbe Dosis und alles wurde noch schlimmer. Ich kam mir vor wie in einem ganz schlechten Ami-Film ‘a la “Mutter hockt mit Alkohol und Tabletten, hochtoupierten Haaren und Lockenwicklern (die hatte ich allerdings nicht!) auf dem Sofa und schaut fern“. Ich brachte die Tablettenpackung zur Ärztin zurück und holte mir stattdessen das empfohlene Buch.
Es war “the secret” von Rhonda Byrne. Schon in der Buchhandlung konnte ich mich mindestens eine Stunde lang kaum davon losreißen. Zu Hause setzte ich mich in die Badewanne und habe mindestens zweieinhalb Stunden lang gelesen, immer wieder heißes Wasser nachlaufen lassen. Ich habe das Buch richtiggehend eingeatmet. Beim Lesen bekam ich Kraft und fand meine innere Führung wiedergefunden. Ich war die traurige Ohnmacht los. Mit diesem Buch hatte ich etwas was in der Hand, mit dem ich dafür sorgen kann, dass es mir besser geht.
Die Wurzeln meines Buches liegen also schon vor meiner Diagnose, aber im Laufe der Krebsbehandlung reifte dann die Idee und ich machte mir schon in der Klinik sehr viele Notizen. Bis zur Veröffentlichung des Buches vergingen allerdings 10 Jahre, in denen ich mein Leben radikal veränderte.
Aber eins ist klar: Ich habe durch den Krebs mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen gefunden.
Annette: Im Vorwort zu deinem Buch beschreibt Thomas Reich, der dich einige Zeit gecoacht und begleitet hat, dich als „Bettina, die nicht will, die im Grunde nie wollte. Bettina macht einfach. Punkt“. Wow – welch Kompliment! Sicherlich gibt es aber auch bei dir Tage, an denen du dich zu schwach zum Machen fühlst. Was oder wer sind dann deine Ankerpunkte, deine Kraftgeber oder deine Rituale?
Bettina: Ja, auch eine Frau Greschner hat mal ne schlechte Stunde, einen halben oder auch ganzen öddeligen Tag, an dem ich einfach nur am Heulen bin, schlechte Laune habe oder an mir zweifle. Dann hab ich absolut keinen Bock, mich mit Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen, sondern ziehe mich zurück. Dann lege ich mich in die heiße Wanne und stell mein Handy auf Flugmodus. Sage dann auch mal Termine ab oder verschiebe ein Coaching um ein, zwei Tage.
Das bin ich mir wert, das bin ich meinen Kund*innen wert. Ich setze nie wieder die “Gute-Laune-Lila-Betty” auf, die so tut, als ob es ihr gut geht. Wenn es mir scheiße geht, dann geht es mir scheiße und ich beanspruche Zeit und Raum für mich. Dann frage ich mich: „Was würde mir jetzt Freude bereiten?“
Ich habe für mich erkannt, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn es richtig ruckelt. Denn dann steht der “next level step” in meiner Persönlichkeitsentwicklung an. Deshalb verteufle ich solche Tage nicht.
Meine kraftgebenden Tools sind Meditation und Yoga. Außerdem habe ich ein energetisches Ritual, das ich auch in meinen Coachings weitergebe und hier gerne teile. Es handelt sich dabei um eine Übung, die sich “Herzintegration” nennt (hab sie hier verlinkt, coole Sache!). Damit lassen sich in Sekunden Blockaden lösen.
Annette: Ich habe meinen Bruder verloren, du deinen Lebensgefährten kurz vor eurer Hochzeit. Wie ich auch glaubst du an Wunder, an Magie, an eine Verbindung von uns hier unten und denen da oben. Über Engel und das Schicksal habe ich einen Blogtext geschrieben, du räumst diesem Thema ein Kapitel in deinem Buch ein. An dieser Stelle möchte ich dir dankbar auf die Schulter klopfen. Deine „Geschichte über Micha“ tat mir so gut.
Bettina: Danke für deine lieben Worte, Annette, zu meiner Geschichte “Engel und Co.”. Bei Lesungen wähle ich im „Zufalls-Daumenkino-Prinzip“ die Kapitel aus, die ich vorlesen möchte. Tatsächlich ist dieses Kapitel jedesmal dabei gewesen. Ich bin dankbar, wenn ich dieses Kapitel meines Lebens mit anderen teilen kann.
Es ist jetzt 25 Jahre her, als der tödliche Unfall passiert ist. Und immer wieder denke ich noch an Michael oder werde in einer Situation irgendwie an ihn erinnert. So habe ich erst neulich einen Mann gesehen, der so ähnlich aussah wie er und ich musste innehalten. „Was würde Michael jetzt tun? Wie würde er jetzt wohl aussehen?“
Ich bin megadankbar für die Zeit, die ich mit Micha hatte und ebenso für das tolle Leben, was sich für mich und auch für seine Familie nach dem Drama seines schlimmen Verlustes entwickelt hat. Ich kann es manchmal noch nicht fassen, was für ein großes Glück ich hatte, welch wundervolle Unterstützung ich in der schlimmen Zeit durch Freud*innen hatte und wie gesegnet ich bin, dass ich das alles gemeistert und mittlerweile so vieles erreicht habe. Ich bin dankbar für die Verbindung, die ich auch nach seinem Tod noch zu Michael habe und wie viel Kraft sie mir gab und weiterhin gibt.
Annette: Du erzählst in deinem Blogtext von einer Engelmeditation und der Botschaft eines Engelswesens für dich. Auch du hattest schon mal Kontakt mit Energiearbeit. Magst du uns daran teilhaben lassen?
Bettina: Als es mir nach Michas Tod noch richtig dreckig ging, kam ich über eine Freundin in Kontakt zu Hans, einem “Geistheiler”. Dieser konnte mit Toten in Verbindung treten und machte ein Engel-Reading mit mir. Dabei erhielt ich eine Botschaft von Micha. Ich erfuhr, dass er nach seinem Unfall die Wahl bekommen hatte, ins Licht zu gehen oder zurückzukommen. Er wäre geistig und körperlich schwerstbehindert gewesen und hätte kein normales Leben mehr führen können. Für Micha war klar, dass er so nicht leben will und dass er “seiner Bettina” das nicht antun möchte. Dafür bin ich ihm so dankbar.
Denn natürlich war es für seine Familie und mich schrecklich, ihn zu verlieren. Aber ich erkannte, dass es mir nicht zusteht, über jemand anderen zu entscheiden. Nicht im Leben und nicht im Tod. Auch wenn du eine geliebte Person niemals verlieren möchtest, solltest du dankbar sein für den Lebensabschnitt, den du mit ihr teilen durftest und sie dann in Liebe gehen lassen, wenn die Zeit gekommen ist oder sie es möchte (Stichwort “Patientenverfügung“).
Annette: Du benennst als größtes Learning aus der Zeit seit deiner Krebsdiagnose „Vertrauen und loslassen“. Wie meinst du das?
Bettina: Ich bin in tiefem Vertrauen, dass für mich und meine Familie gesorgt ist und das alles für irgendetwas gut ist. Ich weiß nicht, wann der Tag X für mich kommt. Aber ich bin sicher, das mich Gott auch an schlechten Tagen oder wenn ich in negativen Struggle abrutsche, trägt und für mich sorgt.
Ich weiß, dass das Leben für mich ist, für dich ist, auch wenn ich, wenn du etwas Schlimmes erlebst. So war der Krebs ein Paukenschlag. Aber genauso wie der Tod von Micha hat er mir auch viel geschenkt. Ich bin im Vertrauen, dass sich alles für mich fügen wird.
Ich habe gelernt, loszulassen. Menschen loszulassen, aber auch beruflich und privat loszulassen. Loszulassen, als ich nach Michas irgendwann krampfhaft nach einem neuen Partner suchte.
Meine Clique wollte mich z.B. schon länger mit “Greschi” verkuppeln. Aber ich wollte meine “Best-friends-Beziehung” zu ihm nicht aufs Spiel setzen. Irgendwann bemerkte ich aber, dass da doch mehr war und so fasste ich mir am 10. Juli 2000 ein Herz. Ich band mir eine rote Schleife um (war seit Jahren ein Running-Gag zwischen Thorsten und mir, dass er sich mich nackig, mit einer roten Schleife unterm Weihnachtsbaum wünschte) und überraschte Thorsten um halb elf am Abend nach seiner Spätschicht vor seiner Wohnungstür stehend. In der Nacht wurde aus uns ein Paar, genau ein Jahr später, am 11.07.2001 heirateten wir und sind bis heute glücklich. Diese Geschichte zeigte mir, dass eine Lösung manchmal einfach Zeit braucht, bis sie gut wird.
Annette: Seit 2016 hast du deinen eigenen Podcast. Er heißt „Machen ist wie wollen, nur krasser“ – ein wunderbares Motto (Postkarten mit diesem Satz sind mittlerweile im Besitz verschiedener Freundinnen von mir und liegen auch bei der einen oder dem anderen Schüler*in). Wie kam es dazu und wovon erzählst du in den Episoden?
Bettina: Dass ich podcasten wollte, entdeckte ich, als mir im Coaching die Frage gestellt wurde: „Was ist das, was du am liebsten tust?” und meine Antwort war “Reden!“. Schließlich wurde mir schon immer nachgesagt, dass ich so viel rede wie Gisela Schlüter, haha.
Annette: Ich gestehe. dass ich die Dame erstmal googeln musste. Für alle Leser*innen, die die Dame – so wie ich vorm Interview… – nicht kennen, habe ich sie hier direkt verlinkt.
Bettina: Im April 2017 sprach ich dann meine erste Podcastfolge mit dem Titel “Groll ist auch keine Lösung“. Zu Beginn hieß der Podcast “Dein Weg zu dir“, weil es zunächst darüber ging, dass ich erzählte, was mir geholfen hat, in meine Kraft zu kommen, als ich die Krebserkrankung hatte.
Mittlerweile ist der Podcast ein Coaching-Tool, in dem ich Impulse zum sofortigen Umsetzen gebe und deshalb änderte ich den Titel. Das Motto “Machen ist wie wollen, nur krasser” passt absolut zu mir und meiner Lebenseinstellung. Mir ist sehr wichtig, dass jede Folge einen Mehrwert für die Zuhörer*innen bietet.
Annette: Ich bin Fan von außergewöhnlichen Vergleichen und sprachlichen Besonderheiten. Bei dir bin ich z.B. auf das „Lebens-Prinzip des Abreißkalenders“ gestoßen, zu dem du eine Podcast-Folge aufgenommen hast. Sehr spannend. Kannst du diesen Begriff mit Inhalt füllen?
Bettina: Anstoß und der Begriff hierzu war und kam von einer Kundin, die erzählte, dass sie bis zum Coaching einen Tag nach dem anderen “abgerissen” hat, anstatt die Tage wirklich zu leben.
Es geht mir darum, dass wir erkennen, dass wir selbst es sind, die unseren Lebenskalender gestalten und nicht die äußeren Umstände! Und dazu braucht es nicht den Urlaub auf Sylt, das Essengehen, ein Auto oder eine Handtasche.
Zwar genieße auch ich diese “Kirschen auf der Sahnehaube des Lebens” – keine Frage! – und früher haben wir viel geplant und sind immer weit weggefahren, um etwas Besonderes und Wundervolles zu erleben. Doch nicht zuletzt die Einschränkungen durch Corona (die mich wirklich angekotzt und getriggert haben, wie ich gestehen muss) haben mir aufgezeigt, dass ich, dass du, dass jeder von uns jeden Tag die Chance hat, aus seinem Abreißkalender einen Lebenskalender zu machen. Und das geht nur mit sich und in der direkten Umgebung ganz wunderbar. So bin ich glücklich, wenn ich c einen Spaziergang an der Wümme machen kann und brauche dazu noch nicht mal ein Heißgetränk zum krönenden Abschluss dazu.
Und weißt du was, liebe Annette? Dass ich gesund hier in der Sonne sitzen und hier zu dir über mein Leben sprechen darf, während die Vögel zwitschern, die Eichhörnchen herumrennen, unser Hund Paula auf dem Sofa liegt und mir die Sonne ins Gesicht scheint, ist das größte überhaupt für mich! Ich bin megadankbar.
Annette: Auf deiner Homepage habe ich einen Selbstliebe-Test entdeckt. In deinem Buch widmest du diesem Thema ein eigenes Kapitel. Leider fällt es vielen Leuten schwer zu sagen, dass sie ein toller Mensch sind und sie sich in ihrem Äußeren und Inneren lieben. Hast du ein paar knackige Tipps, wie man sich selbst ab sofort mehr Wertschätzung entgegenbringt?
Bettina: Ich glaube, dass viele von uns von ihren Eltern und Umfeld dahingehend erzogen wurden, uns zurückzunehmen, uns nicht so wichtig zu nehmen und nur ja nicht mit irgendwas anzugeben, dass wir gemacht haben („Guck doch mal, was die anderen gemacht haben.“).
Außerdem ist Egoismus in unserer Gesellschaft ein Schimpfwort und Leute, die über ihre Kenntnisse oder Leistungen sprechen werden als “arrogant” oder “eingebildet” wahrgenommen und sofort in Vergleich zu “den anderen” gesetzt. Das war früher auch meine größte Angst.
Das führt dazu, dass die wenigsten über sich selbst etwas Positives sagen oder ihre Leistungen sofort relativieren oder reduzieren (“Normalerweise kann ich das gar nicht so gut.” / “Ach du, das können andere noch besser.”).
Für mich war der Wendepunkt, als ich ohne Haare, mit aufgedunsenem Gesicht und mit gerade frisch operierter Narbe vor dem Spiegel stand. Damals erkannte ich, was für ein wundervoller Mensch ich bin und habe damit begonnen, mir selbst etwas Liebes zu sagen und die Dinge an mir wertzuschätzen.
Es braucht aber Übung, um die Selbstliebe in sich zu entdecken und zu erkennen, dass das wofür andere uns vielleicht belächeln höchstwahrscheinlich unsere größten Stärken sind. So habe ich mich früher immer für meine laute Stimme geschämt, habe eine Zeitlang sogar aufgehört, mich zu schminken, um nicht so aufzufallen. Doch dann erkannte ich, dass es doch genau das ist, was mich ausmacht: meine laute Stimme, mein schnelles und vieles Reden, meine auffallende Persönlichkeit, die Leichtigkeit im Mittelpunkt zu stehen und münzte das zu meinem Beruf um. Im Coaching begleite ich meine Kund*innen dabei, ihre PLD®´s zu entdecken und sich selbst für ihre Stärken zu loben und lieben zu lernen.
Mein Tipp, um in die Selbstliebe zu kommen, fußt auf einem Zitat von Ben Becker, der in einem Interview mal sagte: „Kontinuität bescheißt dich nicht.” Sowohl in die eine als auch in die andere Richtung. Sei es dir wert, dir jeden Tag wenigstens ein paar Minuten Zeit für dich allein zu nehmen, dir ein Lächeln vorm Spiegel zu schenken, egal wie die Haare liegen, und suche jeden Tag mindestens eine Sache, die toll an dir ist. Ich selbst starte z.B. jeden Tag mit der Erdungsübung in meinen Tag. Probier sie doch auch mal aus!
Annette: Die Erdungsübung ist von mir mehrfach erprobt und wahrlich hilfreich. Zusätzlich hilft mir auch ein eminder am meinem Arm, den du, Bettina mir mal geschickt hast. Wenn ich mich mal wieder zu selbstkritisch betrachte, dann erinnert mich ein pinkes Armbändchen daran, dass ich toll bin wie ich bin. Danke dir! (Ich hab sogar mal einen Text über diesen Reminder geschrieben…)
…
Ich bin ein echter Wusel. Ich hab immer ein Projekt am Laufen, immer eine neue Idee im Kopf, immer zig Termine im Kalender. Du bist genauso eine Macherin und Powerfrau! Sehr spannend finde ich, dass du der Stille in deinem Buch ein eigenes Kapitel widmest. Warum ist Stille so wichtig? Hast du Tipps wie andere Wusels und ich Stille in unseren Tag integrieren können?
Bettina: Ja, auch ich bin permanent am Rödeln. Aber das wichtigste Doing in meinem Tag ist es eigentlich, nichts zu tun, mit mir zu sein, in Ruhe zu sein. So habe ich heute früh meinen Sohn zur Schule gebracht, war dann einkaufen und wollte mich dann direkt an unser Interview machen. Davor setzte ich mich aber kurz hin, beobachtete das Eichhörnchen, das draußen herumsprang. Und dann startete ich ganz bewusst, mit dem Aufsprechen meiner Antworten.
Wenn du mal einen Tag hast, an dem du von einem Termin zum anderen hetzt, dein Schreibtisch überquillt, dann achte darauf, dass du zwischendrin mal kurz innehältst oder auch mal ganz bewusst atmest.
Wichtig ist es auch, sich zu fokussieren! Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn jemand – so wie du – immer mehrere Teller gleichzeitig dreht. Wenn dir das Kraft gibt, dann ist das wundervoll. Ich empfehle dir aber, zwischendurch immer mal wieder innezuhalten, bevor du dann wie ein Bienchen frisch gestärkt zur nächsten Blume weiterfliegst.
Annette: Ach, Bettina, das ist eine wundervolle Metapher, die wie die Faust auf mein Auge passt, schließlich habe ich schon viele Ratgeber bei den Lernbienen veröffentlicht, hihi!
…
Liebe Bettina, ich danke dir für den wunderbar erfrischendes Interview, in dem du so herrlich sprudelnd und offen und ehrlich und sehr tiefgründig von dir erzählt hast. Alles Gute dir!
Mehr über Bettina findest du hier:
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Bettinas Podcast „Machen ist wie wollen, nur krasser“
Bettinas Facebookgruppe “Finally me – endlich glücklich”
Hier geht’s zu den anderen schon veröffentlichten Interviews aus der Reihe “Annette fragt…”