Erleichterung vs. Belastung
Annehmen und geduldig sein…
Es ist der 31.05.2022 und der letzte Tag des NF Awareness Month.
Ersteinmal möchte ich mich riesig bedanken bei dem Team der Kurvenkratzer für die Veröffentlichung meines Blogs in Insta. Ebenso bei NF Kinder, welche mich immer wieder mit ins Boot holen und auch bei den Jungs von Krebste eine mit, dafür dass ich mit ihnen live gehen durfte.
Ich möchte auf ein Thema ein gehen, welches beim Live mit unserer Selbsthilfegruppe angesprochen wurde:
“Wie gehst du damit um, wenn neue Tumore wachsen?”
Eine gute und zugleich sehr schwierige Frage. Ich denke, dass es nicht die perfekte Antwort für jeden gibt. Aber es gibt sicherlich gut gemeinte Ratschläge, welche nicht immer leicht umzusetzen sind. Daher werde ich die Frage aus meiner Perspektive beantworten.
Mir ist bewusst, dass ich diese Erkrankung nicht heilen kann. Mir ist bewusst, dass niemand weiß ob und wenn welchen weiteren Verlauf diese Erkrankung haben wird. Mir ist bewusst, dass es keine Therapie und kein Medikament für die Erkrankung gibt. Und ja, mir ist demnach auch bewusst, dass ich die Erkrankung akzeptieren und annehmen muss. Naja müssen, was bleibt einem auch anderes übrig? Es ist ja nicht veränderbar. Aber nicht alles was mir bewusst ist in meinem Kopf ist immer gefühlsmäßig so leicht umzusetzen.
In den letzten Wochen habe ich öfter das Gefühl, dass kleine Tumore an wachsen sind. Das Gefühl, weil ich mir nicht sicher bin ob sie neu sind oder ich sie jetzt erst wahrnehme. Letztendlich ist es auch egal, es fühlt sich gleich scheiße an.
Also ich ertaste einen neuen “Hubbel” und denke “ah, da ist wohl ein neuer Tumor, interessant. Herzlich willkommen auf meinem Körper.” Nein! Natürlich nicht. Die Gedanken hätte ich zwar gerne aber mein erster Gedanke ist eher so “?!?!??+#$__?+&_:(+&…..ahhhhhh….f******……grrrrrrr….”. Danach werde ich nervös, wenn ich nicht unmittelbar einen Spiegel finde um meine ertastete Entdeckung zu begutachten. (Das ist stellenweise sehr schwierig, besonders wenn man grad am Autofahren ist – Achtung im Straßenverkehr. Ein Auto hat viele verlockende Spiegel in unmittelbarer Nähe).
Nach dem Spiegel oder die Zeit bis ich einen gefunden habe gehen 1000 Gedanken in meinem Kopf rum. Ein Blick:
“Jetzt geht es los. Warum? Warum jetzt?”
“Ich werde entstellt, dann bin ich hässlich, werde verlassen und werde mein Leben lang alleine sein.”
“Möchte ich denn dann noch leben?”
“Warum kann mir keiner helfen?”
“Mit wem soll ich reden? Wer versteht mich? Und hilft mir reden überhaupt?”
Usw. Dann stell ich mir vor wie sich bildlich alle Menschen von mir abwenden und ich alt und alleine, depressiv in meiner staubigen Wohnung als alte Frau Hocke. Ja etwas dramatisch aber so sind nun Mal meine ersten Gedanken. Manche weinen, manche ignorieren es, meine Gedanken rasten halt aus.
Ich denke, dass es okay ist egal wie man dann empfindet oder reagiert. Hilflosigkeit bei der Gesundheit fühlt sich einfach scheiße an. Wichtig ist aber, dass diese Gedanken und Gefühle erst einmal wieder verschwinden, zumindest bis zur nächsten Entdeckung. Und dafür muss ich aus dem Gedankenkreis raus. Manche Menschen machen dann Sport oder lesen oder schauen einem Film. Ich schreibe dann halt einen Blog, Gründe eine Selbsthilfegruppe oder helfe anderen Menschen. Mit allem möchte ich anderen nützlich sein, weil mir es am besten hilft, anderen das Gefühl zu geben, dass sie damit nicht allein sind. Warum? Weil ich weiß wie es sich anfühlt damit allein zu sein. Und Alleinsein bedeutet nicht, dass keine Freunde oder Familie da ist. Aber es ist keiner da der diese Angst versteht. Sicherlich meinen alle es gut mit einem aber am besten verstehen doch Betroffene einen. Und auch Betroffene können jemanden am besten beruhigen. Z.B weiß ich, dass man nicht allein mit der Erkrankung bleiben muss. Ganz viele NF-Freunde haben unheimlich tolle Partner und Partnerinnen, die sie genauso lieben wie sie sind.
So viel zu dem Thema Tumor finden an annehmen. Jetzt zum Thema Geduld. Ja irgendweshalb sagen mir viele enge Freunde, dass ich wahnsinnig geduldig bin. Manchmal Frage ich mich, wie ungeduldig sie selbst sein müssen um mich geduldig zu finden *haha*.
Vielleicht hört meine Geduld aber auch bei der Gesundheit auf . Momentan übe ich mich Mal wieder darin. Seit einigen Monaten geht es mir körperlich mäßig bis scheiße. Ich fühle mich phasenweise wortwörtlich am Arsch. Nachdem letztes Jahr wirklich stressig für mich war dachte ich zuerst “okay, mein Körper braucht erstmal Ruhe”. Aber es wird nicht besser, im Gegenteil eher schlimmer. Ich also zu meiner Hausärztin. Blutentnahme und co. Vitamin D Wert, genau wie ich mich fühle an Arsch. Ich muss also noch mehr Vitamin D nehmen als eh schon. (Vitamin D Mangel ist leider typisch für NF). 1,5 Monate später fühle ich mich immer noch am Arsch. Und nun aufgepasst: mein Instinkt sagt mir das ich mich so fühle, weil meine Hormone nicht in Ordnung sind. Okay, ich weiss, Vitamin D ist ein Hormon, aber nach 1,5 Monaten einfach null Verbesserung. Also ich wieder zur Hausärztin. Diese kann wohl nichts weiter machen, aber meinte es dauert länger bis Vitamin D wirkt. Ich also zum Frauenarzt um ihm meine Vermutung mitzuteilen. Was macht er? Er verschreibt mir die Pille. Obwohl ich mehrfach sagte, dass ich sie nicht will und ich ja auch nicht weiss ob es hormonell ist, es ist eine Vermutung/ ein Gefühl. Übrigens hormonelle Veränderungen sind scheiße für die Erkrankung.
Letztendlich bin ich nicht weiter, fühle mich nicht besser, hab weiter das Gefühl es stimmt was nicht. Und nun entdecke ich neue hubbel. Und was muss ich nun? Richtig, mich gedulden. Gedulden bis zum Termin in der NF-Ambulanz und hoffen, dass sie Ratschläge haben. Es ist jetzt noch etwas mehr als ein Monat und jeder Tag zieht sich wie Kaugummi. Wobei ich vor den Terminen in der Klinik auch tendenziell viel empfindlicher bin und auch aufmerksamer. Dh wenn ich was entdecke, dann besonders in diesem Zeitraum.
Was kann ich euch also mitgeben, außer das ich nicht anders fühle als andere? Vermutlich nichts. Aber vielleicht, dass es natürlich sinnvoll ist geduldig zu sein und es anzunehmen wie es ist. Aber auch , dass es völlig okay ist hin und wieder durchzudrehen und wütend und traurig oder verzweifelt zu sein. Wichtig ist es nur, aus diesem Zustand so schnell es geht rauszukommen.
Das Leben zu genießen, schöne Dinge zu unternehmen und Zeit mit Menschen zu verbringen, die man liebt. Und das gilt nicht nur für NF oder andere Erkrankungen, sondern auch für völlig gesunde Menschen. Es kann sich immer alles jeden Tag verändern, dass haben wir in den letzten 2-3 Jahren deutlich gesehen.
Wie sagte die Jugend Mal YOLO – you only life once.
In dem Sinne eine schöne Woche und tolle Pfingsten
@vanny.cat