Erleichterung vs. Belastung
46,96 Euro
Zwei frisch gedruckte Bücher mit Hardcover oder ein überformatiger Bildband über die norwegische Schroffküste, eine Nächtigung im Doppelzimmer am Neusiedler See (die zweite Person nicht eingerechnet), eine Tasche voll Gemüse und Käse vom Bioladen ums Eck, ein fancy-schmancy (aber nicht zu exklusives) Abendessen oder zwei Business Lunches in der Innenstadt, sechs DVDs aktueller Filme oder neun Streams vom VOD-Club, oder eine Hodenentfernung, alles für jeweils 46,96 Euro erhältlich.
Die geht übrigens ähnlich schnell wie ein Einkauf dieser schönen Dinge. Also für mich jedenfalls. Damals, vor fünf Jahren. Genau heute ist es nämlich ein halbes Jahrzehnt her, dass mein rechter Hoden wegen einer „hypodensen Raumforderung“, also einem Tumor, Hodenkrebs, herausgeschnitten wurde. Sonntagabend größerer Hoden getastet, Montagfrüh zum Urologen, von dem die Zuweisung zum Ultraschall bekommen, von denen ins Spital geschickt und dort fast nicht mehr heimgelassen worden.
Skizziere dich in fünf Jahren
Monate zuvor fragte mein Psychotherapeut: „Herr Greiner, wo sehen Sie sich in ein, zwei, fünf Jahren?“ Ich skizzierte damals in mein Notizbuch Kritzeleien (meine Zeichenfähigkeiten sind nämlich nicht besonders gut ausgeprägt) von romantischen Dates, großen Feierlichkeiten, gemeinsamem Kinderwagenschieben. Gekommen ist alles anders. Ausstieg aus der Unternehmensberatung, durch die Welt reisen, Umschulung zum Barista, Sonnenbaden auf der Donauinsel, Jobwechsel in die Kaffeewelt, tödliche Krankheit, Krebsblogger, Buchautor.
Nicht, dass ihr glaubt, es gäbe einen direkten Zusammenhang, eine Wenn-dann-Kette. Weil ich nicht so und so, deshalb volle Kanne, Krebs. Nein. Einigen Zellen in meinem Hoden war es vielleicht in die Wiege gelegt, zu entarten. Und obwohl meine psychische Gesundheit im Sommer 2015 hervorragend war (okay, eine klitzekleine Krise hatte ich sehr wohl, aber ich hatte unzählige schwerwiegendere davor), bildete sich halt diese Wucherung in den Keimzellen. Gut auch irgendwie, dass ich damals keine Kinder gezeugt hab.
Der lange Weg ist der bessere
Aber in der Rückschau hätte ich vor fünf Jahren niemals zu fantasieren gewagt, wo ich heute stehe. So ist das nämlich mit der Zukunft. Da rettet dich kein Plan. Es zählt nur, dass du einen Schritt vor den anderen setzt. Und mit der Zeit überschreitest du Gebirge, die du vorher, auf der Ebene, oder in dem Tal, in dem du dich befandest, nicht gesehen hast, von denen du vorher gar nicht wusstest, dass es sie überhaupt gibt. Versteht mich nicht falsch, natürlich sind Pläne gut, Ziele, aber die sind genauso veränderlich wie alles im Leben.
Und mal salopp gesprochen: So eine Krankheit haut dir halt eine Watschen rein, he, steh auf, du kannst nicht ewig in deinem Sumpf bleiben, dort wirst du steckenbleiben und krepieren. Dort retten dich die Filme und Essen und Bücher und Urlaube auch nicht. Mach was draus. Egal was.
Return on invest unbezifferbar
Einmal Lebensverlängerung im Gegenwert einer Fahrkarte von Wien nach Graz mit Sitzplatzreservierung inklusive Straßenbahnkarte in der Murmetropole? Ja, bitte gerne. Hab im Grunde gute Erfahrungen damit gemacht.