Erleichterung vs. Belastung
1. Konsolidierungsphase mit Cytarabin
Nachdem ich endlich (naja, quasi – hatte ja immer noch einen CT-Wert von 36….) Covid-negativ war, ging es am Freitag früh, 22.04.2022 wieder ins Krankenhaus für meine 1. Konsolidierungsphase.
Zuvor hatte ich ja 2 Induktionsphasen gehabt – wo ich je über 1 Woche eine Dauerinfusion (24/7) des Zytostatikums Cytarabin erhalten habe, plus Daunorubicin an Tag 3-5.
Dieses Mal gab es nur Cytarabin – dafür 10fach dosiert im Vergleich zur Induktionsphase , 2x täglich über 3h an Tag 1,3 und 5.
Nachdem mir Mittags noch schnell ein neuer Zentralvenenkatheter (ZVK) gelegt wurde, ging es abends dann direkt mit der Chemo los.
Für alle nicht-Apotheker*innen /nicht-Nerds: Was ist das Cytarabin eigentlich und wie funktioniert es?
Cytarabin ist ein Struktur-Analagon des Nukleotids Cytidin, sieht also FAST aus wie Cytidin. Cytidin wiederum ist ein wichtiger Baustein für unsere DNA. Somit wird Cytarabin als falscher Baustein in die DNA eingebaut – die dann nicht mehr funktioniert, es kommt zum DNAKettenabruch und letztendlich zum Zelltod.
Diese Arzneistoffgruppe wird auch Antimetabolite genannt, weil sie den körpereigenen Stoffwechselprodukten (Metabolite) so sehr ähneln, dass sie anstelle derer zB eingebaut werden, das Produkt dann aber nicht mehr funktioniert.
Durch diesen Wirkmechanismus ergeben sich natürlich auch die klassischen Nebenwirkungen: Während der Chemotherapie mit Cytarabin sind alle Zellen, die schnell wachsen betroffen, weil da der falsche Bauststein Cytarabin eingebaut wird: Krebszellen, aber auch (Schleim-)Hautzellen, Haarzellen, etc.
Cytarabin gibt es schon sehr lange – 1968 wurde die Wirksamkeit bei akuten Leukämien erstmals beschrieben!
Cytarabin wird wie gesagt als Infusion verabreicht – und die Dosierung wird Patienten -individuell anhand des Körpergewichts oder der Körperoberfläche berechnet! Die genaue Menge an benötigtem Cytarabin wird dann in der Apotheke im Reinraum abgewogen/abgemessen und in einem Infusionsbeutel mit der passenden Infusionsflüssigkeit gemischt. Bevor ich meinen „Chemobeutel“ bekomme, muss ich deswegen auch jedes mal nochmal meinen Namen und das Geburtsdatum sagen, damit es da keine Verwechslung gibt!
(Als Apothekerin habe ich in meinem praktischem Jahr auch schon Zytostatika hergestellt kenne ja damit auch die andere Seite. Mir hat das ehrlich gesagt immer sehr viel Spaß gemacht: man muss sehr konzentriert arbeiten, da die exakte Dosierung wichtig ist und man mit toxischem Material arbeitet, durch die Reinraum-Umgebung (man muss sich durch eine Schleuse komplett umziehen, hat sterile Handschuhe etc an) muss man sehr bedacht arbeiten – möglichst keine unnötigen Handgriffe – ich fand das sehr gut zum Runterkommen!)
Was ich die letzten Tage mal wieder gemerkt habe: Leukämie ist nicht gleich Leukämie und Chemo ist nicht gleicht Chemo – prinzipiell hängt das Therapie-Schema erstmal von der Art der Leukämie ab – ich habe akute myeloische Leukämie, da ist 2x Induktionsphasen mit Cytarabin und Daunorubicin wie oben beschrieben der Goldstandard, gefolgt von meist 1- 3 Konsolidierungsphasen mit Cytarabin.
In meiner Zeit bisher im Krankenhaus hatte ich Zimmernachbarinnen, die hatten anderen Formen der Leukämie – die eine akute lymphatische Leukämie (ALL), die andere akute Promyelozytenleukämie (APL) – bei beiden KOMPLETT andere Behandlungsdauern, Medikamente, Therapie-Schemata, Prognosen!!! Alter und sonstiger Zustand des/r Patient*in spielt auch eine riesige Rolle und dann können die Krebszellen ja noch diverse Mutationen aufweisen, wofür es mittlerweile gezielt Medikamente gibt, die die Prognose dann auch drastisch verändern können – so bin ich dank der teuren Midostaurin-Tabletten (genaueres zu dem Wirkmechanismus siehe: Meine ganzen “Kleinwagen”-Medikamente – und am anderen Ende der Welt sterben die Frauen fast bei der Geburt wegen 50 USD die fehlen…..) vom „Hochrisiko“ ins „Intermediäre Risiko“ gerutscht.
Was ich damit sagen will: bevor ihr nicht GENAU wisst, was ihr habt, bringt googlen recht wenig……vor allem, wenn man nicht vom Fach ist. Es gibt einfach zu viele Faktoren, die in die Prognose reinspielen….. Da würde ich den behandelnden Ärzt*innen vertrauen – die sind da Profis und beschäftigen sich damit den ganzen Tag! Und je nach Wissenstand ändert sich die Ausgangslage und damit die Prognose recht schnell…..Insofern ist es wichtig möglichst up-to-date zu sein: achtet bei den Quellen, die ihr euch anschaut, wie alt diese sind! (Und wie seriös….) Gerade in den letzten 5 Jahren hat sich wahnsinnig viel getan!!!!
Chemo ist auch nicht gleich Chemo: wie oben beschrieben war mein Erlebnis der Konsolidierung ganz anders als bei den Induktionsphasen. Dadurch, dass ich nur 2x 3h (morgens von ca. 7.00-10.00 Uhr und abends von 19.00-22.00 Uhr) am Infusomat hing, konnte ich mich tagsüber recht frei bewegen, auch Spaziergänge draußen machen. Das war in den Induktionsphasen mit der Dauerinfusion nicht möglich. Somit war ich prinzipiell körperlich deutlich fitter, weil ich einfach mehr Bewegung (und Sonne/frische Luft) hatte. Durch die hohe Dosierung hab ich allerdings gemerkt, dass die klassischen Nebenwirkungen schneller losgehen – aber mit „Cremen, cremen, cremen“ und „Spülen, spülen, spülen“ , sowie alle 3h Augentropfen war/ist das ganz gut zu behandeln. Die Müdigkeit ist mittlerweile denke ich vergleichbar mit dem 2. Zyklus.
Seit heute sind meine Blutwerte jetzt unten – Leukozyten zB bei 0.19 Tsd/µl, Thrombozyten bei 15 Tsd/µl. Bin jetzt also erstmal wieder ein paar Tage in der Hygienezone: nur noch raus auf den Gang, wenn nicht viel los ist, „Cook it, peel it, or forget it“ – kein Salat mehr, und Schneiden/Stoßen sollte ich mich aktuell auch nicht mehr… Aber die Blutaufbauende Spritze (Granozyte®) bekomme ich schon – insofern müsste es in ein paar Tagen auch wieder hoch gehen!
Und wenn bei mir alles glatt läuft, dann war das in meinem Fall auch die einzige und letzte Konsolidierungsphase und als nächstes kommt dann direkt die Stammzellentransplantation! Heute wurde bei mir extra Blut abgenommen für die Spendereignung – drückt mir die Daumen, dass diesmal alles klappt! (Ein Post zur Stammzellentransplantation ist in Arbeit und folgt hoffentlich demnächst……)